Ich bin eine Denkmaschine. Das ist kein Witz. Gestern erzählte mir ein Kunde, dass er beim Joggen komplett abschaltet und nichts mehr denkt. Das gelingt mir nicht. Es rotiert ständig, immer neue Ideen, nicht nur fruchtbare, viel Mist darunter.
„Kannst du nicht mal aufhören“, sage ich mir dann. „Es ist total nervig, dass du selbst in klassischen Musikkonzerten, im Ruheraum der Sauna oder bei der Yoga-Medition an irgendetwas denkst. Alle anderen können eine Zeitlang NICHTS denken, du nicht.“ Ich ging zum Heilpraktiker und frage, was ich tun könne. Der sagte, das sei normal bei klassischen Konzerten, er denke da auch weiter. Ich muss mir jemand anders suchen.
Das Denken verfolgt mich spätestens seit der Schule. Manchmal war ich zehn Kilometer vorm Lehrer, manchmal 20 dahinter – und noch viel öfter ganz woanders. Ich hätte Medizin studieren können, wenn das anders gewesen wäre. Naja, wollte ich ja gar nicht… Der Dank für meine geistige Abwesenheit: Noch heute knapse ich am Satz des Pythagoras.
Nur beim Reden denke ich nicht. Ich wundere mich manchmal, was ich so sage. „Warum sprichst du so einen Mist in die Kamera“, schimpfe ich still mit mir. Beim Schreiben ist es genauso. Manchmal wurmt es mich, dass ich auf einer Seite drei Mal dasselbe Verb verwendet habe. Wenn ich nach einem halben Jahr Abstand etwas von mir lese, kann ich nicht fassen, dass ICH es war, die das geschrieben hat. Ich wundere mich dann oft, was ich damals alles wusste, z.B. den Namen eines Steuerparagrafen – und ärgere mich grün, dass ich das jetzt schon wieder vergessen habe.
„Du bist sowas von unvollkommen“, sagt Hermann dann. So heißt er seit kurzem, mein innerer Kritiker. Hermann ist der Teil von mir, der immer etwas zu meckern hat. Ich habe einen großen Hermann. Wer Hermann ist? Hermann kommt aus einem kleinen schlauen Büchlein, das ich am Freitag im Zug las. Es ist von Tom Diesbrock. Und es hat mich ganz innen drin gepackt. Das passiert selten, weil ich Ratgeber eigentlich nicht mag (jaja, Hermann sagt gerade: „Und du Idiot schreibst z.B. über Online Bewerbungen“). Hermann ist aber auch kein Ratgeber, sondern etwas anderes. Weiß nicht genau, was – aber ist auch egal. Hermann ist persönlich geschrieben und irgendwie anders. Witzig auch, so still witzig, nicht plump. Die Bilder sind lustig, auch wenn Herman ein wenig an das HB-Männchen der Siebziger erinnert, das ich nicht nur in positiver Erinnerung habe.
Dazu gesagt: Ich kenne Tom, aber mein Hermann in mir wacht streng über die Einhaltung von Regeln. Und eine davon lautet: Ich lobe nur öffentlich, wenn ich es wirklich so meine. Ich sage lieber (öffentlich) nichts, wenn mich etwas nicht überzeugt, von jemanden den ich kenne. Das ist die kleine Diplomatie, aber da bin ich mir mit Hermann mal einig: wichtig. Mögen wir lieber als die große Politik.
ganz schön offenes Ende … gibt es (k)eine Lösung des Denkproblems? Oder ist es gar kein Problem? Der Beitrag schreit nach Fortsetzung. Vielleicht kann ja auch Hermann was dazu sagen
Hm, ist es ein Problem? Eigentlich nicht. Und dann doch. Es ist Teil von mir. Ich finde es gut von mir, dass ich mit mir selbst schimpfen kann und immer wieder Verbesserungsansätze finde. Ich will keiner von diesen gestylten Selbstdarstellern sein, die Ihren Hermann nie öffentlich machen würden. Also ist es ein Problem? Kommt auf meine Laune an, wie ich das sehe
Meist ist es keins… Haben Sie auch einen Hermann? LG Svenja Hofert
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