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Im Herzen die Rache
Im tief verschneiten Ascension, Maine, gehen merkwürdige Dinge vor sich. Emily, die heimlich in den Freund ihrer besten Freundin Gabby verliebt ist, und Chase, der ein hässliches Geheimnis hütet, werde mit den Konsequenzen ihrer Taten konfrontiert, und dies auf nahezu alttestamentarische Art und Weise: Auge um Auge, Zahn um Zahn.
„Im Herzen die Rache“ von Elizabeth Miles ist der Auftakt zu einer Trilogie, die die antiken Rachegöttinnen Alekto, Megaira und Tisiphone in unsere Gegenwart transportiert. Emily, kurz Em genannt, und Chase haben Schuld auf sich geladen, und werden zu Verfolgten der Furien, ohne dass sie es ahnen. Emilys Freundin Gabby verreist über Weihnachten und bittet sie, ihren Freund im Auge zu behalten, und das Unausweichliche nimmt seinen Lauf. Em, die schon lange unsterblich in Zach verliebt ist, deutet sein Flirten als Zeichen tiefer Zuneigung und hintergeht Gabby. Chase` Schuld, die womöglich ein noch tragischerer Verrat ist, wird erst nach und nach enthüllt.
Beide Charaktere, Em und Chase, bekommen von der Autorin im ersten Akt genügend Raum, sich zu entwickeln, ohne dass es einen Hinweis auf übernatürliches Eingreifen gibt. Das findet sicher der eine oder andere Leser langweilig, mir hat es gut gefallen, auch wenn sich die Probleme beider zunächst um alltägliche Highschool-Probleme zu drehen scheinen: Was ziehe ich an (Em), wie behalte ich meinen Status als Kapitän der Football-Mannschaft (Chase). Ems Alltag als wohlbehütete Tochter aus reichem Hause und Chase` Leben am Rande der Stadt, in einer Wohnwagensiedlung, verdeutlicht später umso drastischer, was sie mit ihren Taten aufs Spiel gesetzt haben. Besonders in Chase Fall ist es wichtig, sein Umfeld, seine Lebensumstände zu kennen, um seine verzweifelten Handlungen wirklich verstehen zu können.
Sympathisch sind beide Charaktere erst einmal nicht – Emily ist oberflächlich und eitel, Chase erscheint geltungssüchtig und schämt sich seiner hart arbeitenden Mutter. Lässliche Sünden, denen jedoch die gewichtigeren Untaten folgen werden. Erst als die Furien ihr Werk der Rache beginnen, erkennen beide, wie hohl ihr scheinbar erfolgreiches Highschool-Dasein tatsächlich ist, und erst in diesem Moment wecken beide Figuren Sympathie.
Die Aufteilung des Buches in drei Akte erinnert an eine Theateraufführung, was ebenfalls den Bezug zur Antike untermauert. Allerdings hat sich mir die tiefere Bedeutung von „ascension“, also aufsteigen oder zusammen mit dem bestimmten Artikel „the ascension“, Himmelfahrt, nicht erschlossen – ich baue auf die nächsten Teile, die hoffentlich hier ein wenig mehr in die Tiefe gehen und dem Leser einen Blick auf „das große Ganze“ erlauben. Auch bei den drei Furien hätte ich mir mehr Hintergrund gewünscht. Zwar wird gegen Ende angedeutet, dass die drei Damen bereits seit langer Zeit das Städtchen heimsuchen, die Gründe dafür liegen jedoch im völligen Dunkel. Über ein oder zwei Hinweise, auch Cliffhanger, hätte ich mich sehr gefreut. So aber werden sie im ersten Band zu reinen Werkzeugen, wo sie doch enorm viel Potenzial – meiner Meinung nach sogar zu Hauptfiguren – besitzen.
Zu vermerken ist definitiv die Fähigkeit der Autorin, auf schockierende Weise Handlungsstränge zu lösen – ich meine dies absolut positiv, kann hier aber schlecht mehr verraten, aus Furcht vor Spoilern. Das Buch wartet mit einigen unvorhersehbaren Wendungen auf, und zwar der einschneidenden und drastischen Art. Auch der Übergang vom Highschool-Roman zur Lektüre mit Fantasy-Elementen geschieht geschickt und so fließend, dass es nicht als Bruch erscheint, als die Furien ihr Werk beginnen.
Ausdrücklich erwähnen möchte ich an dieser Stelle noch das Cover, das mir sehr gut gefällt. Es ist stilvoll und, wie bei Loewe üblich, stark abweichend vom üblichen, klischeebeladenen Schwulst der heutigen Fantasyromane.
Fazit:
„Im Herzen die Rache“ bietet tolle Unterhaltung für den Leser, der nicht bereits auf Seite drei das Eingreifen übernatürlicher Mächte erwartet und der Geduld für die Entwicklung der Hauptfiguren aufbringt. Belohnt wird der Leser mit einer Geschichte, die Tiefgang hat und deren Tempo in der zweiten Hälfte mächtig anzieht. Ich für meinen Teil freue mich auf den nächsten Band.
13. Mar. 2013 - Gunda Plewe
Der Rezensent
Gunda Plewe

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Gunda Plewe wurde 1971 am Niederrhein geboren, und ihr Lebensweg verlief bis zum 3. Semester ihres Germanistikstudiums schnurgerade und zielgerichtet auf eine Tätigkeit im Universitätsbetrieb hin – zu diesem Zeitpunkt war ihre Vorstellung von einem idealen Leben die, in einem Elfenbeinturm zu sitzen und Mörike-Gedichte zu interpre...
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