Die Marke Ich im Internet: Wie bin ich privat und trotzdem professionell?

„Wie gehen Sie als Markenbotschafter eigentlich mit ihren privaten Informationen in sozialen Netzwerken um?“ Am Freitag stellte Stefanie Söhnchen von Eck Kommunikation mir und einigen weiteren Social-Media-Aktivisten diese Frage.  Gelegenheit, dieses Thema einmal ausführlicher zu betrachten, denn schließlich ist längst jeder Netzaktive Markenbotschafter in eigener Sache, auch mancher Angestellte – und ganz sicher jeder der neuen Selbstständigen, die mit Kopf-Dienstleistungen ihr Geld verdient. Zur Zeit findet außerdem die Social Media Week in Hamburg statt. Ein weiterer Grund, dies Thema JETZT aufzugreifen war für mich dies: Kürzlich machte eine Forsa-Umfrage die Runde, wonach sich die meisten Deutschen nicht mit dem Chef verlinken würden. Deutliches Zeichen von allgemeiner Verunsicherung! Und Signal, dass der Gedanke „jeder ist eine Marke“ noch nicht wirklich bei jedem angekommen ist. Erst recht nicht, was das bedeutet.

Welche privaten Infos darf ich preisgeben?

So mache ich es: Wie für die PR-Profis Klaus Eck  und Kerstin Hoffmann  ist meine Familie im Internet tabu. Manche einer weiß vielleicht aus Blogartikeln, dass es einen Sohn gibt, aber der ist nicht genau zu verorten. Auch mein Wohnort ist absichtlich ein bisschen diffus gehalten. Bei Urlauben und anderen Abwesenheiten bin ich vorsichtig. Meist melde ich mich so, dass man weder erkennen kann, wann genau ich weg bin noch wo ich bin. Unter Umständen melde ich mich bei Facebook kurz ab oder zurück, aber nicht verlässlich und bewusst nie ganz eindeutig. Mein Ipad und mein Iphone dürfen auch nur sporadisch meinen Aufenthaltsort nutzen (gerade unterwegs nicht), bei Foursquare habe ich ein Profil, aber außer zum Spaß würde ich es nie nutzen. Die öffentliche Telefonnummer ist eine zentrale Nummer meines Büros, an die nur meine Mitarbeiter gehen oder ein externes Büro, wenn keiner da ist. Ich selbst nie. Die Handynummer ist kürzlich bei Xing verschwunden, nachdem die Grenzüberschreitungen (Abendanrufe, Angebote von Tauschgeschäften und dubiosen Kooperationen) leicht zunahmen – im Moment hat die Nummer, glaub ich, nur noch dpa ;-) Ach ja: Telefonbucheinträge – gibt´s auch nicht.

Darauf sollten alle achten: Abwesenheitsmeldungen sind Willkommensnachrichten für Einbrecher. Je höher Ihr berufsbedingter Öffentlichkeitsgrad, desto mehr gesellen sich weitere Risiken dazu, etwa Stalking. Das kennen nicht nur Frauen wie Madonna, sondern auch semiprominente Musiker, Laiendarsteller und Vorstände von Dax-Unternehmen. Selbst ein harmloser Coach wie ich wurde schon „überfallen“ von Leuten, die behaupteten mich zu kennen, um auf dem Weg zu mir  – „nur EINE Frage, wir kennen uns“ – meine stets freundliche Mitarbeiterin an die Wand zu drücken oder, noch schlimmer, fröhlich an mein Fenster zu klopfen während ich in Beratung bin. Eine öffentlich zugängliche Privatadresse geht deshalb gar nicht. Ich empfehle selbstständigen Ich-Marken, sich eine Zweitadresse im Bürocenter zu mieten, da Sie ja auch bei Facebook Impressumspflichten bedienen müssen, sofern Sie eine Fanpage besitzen. Und wenn Sie kein Büro haben, steht dann da zwangsläufig Ihr Home, Sweet Home…. besser nicht.

Soll ich meinen Chef freischalten?

So mache ich es:  Ich wäre irritiert, wenn meine Mitarbeiter eine Freundschaftsanfrage ignorieren oder ablehnen würden. Ich verstehe auch nicht, was Leute gegen ihre Chefs haben. Wer von uns bitte hat noch ein astreines Privatleben? Was soll der Dünkel? Ihr wollt Arbeit 3.0, aber behandelt den Chef 1.0-ig. Muss jeder für sich entscheiden, aber ein vernünftiger Grund fällt mir nicht ein, außer der Chef ist peinlich oder doof. Aber dann kann man ihn ja immer noch auf eine separate Liste setzen, über die er keine Infos kriegt. Oder mal darüber nachdenken, den Job zu wechseln.

Wer etwas aktiver ist im Internet und im Job, kann privat und Beruf doch eh gar nicht mehr trennen. Lehrer werden von ihren Schülern konnektet, Musiker von ihren Fans. Komischerweise mögen Lehrer das konnekten weniger als die Musiker… Hier kann ich übrigens durchaus verstehen, wenn man grundsätzlich als Lehrer keine Schüler freischaltet. Das ist dann eine (hoffentlich) durchsichtige Entscheidung: klar, konsequent, fair. Nebenbei gesagt würde den meisten Schüler ein Social-Media-Führerschein recht guttun, was auch die prophylaktische Wirkung haben könnte, dass man das als Schüler gar nicht erst macht.

Ich selbst versuche keine Nacktmodells, Adressenschnorrer, Multilevel Network Marketer und Goldverkäufer auf mein Profil zu lassen. Aber ich wäre ja schön blöd, wenn ich die Anfrage eines entfernt bekannten „Influencers“, den ich aus dem Jobleben kenne, ablehne. Es gilt (leider): Positives Abfärben von Image ist erlaubt, Negatives nur mit gutem Grund (z.B. weil ich von Jemand/etwas überzeugt bin).

Darauf sollten alle achten: Komische Typen machen auch Sie ein bisschen komisch. Was hat die denn mit dem…? Der gute Herr Zorem, nun aus dem Verkehr gezogen, ist ein Beispiel für unerwünschtes Abfärben (Insider wissen, wen ich meine, alle anderen lesen hier mal drüber). Mich interessiert die Meinung von anderen über andere nicht wirklich, wenn ich eine gefestigte eigene habe (als T-Typ entsteht die bei mir durch Infosammlung, Abwägen und dann Entscheiden). Das Problem ist, wenn ich (noch) keine habe. Ergo scheint mir eine gute Regel: Schalte frei, wenn du dir eine Meinung über jemand bilden kannst – z.B. auch aufgrund seiner Internetaktivitäten. F-Typen, also jene, die eher aus dem Gefühl heraus etwas machen, schadet es nicht, finde ich, hier eine gewisse Systematik entgegen ihres natürlichen Handelns einzubauen.

Was darf ich denn öffentlich sagen?

So mache ich es: Das ganze Internet ist der Kölner Domplatz mit Verstärker in die Welt. Ich mache auch in meinem Privatprofil nichts, was ich auch jedem auf dem Kölner Domplatz erzählen würde – und wenn doch, dann nur so, dass es die meisten nicht mitkriegen.

Darauf sollten alle achten: Stellen Sie sich einen Trupp von 200 Leuten vor, die Sie auf dem Domplatz umkreisen. Alles, was Sie denen erzählen würden, kann auch Online gehen. Sehen Sie? Sind nur ein drei bis fünf Infos, die Sie bei dem Gedanken daran rauslassen (so gut wie immer: Hobbies, Sport- und Musikpräferenzen sowie den Familienstand und als letztes vielleicht Mitgliedschaften). Und jetzt stellen sich mal die unternehmerischen und selbstständigen Internetaktiven mal ibn Gedanken dahin: Denken Sie dran, Sie wollen das Publikum gewinnen! Ergo muss es ein wenig privateln und menscheln. Irgendwas ”Anfassbares” liebt das Volk auf der Domplatte und Online. Aber es muss einen gewissen Reiz haben und Merkfähigkeit erzeugen. Ergo ist Fliegenfischen im Zweifel besser als Fitnesstraining. Aber überlegen Sie sich gut, ob Sie bekennen, St. Pauli-Fan zu sein. Auch Hansi Hinterseer bildet eine definitiv andere Community als Kate Bush. Klar, oder?

Wie viel, was und wen darf ich liken?

So mache ich es: Ich sehe Kunden, die paralysiert auf das Like starren. Es kommt für sie gar nicht in Frage, darauf zu klicken. „Ich like nie“, sagen sie, verängstigt ODER selbstüberzeugt. Letzteres: Okay, konsequent ist konsequent. Aber wenn man einmal angefangen hat, ist auch egal. Unsere Daten sind sowieso überall, und die wirksamste Kontrolle ist die eigene und die der Internet-Community. Facebook wird unsere Daten weiter ausbeuten wollen, vor allem wenn es erst mal an der Börse ist. Aber so groß lassen wir die Abhängigkeit dann einfach gar nicht werden. Ich habe nach anfänglichem Widerwillen mit dem Liken angefangen – und freue mich zu sehen, wie sich die klickstreamgenerierte Werbung oft genug heftig irrt, wenn sie mir vollkommen uninteressante Werbung anbietet. Denn meine Likes sind strategische Likes, nicht mehr, nicht weniger. Reicht nicht für effektive Werbung. Ich meide Likes bei Dingen, die Präferenzen erkennen lassen, die nicht IRGENDWIE beruflich relevant sind. So verrate ich Ihnen jetzt einmalig, dass ich bisweilen bei Strenesse kaufe – aber liken würde ich Modemarken, Waschmittel etc. nie. Klitzekleine Ausnahme: Hinter den Accounts verbergen sich  Bekannte oder Kunden und die möchten mein Like.

Freimütig like ich dagegen Verlagsmarken, die aus meiner Sicht zu mir passen – das sind neben den Verlagen, in denen ich publiziere, auch Verlage, mit denen ich mich identifizieren kann. Das gleiche gilt für Zeitschriften: Ergo like ich Brand eins, aber nicht Bild der Frau (sorry). Eine Ausnahme macht  Sport und Musik. Michy Reincke würde ich inzwischen auch wieder aufgrund seiner Musik; doch die Freundschaftsverbandelung via Facebook ist schlicht deshalb zustande gekommen, weil ich mit ihm ein Interview für mein Slow-Grow-Prinzip gemacht habe.

Darauf sollten alle achten: Ihre Likes schaffen ein Bild von Ihnen. Wenn Sie die Marke „Dove“ liken und nicht gerade Social Media Berater sind, die alles liken, was halbwegs gutes Marketing macht, sagt das etwas über Sie aus. Überlegen Sie sich vorher, ob Sie das wollen – letztendlich also auch eine Markenbotschaft unterstreichen mögen oder lieber nicht.

Wie viele Infos soll ich preisgeben?

So mache ich es: Ich nutze meine Erfahrungen, um bei Facebook und im Blog Beispiele zu geben, Gedanken anzuregen oder auf Dinge hinzuweisen, die woanders entweder anders oder gar nicht stehen. Da ich keinen journalistischen Anspruch haben muss, kann ich Namen verändern, Unternehmen unkenntlich machen und trotzdem einen wahren Kern erhalten, der für andere eine Botschaft enthält, die sie vielleicht weiterbringt.

Darauf sollten alle achten: Man sollte sich immer auch fragen, welche Informationen man gibt und was davon andere tangieren könnte oder sogar schaden. Wer selbst schreibt, ob im Blog, bei Facebook oder sonstwo, sollte sich der Verantwortung für die Meinungsbildung bewusst sein – und Infos entsprechend seiner Profession und Position aufbereiten.


4 Kommentare zu “Die Marke Ich im Internet: Wie bin ich privat und trotzdem professionell?

  1. Interessanter Beitrag. Ich trenne privat und geschäftlich auch strikt. Als freiberuflicher Journalist und Social Media Manager habe ich versucht, mich selbst als Marke zu definieren. Markenzeichen ist mein Gesicht, der Name ist Der Weltmann. Mehr auf http://www.weltmann.net. Viele Grüße Christoph Weltmann

  2. Also um das klarzustellen: Ich trenne nicht zwischen privat und beruflich im Web.

    Es gibt viele persönliche Noten von mir, besonders auf Facebook. Man darf schon erkennen, was ich für ein Mensch bin.

    Nur Familie und wirlich Privates bleibt draußen! Denn: Privat ist offline. ;-)

  3. Pingback: Pinterest - Mein Social Media Experiment Teil 9 | Karriereblog von Svenja Hofert

  4. Pingback: Wie twittert mann und frau richtig? | Online-Magazin für Karriere & Zukunft von Svenja Hofert

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