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Vampire A Go-Go
| VAMPIRE A GO-GO
Victor Gischler Buch / Horror, Comedy
Piper Verlag
407 Seiten Taschenbuch
ISBN 9783492291996
Erschienen im August 2010
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Mit Die Go-Go-Girls der Apokalypse hat der amerikanische Krimiautor Victor Gischler in erster Linie das Postdoomsday Genre parodiert. In seinem jetzt vorliegenden Roman Vampire aGo-Go wendet er sich nicht nur den bekannten Blutsaugern in diesem Fall in der goldenen Stadt Prag zu, sondern integriert Werwölfe und schließlich auch die Suche nach dem Stein der Weisen inklusiv der Chance auf eine besondere Art der Unsterblichkeit. Im Gegensatz zu Die Go-Go- Girls der Apokalypse hat Victor Gischler einige Ideen seiner Emerson La Salle Titel für den vorliegenden Band extrapoliert. Die Jesuitenkämpfer inklusiv ihrer Maschinengewehre erinnern genauso an eine Art überdrehten Hardboiledkrimi wie die Möglichkeit, das die Mädchen lieber mit Waffen denn Männern spielen. An einer Stelle des Buches fasst der eine von zwei Erzählern Allen das Geschehen recht gut zusammen. Sein buntes Team besteht aus ihm als überforderten, aber brillanten Recherchestudenten, einer Werwölfin, einer Hexe und einem verrückten Priester inklusiv Bodybuilder Leibwächter. Ihnen gegenüber stehen ein allmächtiger Zauberer soweit die Theorie -, eine Vampirin, ein Geist der zweite Erzähler des Buches, in erster Linie für die Ende des 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts spielenden Passagen zuständig sowie die übliche Zahl von überflüssigen Nebenfiguren, die mehr oder minder diskret im Verlaufe der stringenten, kurzweilig zu lesenden und deutlich besser als in Die Go-Go- Girls der Apokalypse konzipierten Handlung entsorgt werden.
Allen ist kein erfolgreicher Student, dessen letzte Chance an der amerikanischen Kleinstadtuniversität zu bleiben ein Rechercheauftrag ist. Er soll für den exzentrischen Doktor Evergreen und seine wirklich erotisch exotische Frau nach Prag fahren und in den Sommerferien recherchieren. Allen ist nicht unbedingt begeistert, das Evergreen nicht nur einen fragwürdigen Ruf an der Universität hat, sondern vor allem nach billigen Zigarren stinkt und dem Alkohol zugetan ist. Kaum in Prag angekommen, ist der Professor seine geringste Sorge. Während Allen noch nicht weiß, welches Geheimnis ein besonderes Tagebuch er recherchieren und im Grunde auch finden soll, ist der zweite übernatürliche und damit zumindest theoretisch auch allwissende Erzähler Edward Kelly einen Schritt weiter. Er hat einem exzentrischen Herrscher gedient, der mittels Astronomen, Astrologen und Alchemisten den Stein der Weisen finden und damit sich die Unsterblichkeit sichern wollte. Kelly berichtet von seinen Erkenntnissen und ergänzt mit diesem Vorgehen die eher tollpatschigen Versuche Allens, seinen Rechercheauftrag zu erfüllen.
Wie in Die Go-Go Girls der Apokalypse nutzt Victor Gischler die vorhandenen, erkennbaren und absichtlich in die laufende Handlung integrierten Versatzstücke des Genres, um ihm Grunde eine überdrehte, in dieser Form überzogene und trotzdem ausgesprochen unterhaltsame erzählte Geschichte zu präsentieren. Gischler ist sich im Klaren, das niemand seinen Roman wirklich ernst nehmen kann. Das gilt insbesondere für seine Protagonisten. Während Allen eher verzweifelt als entschlossen zwischen den einzelnen Fronten und Parteien hin und her getrieben, betrogen, manipuliert und schließlich auch gerettet wird, ist Kelly dagegen der Verbündete des Lesers, der das Geschehen spöttisch bis zynisch kommentiert. Immer wieder greift Kelly zukünftigen Ereignissen vorweg und bietet seinen Lesern Informationen an, welche die späteren Handlungen Allens teilweise negieren bzw. der Lächerlichkeit preis geben. Diese Erzählstruktur ist gewöhnungsbedürftig. Victor Gischler führt sie allerdings souverän aus und hat aus den erzähltechnischen Schwächen seines ersten Genreausflugs gelernt. Obwohl die eigentliche Handlung teilweise chaotisch erscheint, ist der Roman deutlich strukturierter geschrieben und der zugrundeliegende Plot sowohl Allen als auch Kelly befinden sich auf einer Quest, allerdings in sehr unterschiedlichen Stadien ihrer jeweiligen Reisen für den Leser nachvollziehbarer. Die Genreparodien sind in den Spannungsbogen eingeflossen und werden hier effektiv eingesetzt. Victor Gischler macht nicht den Fehler, eine Aneinanderreihung von isoliert vielleicht lustigen Szenen zu präsentieren, die mittels eindimensionaler Charaktere miteinander verbunden sind.
Nur der Showdown wirkt überhastet abgeschlossen. Die Trennung Allens von seinem Team und die finale Konfrontation, in welcher Kelly allerdings im wahrsten Sinne des Wortes auch seinen Finger drin hat, hätten mehr Raum verdient als ihnen der Autor in der vorliegenden Form schenkt. Dazu ist der Weg zum Stein der Weisen zu beschwerlich gewesen. Außerdem treten zu viele Figuren im Prager Untergrund auf, die nicht entsprechend gewürdigt ihre mehr oder minder stilvollen Abgänge erhalten. Das Finale erinnert eher an einen Superheldencomic, in welchem sich Helden und Schurken noch einmal unnötig erklären müssen, bevor es wie vom Leser erwartet endlich zur Sache geht. Aber trotzdem funktioniert das Buch auch als ernst gemeinter Roman mit umfangreicher Recherche in der goldenen Stadt. Wie unpassend und doch am Ende natürlich passend zu gleich der Autor die Recherche mit einem exzentrischen wie unterhaltsamen, aber doch irgendwie funktionierenden Reiseführer wieder auf den Kopf stellt, erinnert an eine Gruselparodie auf Douglas Adams weltberühmte Serie.
Es sind die Figuren, die qualitativ den vorliegenden Roman von Die Go-Go Girls der Apokalypse unterscheiden. Zuerst der schüchterne, etwas naive, aber schon seit mindestens zwei Jahren verplante Allen, der im Grunde in der fremden Stadt bis zum Showdown zu einem Mann werden muss und schließlich auch wird. Anfänglich leidet er unter der Trennung von der eher selbst zerstörerischen Punkfreundin und übersieht die attraktive Penny, das Mädchen, das mehr als ein Freund sein möchte. Als Figur ist Allen vielleicht der schwächste Charakter des Buches. Der Leser wünscht sich ab und zu einen wirklich emotionalen Ausbruch und seine Recherchearbeit hinsichtlich des Tagebuchs der Alchemisten und übergeordnet Erzählers Kelly ist eher nach der Marke Zufall gestaltet als wirklich spannend oder gar nachvollziehbar. Diese Sequenz stellt eine der schwächsten Szenen dar. An seiner Seite auch wenn er zuerst alleine nach Prag reisen muss ist die intelligente, entschlossene Penny, welche Allen vor schlechten Freundinnen und älteren, emotional kalt wirkenden, sexuell aktiven Ehefrauen/ Vampiren zu schützen sucht. Victor Gischler wiegt den Leser mit der ungemein sympathischen, aber irgendwie langweilig beschriebenen Figur lange Zeit in Sicherheit, bis sie plötzlich nicht nur in Prag auftaucht, sondern sich als ein Wolf im Schafspelz entpuppt. Diese Verwandlung belebt Pennys Figur, auch wenn der Autor anschließend bis auf eine dramatische Szene erstaunlich wenig mit ihr anfangen kann. Zumindest die Dialoge sind witzig gestaltet. Um eine mögliche Dreierbeziehung zu vervollständigen, hat die dickköpfige Amy ebenfalls ein Auge auf Allen geworfen. Sie entpuppt sich schließlich als Hexe ohne wirklich besondere Fähigkeiten. Hier hätten sich dem Autoren zahlreiche Ansatzpunkte aus diesem Subgenre geboten, die Figur deutlich egozentrischer zu entwickeln. Leider vergibt er diese große Chance leichtfertig. Auch das Frontenklären der beiden jungen Frauen mit einem überforderten Allen in ihrer Mitte geht ein wenig zu einfach von statten. Die Gruppe rundet ein interessanter Kampfjesuit ab, dessen erster wahrer Auftritt eine einzige literarische wie cineastische Augenweide ist. Hier orientiert sich Victor Gischler am überdrehten asiatischen Kino und der Leser kann sich nur verwundert positiv ob des herrlich überdrehten Auftritts die Augen reiben. Die Geistwerdung des lange verstorbenen Alchemisten Kelly gehört zu den frühen Höhepunkten des Buches. Ganz bewusst parodiert der Autor eher die viktorianischen Geistergeschichten. Im Mittelteil versucht Kelly die Suche nach dem Stein der Weisen und dessen eher zweifelhafte Unsterblichkeitslösung pragmatisch und fundiert zusammenzufassen. Etwas mehr Esprit und Witz hätten diesen Passagen gut getan, deren Ergebnis der Leser schon lange im Vorwege ahnt. Victor Gischler kann sich aber nicht verkneifen, Kelly im Grunde den letzten Daumenabdruck zu schenken. Die Szene bzw. Kellys Reaktion gehört zu den Höhepunkten des ganzen Romans. Als Figur an sich kann sich der Autor teilweise nicht entscheiden, ob die Historie über die Parodie oder die Exzentrik über die Ernsthaftigkeit gesiegt hat. Unabhängig von der teilweise ambivalenten Charakterisierung ist die Figur ein in mehrfacher Hinsicht belebendes Element des ganzen Romans.
Wer aufgrund des zu sehr an Die Go Go Girls der Apokalypse angelegten Titel an eine weitere Vampirparodie mit antiquierten Witzen denkt, wird sehr positiv überrascht. Zum einen kann Victor Gischler wirklich gut erzählen und der latent zynische Unterton seiner Krimis passt zu der überdrehten Geschichte. Zum anderen vermischt der Autor unverfroren, aber erstaunlich souverän Elemente einer Reihe von Subgenres Werwölfe, Geistergeschichten und schließlich ein Abenteuergarn mit dem laufenden Handlungsbogen. Deutlich souveräner verläuft allerdings der Handlungsbogen und die teilweise exzessive Gewalt wird noch mehr auf einem nicht ernstzunehmenden Comicbuchniveau präsentiert. Die teilweise sadistischen Exzesse insbesondere gegenüber Frauen seiner Postdoomsdaygeschichte sind überzogenen Aktionen beiderlei Geschlechts gewichen. Die Figuren sind noch ein bisschen klischeehaft, aber deutlich dreidimensionaler als in Die Go-Go Girls der Apokalypse charakterisiert worden. Zusammengefasst ist Vampire A Go-Go eine überraschend unterhaltsame, solide geplante Genreparodie, deren Respektlosigkeit sie positiv von den teilweise zu oberflächlichen, zu flachen und zu krampfhaft auf humorvoll getrimmten Versuchen anderer Autoren unterscheidet.
01. Sep. 2010 - Thomas Harbach
Der Rezensent
Thomas Harbach

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Vampire
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