Ich hab noch nie ein BOD (Book on Demand) gekauft. Schien mir überwiegend Mist. Verlage treffen wenigstens eine Vorauswahl – was vor schlimmstem Trash bewahrt. Ich weiß: Das ist Verlagsautorinnen-Arroganz, stimmt nicht unbedingt und ist auch nicht mehr zeitgemäß. Doch dieser schöne Buchtitel hatte mich angesprochen.
Da schien etwas zwischen den Seiten zu stecken, was mit mir und meinen Thesen zu tun hatte. Eine Slow-Grow-Denkweise? Der erste Impuls war richtig: Die beiden Dokumentarfilmer Silvia Holzinger und Peter Haas haben ein Buch geschrieben, das Menschen aus der Kultur- und Kreativbranche (und auch die hier mitlesenden Berater und Coachs) ziemlich gut gebrauchen können. Sie beschreiben darin ein Prinzip, das „Slow-Budget-Self-Funding“. Und das ist nichts anderes als eine kleine Revolution. Lesen Sie mein Interview mit Peter Haas.
Ich: Was steckt denn hinter diesem kryptischen Begriff Slow Budget Self Funding?
Peter Haas: Wir wollten einen Film über den Informatikkritiker Joseph Weizenbaum machen, aber niemand wollte das Projekt fördern. Wo also Geld her bekommen? Die deutschen Crowdfunding-Plattformen sind längst noch nicht so weit – zu diesem Zeitpunkt gab es nicht mal welche. Wir mussten uns selbst finanzieren. Wir probierten einiges aus, machten teilweise kabarettreife Fehler und kamen dann auf die Idee, unsere Community an Universitäten zu suchen.
Ich: Es ist selten, dass jemand so offen über dumme Akquisefehler spricht…
Peter Haas: Für uns ist das notwendig, wenn man mit einer experimentellen Einstellung an die Vermarktung geht. Da wir nichts nachmachen konnten, mussten wir uns selbst ausprobieren. Unsere erste Idee war es, beim Whiskeyproduzenten Glenfiddish in Schottland anzurufen – die Sorte kommt im Film vor -, um sie als Sponsor zu gewinnen. Das ist eine scheinbar naheliegende Idee, aber ich habe mich furchtbar blamiert, weil ich nichts verstanden habe vom anderen Ende der Leitung. Schottisch eben. Bei Mont Blanc machten wir ähnliche Erfahrungen. Diese Firmen sind einfach zu groß, als dass du da einfach so anrufen und die Entscheider für das Projekt gewinnen kannst.
Ich: Erst an den Unis wurden Sie fündig und finanzierten sich fünf Jahre lang mit dem Film, den Sie selbst über das Internet vertrieben haben. Das klingt unglaublich. Ihre Einnahmen sollen sechsstellig gewesen sein.
Peter Haas: Ja, auch jetzt machen wir mit dem Film noch Umsätze. Wir tourten durch die Unis und nahmen für jede Aufführung ein Standardhonorar von 1.000 EUR. Hinzu kam das Geld für die DVD-Verkäufe, immerhin konnten wir mehr als 16.500 Stück verkaufen.
Ich: Warum hat das so gut funktioniert?
Peter Haas: Es gab eine Community für Weizenbaum, die groß genug war, seine Leistungen zu schätzen. Das ist das Prinzip jeden Projekts: Es muss eine ausreichend große Gemeinschaft finden. Auch bei unserem Buch haben wir dieses Prinzip angewendet. Erst wenn wir 100 Käufer finden würden, wollten wir es drucken. Unter anderem haben wir dafür bei Amazon ein sehr günstiges E-Book vertrieben, das uns einen Teil der Print-Leserschaft bescheren sollte. Inzwischen haben wir mehr als 500 Leser und unser Buch liegt bundesweit in den Filialen einer Kaufhauskette für Künstlerbedarf.
Ich: Das ist für die wenigen Wochen, in denen ihr auf dem Markt seid, sehr viel – sage ich als Verlagsautorin. Ich bekomme außerdem nur einen Bruchteil des Verkaufspreis für Tantiemen. Ich sollte meine Bücher wohl selbst vermarkten?
Peter Haas: Die rund 3.000 EUR, die wir investiert haben, haben wir jedenfalls längst wieder raus. Wie immer haben wir sämtliche Rechte behalten.
Ich: Was können andere von euren Erfahrungen lernen?
Peter Haas: Im Idealfall besetzt man eine Nische, die kann auch sehr skurril sein. In unserem Buch stellen wir das „Urban Gardening“ vor. Wichtig ist: Es muss eine latente Community geben, also genügend Interessenten.
Ich: Ich finde es sehr clever, wie ihr vorgegangen seid. Als Nachteil empfinde ich, dass man bei einer Themenpositionierung seine Community nur begrenzt weiter ausschöpfen kann. Ist ein Projekt beendet, so fängt man woanders wieder neu an. Das ist bei einer Personenmarke, wie Sascha Lobo, einfach anders.
Peter Haas: Es gibt schon einen gewissen Abfärbeeffekt, auch jetzt profitieren wir von der Weizenbaum-Community, aber im Grunde ist das richtig. Das liegt sicher auch im Geschäftsmodell begründet. Dokumentarfilmer sind halt keine Selbstdarsteller.
ja, spannend, und mir selbst sehr bekannt sehr bekannt …
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Liebe Svenja, schönes Interview. Und eine gute Frage: Wann lesen wir das erste Buch von Svenka Hofert im Eigenverlag?