Zusammenbruch
Fünfzig Prozent mehr Umfang, mit Irene Salzmann und Thomas Folgmann zwei Autoren, sehr positiv gleicher Preis wie die normalen Bände sowie ein plakativer Titel „Zusammenbruch“. Trotzdem ist der vorliegende vierundvierzigste „Rettungskreuzer Ikarus“ Roman nicht der erwartete Schritt in Richtung Auflösung des Zykluses um die in der Galaxis grassierende „Wanderlust- Seuche“, sondern besteht fast zur Hälfte aus plottechnischen Wiederholungen.
Der Brückenschlag zum Urlaubsplaneten Marin – „Urlaub auf Shahazan“ – ist ein solider Auftakt. Da die Wanderlust- Seuche nur die unproduktiven alten Menschen sowie aus bislang nicht erklärten Gründen auch die Kinder übrig gelassen hat, ist im Grunde die Infrastruktur nicht nur dieser Welt zusammengebrochen. Aus der Anarchie erwachsen die natürlich Rücksichtslosesten und versuchen die Kontrolle über die Welt zu übernehmen. Irene Salzmann und Thomas Folgmann versuchen die Zustände auf Marin in einer Mischung aus Humor und Drastik zu beschreiben. Der Leser hat diese Aspekte aber schon in den vorangegangenen Romanen zu Genüge gelesen. Die Autoren fügen enttäuschender weise dieser Nebenhandlung zu wenige Aspekte hinzu. Mit ein bisschen mehr Phantasie hätten sie einen anarchistischen von Alten regierten Planeten erschaffen können, der ähnlich wie die bisherige Grundidee der Wanderseuche etwas origineller ist.
Im Bereich des Raumcorps bietet einer der Pharmakonzerne ausgewählten Patienten ein Heilmittel gehen die Seuche an, deren Ursachen und Wurzeln noch nicht gänzlich erforscht worden sind. Diese Idee – Pharmakonzerne sind von Grund auf schlecht und nur auf Gewinn ausgerichtet – ist ebenso wenig neu wie die Idee einer im All treibenden Forschungsstation ausschließlich funktionell als logisch begründet erscheint. Als Objekt der Begierde ideal für einen Angriff einer kleinen Spezialeinheit. Sally McLennane beauftragt eine alte Bekannte – praktischerweise die Söldnerin der Schwarzen Flamme Skyta -, auf der Forschungsstation nicht nur nach dem Serum zu suchen, sondern vor allem nach Beweisen, ob das Medikament auch wirklich funktioniert.
Von der Infiltration der Station erhoffen sich Protagonisten und Leser neue Ideen. Anfänglich überzeugt die Zusammenstellung des Teams, das in erster Linie aus alten Bekannten wie Jason, Shilla oder Packcheon besteht. Die Dialoge sind spritzig geschrieben, die Vorbereitung allerdings im Vergleich zum eigentlichen Einsatz viel zu detailliert bis Spannungs mindernd beschrieben. Die eigentliche Prämisse einer abgeschieden im All treibenden Forschungsstation, die weniger als mehr beschützt worden ist, wirkt unglaubwürdig. Der letzte Schwachpunkt des vorliegenden Bandes ist der Anflug des Teams ohne größere Schwierigkeiten an die Station. Auf der Station selbst nimmt der Roman Fahrt auf. Zumindest einige Überraschungen, aber nur wenige handlungstechnische Varianten unterhalten auf einem soliden Niveau. Den Autoren gelingt es, einige Situationen durchaus dramatisch zu beschreiben, es fehlt ihnen aber irgendwie die Spitze, die befreiende Pointe. Während der Auftakt des Buches im Grunde ein solide geschriebener Lückenfüllertext ist, der ohne Zusammenhang vor die den roten Faden wieder aufnehmende Handlung gesetzt worden ist, präsentiert sich die zweite Hälfte des Buches dank der überzeugenden Charakterisierung der Protagonisten, überwiegend realistisch geschriebener Dialoge und einige wenigen schon angesprochenen intensiven Situationen kurzweiliger. Irene Salzmann und Thomas Folgmann haben eine spürbare Routine bei den bekannten Figuren entwickelt. Sie erscheinen aus einem Guss, wobei allerdings die Söldnerin der schwarzen Flamme mit ihren teilweise zu langen inneren Monologen und ihrer hinsichtlich der weiteren Lebensplanung zögerlich ambivalenten Haltung ein wenig zu überzogen charakterisiert worden ist.
Für den ganzen Zyklus positiv entpuppt sich das mysteriöse Heilmittel nicht nur als Mac Guffin, der die Aufmerksamkeit bei der Stange halten soll, sondern als eigenständiges und am Ende dann doch nachvollziehbar entwickeltes Plotelement.
Zusammengefasst hätte die Handlung von „Zusammenbruch“ – ein dramatischer Titel, der eine Erwartungshaltung weckt, welche der Roman an keiner Stelle überzeugend befriedigen kann – auch in einem „normalen“ Rettungskreuzer Ikarus Band verpackt werden können. Irene Salzmann und Thomas Folgmann harmonieren stilistisch auf einem soliden, aber niemals wirklich inspirierten Niveau. Das der Gesamtplot um die geheimnisvolle Seuche auch im vorliegenden Band so wenig vorangetrieben worden ist, wirkt auch auf den zweiten Blick enttäuschend. Nach dem unterhaltsamen Auftakt hängt die laufende Serie schon seit einigen Romanen ein wenig durch. Eine kompaktere Erzählstruktur hätte die durchaus originelle, wenn auch nicht originale Idee besser unterstützt.
21. Okt. 2011 - Thomas Harbach
Der Rezensent
Thomas Harbach

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