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DER VAMPYR ODER GESPENSTERSOMMER AM GENFER SEE
London im April 1816
Ehebruch, Inzest, bizarre Sexualpraktiken und homosexuelle Neigungen - in England ist der Ruf des berühmt-berüchtigten Dichters Lord Byron ruiniert und er selbst ebenso. Sein Seelenheil will er in Europa suchen und engagiert den frischgebackenen Mediziner John William Polidori als Reisearzt. Für den jungen Medikus wirkt der Ruf an die Seite des genialen Poeten wie ein Geschenk des Himmels; er hat selbst schriftstellerische Ambitionen und erhofft sich von der gemeinsamen Tour Inspiration für seine Werke.
Doch Byron hat die Gesellschaft seines naiven, launischen und kränkelnden Arztes bald satt. Am Genfer See, wo die beiden auf den Anarcho-Dichter Percy Shelley, dessen Geliebte Mary und deren Stiefschwester Claire treffen, läuft die Sache für Polidori dann vollends aus dem Ruder. Er wird zum Spielball der anderen, zum fünften Rad am Wagen, stets gehänselt und ausgelacht. Hin- und hergerissen zwischen Selbstmordgedanken, blindem Ehrgeiz und maßloser Selbstüberschätzung denkt er jedoch keinen Moment daran, seine Stellung zu kündigen.
Als die kleine Gesellschaft sich in einer stürmischen Nacht die Zeit mit dem Lesen von Gespenstergeschichten vertreibt, hat Byron den folgenschweren Einfall, jeder von ihnen solle selbst eine Geistergeschichte schreiben. Es kommt zu dem sagenumwobenen Autoren-Wettstreit, aus dem zwei der bekanntesten Figuren der Schauerliteratur hervorgehen: Mary Shelleys Frankenstein (an dessen Geburt der deutsche Märchensammler Jacob Grimm unwissentlich beteiligt ist) und J.W. Polidoris Vampyr, zu dem Byron die Grundidee liefert.
Mit der Erfindung des Edel-Blutsaugers Lord Ruthven gelingt dem verkappten Schriftsteller Polidori ungeplant ein Schachzug, der die Schauer- und Gruselliteratur der Zukunft entscheidend beeinflussen soll: Er liefert der Welt ihren ersten aristokratischen Vampir - charmant, überheblich, eiskalt - ein Ladykiller fürwahr, der unverkennbar die Züge Lord Byrons trägt und Bram Stoker später zu seinem Grafen Dracula und Anne Rice zu ihrer Figur des Lestat in Interview mit einem Vampir inspirieren wird. Der byroneske Vampir ist geboren - sozusagen Polidoris literarische Rache an seinem Dienstherrn.
In England entpuppt sich Der Vampyr als Bestseller, bringt seinem Erfinder aber kein Glück - im Gegenteil: John William Polidori wird vom Pech verfolgt und stolpert von einem Unglück ins nächste. Auf seiner Erzählung scheint ein Fluch zu lasten, denn obwohl Der Vampyr nur auf dem Papier existiert, saugt er dem Medikus ganz langsam das Blut aus.
Ein Hörspiel nach einer wahren Begebenheit mit Auszügen aus den "Vampyr"-Erzählungen von Lord Byron und John William Polidori.
Sprecher:
Andreas Fröhlich (J.W. Polidori)
Joachim Tennstedt (Lord Byron)
Anna Carlsson (Mary Wollstonecraft-Godwin)
Santiago Ziesmer (Percy Shelley)
Dorette Hugo (Claire Clairmont)
Marianne Groß (Gräfin von Breuss)
Timmo Niesner (Reporter)
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