Frauen nutzen die Elternzeit oft für eine Neuorientierung und als Chance. Männer sorgen derweil fürs Geld. Ihre Möglichkeiten, eigene berufliche Träume zu realisieren, bleiben eng begrenzt. Ist das nicht ungerecht? Darüber veröffentlichte ich Sonntag einen viel beachteten Artikel und sprach in der Folge mit Hans-Georg Nelles vom Väter-Blog.
Herr Nelles, finden Sie nicht auch, dass Männer manchmal ganz schön benachteiligt werden?
Nelles: Durchaus. Jeder hat ein Recht darauf, zufrieden mit seinem Leben zu sein, dazu gehört es auch, auf eine klassische Karriere verzichten zu dürfen und andere berufliche und private Ziele zu verfolgen. Männer können das aufgrund ihrer größeren finanziellen Verpflichtungen ihrer Familie gegenüber aber oft nicht in dem Maße wie Frauen.
Bietet das Elterngeld da nicht eine Chance zum Umdenken?
Nelles: Natürlich und die Zahlen derjenigen, die mehr Zeit beanspruchen, z.B. 6 Monate, nimmt zu. Das nähert sich langsam, aber sicher einer partnerschaftlichen Aufteilung an. Und letztendlich entlastet es beide, auch den Mann.
Trotzdem ist es der Regelfall, dass der Mann den Großteil des Einkommens bestreitet…
Nelles: Ja, mit allen damit verbundenen Folgen, unter anderem dem wachsenden Gehaltsunterschied nach einem und erst recht nach zwei oder drei Kindern. Für Frauen bietet die immer noch häufiger in Anspruch genommene Elternzeit oft die Chance zur beruflichen Neuorientierung und damit zur Selbstverwirklichung.
Kinderwunsch und Neuorientierung hängen meiner Erfahrung nach ganz eng zusammen. Ich erlebe es, dass der Wunsch nach Kindern häufig aufkommt, wenn etwas im Beruf nicht mehr stimmt. Diese Unstimmigkeit erleben Männer und Frauen. Doch Frauen ergreifen dann eher die Gelegenheit, ein Kind zu bekommen. Die anschließende Neuorientierung wird gesellschaftlich eher toleriert.
Nelles: Es wird fast als selbstverständlich hingenommen, dass eine Frau kürzertritt und sich anschließend neu orientiert. Bei einem Mann eher nicht, obwohl er sich das vielleicht sogar wünschen würde. Vielfach kommen die Hindernisse auch von den Frauen selbst. Das nennt man das Phänomen des „Gatekeepings“: Die Frau sieht zu, den Mann aus ihren angestammten Bereichen herauszuhalten. Er soll die Windeln wechseln, aber verantwortlich sein will sie. Obwohl schon 1988 in der „Brigitte“ der „neue Vater“ als Zukunftsmodell der Elternschaft beschrieben worden ist, hat er sich immer noch nicht durchgesetzt. Die damals beschriebenen Hindernisse, wie z.B. das Ehegattensplitting bestehen immer noch und es herrscht gerade auch auf Seiten vieler Mütter eine regelrechte Verhaltensstarre. Wenn sie zuhause bei dem Kind bleiben wollen und danach eine geringfügige Tätigkeit aufnehmen, welche Chance hat da der Partner eigene Arbeitszeiten zu reduzieren?
Siehe Maschmeyer, der zugibt, er habe seine Veronika auch wegen seines Geldes geangelt.
Nelles: Es gibt immer noch Männer, die sich bei der Wahl der Partnerin nach unten orientieren, die Frau nach oben. Es finden sich zum Beispiel Ingenieur und Kindergärtnerin, und damit enorme Gehaltsunterschiede . Da ist es für den Mann dann schwierig, mehr als 2 Monate Elternzeit in Anspruch zu nehmen. Aber solche Modelle werden seltener.
Die gleichberechtigten Partnerschaften nehmen bei allen Problemen zu. Wie können diese Probleme in einer Partnerschaft im Sinne einer gleichberechtigten Aufgabenteilung angegangen werden?
Es ist ganz wichtig, sich frühzeitig über die Rollenaufteilung zu unterhalten, am besten bevor Kinder da sind. Und zwar bis ins Detail. Das darf nicht auf die Zeit nach der Geburt vertagt werden, sondern muss vorher auf den Tisch. Wie die Verteilung aussehen soll, muss auch konkret besprochen werden, mit genauen Zeiten und praktischen Lösungen.
Wie war das bei Ihnen und Ihrer Frau?
Meine Frau ist heute Schulleiterin. Bei der Geburt unserer ersten Tochter war sie freiberuflich tätig und noch ein Tag vor der Geburt beruflich tätig. Da kam die Frage „Wann ist es so weit?“ Sie erwiderte „vielleicht morgen“. Das traf damals auf ziemliches Unverständnis. Ich studierte noch, als die Kinder kamen und und so hatten wir die Möglichkeit uns in unserer beruflichen Entwicklung gegenseitig zu unterstützen und uns bei der Betreuung der Kinder abzuwechseln.
Konnten Sie sich als Mann deshalb besser selbst verwirklichen?
Für mich war das genau das richtige. Das Erfolgsrezept war, dass wir immer Lösungen gesucht und gefunden haben, die das aktuelle berufliche Interesse des jeweiligen Partners berücksichtigt hat.
Ist es nicht schwer für einen Mann, nicht mehr auf die Ernährerrolle festgelegt zu sein?
Im Gegenteil, das ist eine große Erleichterung und Entlastung, sich nicht mehr allein um die Finanzen kümmern zu müssen.
“Das Erfolgsrezept war, dass wir immer Lösungen gesucht und gefunden haben, die das aktuelle berufliche Interesse des jeweiligen Partners berücksichtigt hat.” (Nelles)
Die Welt ist doch ganz einfach – man (frau) muss halt zum Äußersten greifen und miteinander reden. Egal welche Rahmenbedigungen.