Ei, Du schöne neue Arbeitswelt

Eine Massage könnte ich grad jetzt gut gebrauchen. Und wie schön wäre es doch, wenn ich statt der mittelmäßigen Mahlzeiten aus der Mitbring-Küche,  im Elbrausch und Dock14 einen Sternenkoch im Büro hätte.

Wellness-HR nenne ich die neuen Komfort-Maßnahmen, die gerade überall eingeleitet werden. Auf derart steigenden Mitarbeiterkomfort setzen immer mehr Unternehmen. So entwickelt die Otto GmbH gerade einen Strauß an Maßnahmen, die Gen Y zu binden (Interview dazu folgt in diesem Blog Ende Mai).  Das hat der Hamburger E-Commerce-Riese dringend nötig, ist doch sein äußeres Erscheinungsbild als grauer Riese in der City Nord weniger charmant als ein cooler Loft in der Schanze. Vor allem die begehrten Kräfte aus IT und Social Media zieht es, wenn überhaupt in eine Festanstellung, eher zu einem fortschrittlichen Jimdo oder innovativen Kununu.

Letzte Woche zeigte die Hamburger Mopo das neu gestaltete Innenleben der Hamburger Filiale des Suchmaschinenriesen Google: Ruheräume, umgedrehte Regenschirme über Stehtischen und ein Schwimmbad aus Schaumstoff. Die Jungs von Jimdo, die ich kürzlich für ein Special in der Internet World Business interviewt habe, besitzen einen Sternekoch und als weiteres Highlight eine Feelgood Managerin - ich sprach im Blog bereits über diesen neuen Beruf. Hunde sollen auch erlaubt sein und Flexibilität in Maßen. Ob das Unternehmen mit Vitra-Möbeln ausgestattet ist, habe ich nicht gefragt, aber es würde gut ins Bild passen.  

Nichts ist so schick wie Vitra – und ich würde meinen Eames-Chair sofort gegen ein Marshmallow-Sofa tauschen, wenn… ja, wenn ich verwöhnte Mitarbeiter binden müsste (und falls ihr mal einen Tipp braucht, für jemanden, der Designermöbel gebraucht an Land ziehen kann, Maibritt macht das super). Denn dass die Generation Y nicht mehr gern auf ollen Funktionsmöbeln vorm 17-Zoll-Monitor sitzt, lässt sich in diversen Studien und heute morgen sogar in der Mopo nachlesen. Ich grusel mich bei der Erinnerung an triste Neonleuchten, Zweierbüros mit Plastikholztischen und hässlichen beigebraunen Teppichen.

Nun hat die ganze Schönheit kein optisches Problem, sondern ein inhaltliches. Neue Raum- und Bürokonzepte haben zwar Hochkonjunktur, doch die Firmen wollen überwiegend nur Kosmetik und keinen echten Change. Auch in einer aufgemöbelten Umgebung fällt es vielen Firmen nicht automatisch leichter, umzudenken.

Immer noch kann sich eine breite Fraktion nicht vorstellen, dass ein Leben ohne Stechuhr funktioniert. Und selbst wo diese abgeschafft wurde, ist Leistung immer noch – und ja, zunehmend – an messbare Kriterien gekoppelt. Prozesse werden weiter lustig optimiert und die Autonomie des Einzelnen damit beschnitten. Kreativität wird in Prozesse standardisiert, um Ergebnis-Dokumentierbarkeit zu leisten. Äußere Freiheit und ein inneres Gefängnis?

Dann doch lieber ein ehrliches Arbeitsumfeld dachte ich mir heute Morgen, als ich bei der KFZ-Zulassungsstelle in Pinneberg die Nummer 21 (von 30) zog: Stechuhr, Plastiksitze- und immer das gleiche Spiel im Job… Aufrufen, Haken dran, Feierabend.

„Work hard – play hard“, der Film läuft immer noch zur unmöglichen Zeit (13 Uhr Mittags) im Abaton. Ist halt nicht alles schön, nur weil´s flexibel ist.

Foto: Fotolia


Ein Kommentart zu “Ei, Du schöne neue Arbeitswelt

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