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Tochter der Traumdiebe
Die Neue Elric-Saga 1Moorcock kann es nicht lassen, und warum auch? Nach Die Rache der Rose, dem 8. Elric-Roman, ließ er 10 Jahre ins Land streichen dann legte er 2001 den neunten Band der Reihe vor. Oder den ersten der zweiten bzw. dritten Staffel; ganz wies beliebt. Eigentlich war ja nach Stormbringer und Elrics Tod Schluss, doch präsentiert sich uns der letzte Imperator von Melniboné immer wieder in neuen Abenteuern. Erst folgten Die Festung der Perle und Die Rache der Rose, nun zieht der Albinoprinz wieder durch die imaginären Landschaften des Multiversums und schwingt sein nach Blut und Seelen dürstendes schwarzes Schwert. Fantasy-Fans werden es Moorcock danken.Tochter der Traumdiebe erschien wie die anderen Elric-Bände auch bei Heyne, ist so neu also nicht, liegt nur in einem neuen Format vor, etwas größer, etwas weniger dick, etwas mehr in die Tiefe (des Regals) gehend. Ansonsten blieb fast alles beim Alten, selbst der Cover-Illustrator ist der gleiche, nur der Übersetzer hat gewechselt. Doch dies dürfte kaum bemerkt werden, da auch die Erzählperspektive sich geändert hat: Hier wird zum ersten Mal aus der Ich-Sicht erzählt. Und zwar aus der Sicht des Grafen Ulric von Bek, eines Menschenfreundes, exzellenten Schwertkämpfers und Philosophen, der auf Schloss Bek ein schwarzes Schwert hütet: Rabenbrand. Seine Mutter ist lange schon tot, seine Brüder fielen im Krieg, sein Vater kam unter mysteriösen Umständen bei einem Brand ums Leben; Bek ist der Letzte seines Geschlechtes. Mit großem Unbehagen sieht er, Parteigänger der Demokratie, das Aufkommen der Nazis. Er ahnt, was seinem geliebten Deutschland bevorsteht. In den Strudel der Ereignisse gerät er nach der Machtergreifung Hitlers, als die Nazis das schwarze Schwert an sich bringen wollen; sein Vetter Gaynor Paul von Minct, Hauptmann der SS, und dessen dämonischer Adjutant Klosterheim verlangen die Herausgabe. Ulric weigert sich, daraufhin kommt er ins KZ. Bek wird besetzt, durchsucht und verwüstet, und nur der Umstand, dass Rabenbrand nicht gefunden wird, hält den Grafen am Leben, bewahrt ihn aber nicht vor der Folter. Eines Nachts jedoch erscheint ihm das Schwert leibhaftig in der Zelle, und er vermag sich mit seiner Hilfe zu befreien. Die Mitglieder der Widerstandsgruppe der Weißen Taube, zu denen er schon vor der Verhaftung Kontakt aufgenommen hatte, helfen ihm bei der weiteren Flucht, darunter eine geheimnisvolle Frau mit einem Bogen. Als die Verfolger sie bei Hameln in die Enge treiben, schlägt Ulric auf ihr Geheiß das Schwert gegen die Felsen und öffnet so den Zugang zu einer phantastischen Welt, deren Wege ihn bald außerhalb der Erde führen. Doch die Verfolger bleiben den Fliehenden auf den Fersen. Hatte ich erwähnt, dass Ulric ein Albino ist? Nein? Nun, dann wissen spätestens jetzt alle Moorcock-Kundigen, was die Stunde geschlagen hat: der Graf ist eine Verkörperung Elrics und daher gelingt es schließlich den Zauber zu brechen, den Miggea, Herzogin der Ordnung, auf den Prinzen geworfen hat. Es geht um große Dinge: Tanelorn wird belagert, Ordnung und Chaos, von Gaynor gegeneinander ausgespielt. kämpfen wieder um die Macht. Natürlich ist dieser Gaynor zugleich Gaynor der Verdammte aus Die Rache der Rose; und Oona, die geheimnisvolle junge Frau mit dem Bogen, ist die Tochter Elrics und der Traumdiebin Oone aus Die Festung der Perle. Wie immer verknüpft Moorcock seine Romane sehr eng. Gaynor besitzt bereits den Heiligen Gral, der sich mitunter auch als Runenstab verkörpert; er führt ein magisches Schwert aus Elfenbein, das es mit Stormbringer aufnehmen kann; er hat Stormbringer selbst erbeutet (zum Glück ist Rabenbrand wiederum eine Verkörperung von Elrics mächtigem Schwert, also sind die Guten nicht wehrlos). Gaynor entfesselt in vielen Welten den Kampf; aber er will mehr, nämlich den Nebelgrund, den Ursprung des Multiversums, umgestalten, um absolute Macht zu erlangen auch über die Götter. Ein großer Krieg, die in diesem gewaltigen Kontext tobt, ist der Zweite Weltkrieg; seinen entscheidenden Höhepunkt bildet die Luftschlacht um England. Die übermächtigen Deutschen scheinen diese schon zu gewinnen, das Schicksal der Erde ist mithin fast besiegelt aber da gibt es noch Elric und die Drachen von Melniboné ... Ein Deutscher hätte dieses Buch nicht veröffentlichen können, denke ich. Zuerst einmal hätten die Briten sehr verschnupft auf die Tatsache reagiert, dass nicht die RAF die Luftschlacht gewonnen hat. Andere Leser hätten dem Autor die Verharmlosung der Nazis und ihres Terrors vorwerfen können (Hitler als Romanfigur, der Faschismus als Teil eines Sujets, das ist immer eine Gratwanderung, zumal in Fantasy-Romanen, die mitunter zur sogenannten Trivialliteratur gezählt werden). Sicherlich werden solche Vorwürfe auch laut geworden sein, aber jemand wie Moorcock gerät wohl kaum in den Verdacht der vorsätzlichen Geschichtsklitterung zu Gunsten Deutschlands. Und so kann der gebürtige Brite, der als Kind den Krieg selbst erlebt haben muss, in aller Ruhe über den Wahnsinn dieses Krieges, über die Barbarei der Deutschen, aber auch über die Fehler und die Schuld der anderen Nationen (insbesondere Großbritanniens) räsonieren. Hinzu gesellen sich philosophisch angehauchte Passagen über das Multiversum und sein Gleichgewicht. Das alles liegt eingebettet in eine wirklich großartige und spannende Erzählung, die zum Teil weit zurückreichende Traditionen der Phantastik aufgreift; einige Schilderungen, zum Beispiel die der unterirdisch lebenden Off-Mo und ihrer Verbündeten, erinnerten mich an die phantastischen Welten eines Cyrano de Bergerac, eines Samuel Brunt, eines Barons von Münchhausen. Hinzu kommt, dass Ulric, der zugleich Elric ist bzw. wird, das Geschehen aus zwei Perspektiven betrachten und werten kann: er schwingt das schwarze Schwert und tötet mit Lust, und zugleich graut ihm vor diesem Töten, sehnt er sich nach der Ruhe von Bek und einer friedlichen Zeit zurück. Aber natürlich wird hier nach allen Regeln der Fantasy gekämpft, natürlich tauchen Arioch und Co. auf, und natürlich vollbringt Elric einige seiner phantastischen Zauber, vor allem bei der Beschwörung alter Bundesgenossen ... alles, was das Herz des kundigen Lesers begehrt. Allein die kurze Luftschlacht-Szene reißt einen mit. Also, alles in allem: Für dieses Buch den Daumen weit in die Höhe! The Dreamthiefs Daughter, ©? 2001 by Michael Moorcock, aus dem Englischen übersetzt von Jürgen Langowski 2002, ©? dieser Ausgabe Piper Verlag 2005, 411 S., 9,95, ISBN 3492285473 05. Nov. 2006 - Peter Schünemann Der RezensentPeter SchünemannTotal: 138 Rezensionen Träume
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