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Der Fuhrmann des Todes

DER FUHRMANN DES TODES: DIE ERZÄHLUNG - DAS DRAMA - DIE LEGENDE

Gerald Friese, Selma Lagerlöf
Roman / Erzählung

Fester Einband, 269 Seiten
ISBN: 978-382517767-6

Mar. 2011, 1. Auflage, 19.90 EUR


LITERRA EMPFIEHLT LITERRA EMPFIEHLT

“Herr, lass meine Seele zur Reife kommen, ehe sie geerntet wird.“

Das Schöne an den Buchmessen in Leipzig und Frankfurt ist, dass man immer wieder neu inspiriert wird, neue Autoren kennen lernt, und in Vergessenheit geratene Klassiker für sich neu entdeckt. So geschehen auch dieses Jahr auf der Buchmesse in Frankfurt, als ich am Stand von iListen den Schauspieler, Literatur-Performer, Regisseur und Autor Gerald Friese kennen lernen durfte. Dort signierte er sein Hörbuch „Gerald Friese liest Edgar Allan Poe“ (siehe Rezension). Schnell kam man ins Gespräch und er lud mich sogleich ein, ihn auch bei seiner Signierstunde am Stand des Verlags Urachhaus zu besuchen. Dort würde er sein Buch „Der Fuhrmann des Todes – Die Erzählung – Das Drama – Die Legende“ vorstellen. Die Gelegenheit beim Schopfe ergreifend bat ich Gerald Friese um ein Interview, das er gerne zu geben bereit war und so erfuhr auch ich vom Fuhrmann, einem Theaterstück, das Friese nach der gleichnamigen Erzählung von Selma Lagerlöf schrieb und inszenierte.
Selma Lagerlöf dürften den meisten Leuten als Autorin des Kinderbuch-Klassikers „Nils Holgersson“ bekannt sein. Diesen schrieb sie im Auftrag der schwedischen Schulbehörde für den Erdkundeunterricht – und gewann prompt den Nobelpreis für Literatur. Mit dem Geld kaufte sie das mittlerweile hochverschuldete Gut Märbacka zurück, auf dem sie angeblich noch heute als Geist umgehen soll. „Der Fuhrmann des Todes“ entstand ebenfalls als Auftragsarbeit. Dieses Mal sollte Lagerlöf für die schwedische Regierung eine Abhandlung über die Tuberkulose und ihre Heilung verfassen. Heute ist „Der Fuhrmann des Todes“ in erster Linie dadurch so bemerkenswert und wichtig, da er die erste literarische Auseinandersetzung mit dem Thema „Nahtoderfahrung“ darstellt, einem Begriff der übrigens erst in den 1970er Jahren geprägt wurde.

Zum Inhalt:
Die Heilsarmeeschwester Edith liegt im Sterben. Es ist Silvesterabend und sie hat nur einen Wunsch, dass der Taugenichts und Trunkenbold David Holm noch einmal an ihr Bett treten möge. Seit einem Jahr hat sie versucht den garstigen Menschen zu einem gottesfürchtigen und anständigen Mann zu machen. Verzweifelt schickt die Hauptmännin Andersson einen Soldaten der Heilsarmee los, um Holm zu finden und zur sterbenden Edtih zu bringen. Der sitzt mit zwei Saufkumpanen an der Kirche und zecht. Dabei erzählt er den beiden die Geschichte von seinem Freund Georg, der sich immer zu Silvester besonders vorsah und keinen Tropfen Alkohol trank, aus Furcht just an diesem Abend sterben zu müssen. Denn wer als letzter Mensch im alten Jahr verstirbt, der muss als Fuhrmann des Todes ein Jahr lang die Seelen der Verstorbenen ins Jenseits geleiten, ehe er beim nächsten Silvester abgelöst wird. Doch um die Seelen aller Sterbenden erreichen zu können vergeht die Zeit für den Fuhrmann sehr viel langsamer, so dass ihm ein Jahr wie hundert oder gar tausend Jahre erscheinen mögen.
Als die Rede der drei Säufer auf die sterbende Edith kommt, macht sich David Holm über die gutgläubige Heilsarmeeschwester lustig und zieht dadurch den Zorn seiner Freunde auf sich, die Holm kurzerhand zusammenschlagen. David erleidet einen Blutsturz infolge seiner Tuberkulose und verstirbt noch auf dem Kirchhof liegend. Da erscheint der Fuhrmann des Todes mit seinem behelfsmäßig geflickten Karren und der klapprigen, einäugigen Schindmähre, die das grausige Gefährt ziehen muss. Der Fuhrmann entpuppt sich tatsächlich als Davids alter Freund Georg, der David erklärt, dass dieser gestorben sei. Nun muss Georg seinen Freund nur noch in seine neue Aufgabe einweisen, doch der sträubt sich natürlich. Doch der Fuhrmann des Todes ist unerbittlich und so muss David Holm als Geist den Menschen begegnen, die ihm im Leben am nächsten gestanden haben und denen er nur Unglück gebracht hat. Die Konfrontationen mit seiner Frau und seinen Kindern, und nicht zuletzt mit der Heilsarmeeschwester Edith läutern den Mann. Doch es ist bereits zu spät. Oder etwa doch nicht?


Es ist offensichtlich, dass die Schrecken der Tuberkulose nur noch schmückendes Beiwerk sind. Vielmehr schuf Selma Lagerlöf ein berührendes und tief spirituelles Werk über das Wesen von Gut und Böse. So düster die Erzählung stellenweise sein mag, so hoffnungsvoll und schön ist ihre Botschaft, denn es geht um nicht weniger, als dass selbst die schlechtesten und boshaftesten Menschen durch die Kraft der Liebe geläutert werden können.
Gerald Friese nun hat sich des Stoffes angenommen und in seiner Eigenschaft als Theater-Regisseur und Autor ein Stück darüber geschrieben, das sich ebenfalls in dem Buch wiederfindet. Um den Buchhändler noch mehr in Verwirrung zu stürzen findet sich in dem hübsch gestalteten Hardcover aber nicht nur die Erzählung von Selma Lagerlöf und das Drama von Gerald Friese, sondern auch die Legenden über den Fuhrmann des Todes. Diese stammen zum größten Teil aus der Bretagne und wurden teilweise auch sehr genau von Selma Lagerlöf in ihre Erzählung mit eingeflochten.
Rita Süssmuth, ehemalige Bundestagspräsidentin und anerkannte Literaturwissenschaftlerin, schrieb das Geleitwort für dieses außergewöhnliche Buch, während Lothar Peinemann eine ausführliche Einführung in das Thema gibt, die man jedoch nicht lesen sollte, wenn man die Geschichte noch nicht kennt. Neudeutsch würde man jetzt sagen: ACHTUNG SPOILER!
Sehr interessant ist auch das kurze Nachwort von Pim van Lommel, einem Kardiologen, der sich intensiv mit dem Phänomen der Nahtoderfahrung auseinandergesetzt hat, unter anderem in seinem Buch „Endloses Bewusstsein“.
Dem Verlag Urachhaus gebührt jedenfalls großer Dank, dass er dieses einzigartige und sowohl künstlerisch als auch literarisch wertvolle und schöne Projekt hat Wirklichkeit werden lassen, auch wenn der Buchhändler sich vielleicht unschlüssig darüber sein wird, in welcher Rubrik er das Werk unterbringen soll. Mich hat die Geschichte schon für sich eingenommen, als mir Gerald Friese davon berichtet hat und jetzt, nach dem Lesen, muss ich gestehen, dass er nicht übertrieben hat. Im Gegenteil, ich finde es äußerst schade, dass das Stück zur Zeit nicht aufgeführt wird. Darüber hinaus ist es höchst bemerkenswert wie flüssig, humorvoll und pointiert Selma Lagerlöf ihre Erzählung zu Papier gebracht hat. Immerhin ist die Geschichte bereits 1912 veröffentlicht worden. Und doch erfüllt sie auch heute noch alle Regeln der Unterhaltungsliteratur, obwohl sie doch so viel mehr ist. Nämlich eine tief ergreifende, stellenweise sehr unheimliche Erzählung über Liebe, Tod und Hoffnung.

http://www.literavox.de/Fotos.html?gallery=Der%20Fuhrmann/1.%20Akt&image=1.%20Akt%20009.jpg
© http://www.literavox.de/Fotos.html?gallery=...

LITERRA EMPFIEHLT
Beitrag vom 27. Okt. 2011


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