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Das Buch der besonderen Fotos

DIE INSEL DER BESONDEREN KINDER

Ransom Riggs
Roman / Dark Fantasy

PAN
Originaltitel: Miss Peregrine's Home for Peculiar Children

Fester Einband, 416 Seiten
ISBN: 978-342628368-4

Nov. 2011, 1. Auflage, 16.99 EUR
Bestellen: Jetzt bestellen / auch als eBook erhältlich


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Mir sträubten sich die Nackenhaare, als mir einfiel, was Grandpa Portman über einen Jungen erzählt hatte, der mit ihm im Waisenhaus lebte – ein Junge, in dem Bienen hausten. Sobald er den Mund öffnete, kamen ein paar herausgeflogen, hatte er gesagt. Aber sie stachen nie, es sei denn, dass Hugh es wollte.
Die Fotos meines Großvaters stammten offenbar aus diesem Koffer, der jetzt zertrümmert vor mir lag. Sicher war ich mir allerdings erst, als ich ein Bild der beiden Sonderlinge fand: zwei maskierte Kinder mit Halskrause, die sich gegenseitig mit einer Schnur fütterten, die aussah wie eine gedrehte Luftschlange. Ich wusste nicht, was die beiden darstellen sollten – abgesehen von Material für Alpträume. Waren es sadomasochistische Ballerinen? Es bestand jedoch kein Zweifel, dass Großvater ein Foto dieser beiden besessen hatte. Ich hatte es erst vor wenigen Monaten in seiner Zigarrenkiste gesehen.
Es konnte kein Zufall sein. Und es bedeutete, dass die Fotos, die Großvater mir gezeigt hatte – und bei denen er geschworen hatte, dass sie Kinder aus dem Waisenhaus zeigten -, wirklich aus diesem Haus stammten. Aber hieß das auch, dass die Bilder trotz der Zweifel, die ich schon als Achtjähriger gehegt hatte, echt waren? Was war mit den fantastischen Geschichten, die sich um sie rankten? Dass auch nur eine von ihnen wahr sein konnte – buchstäblich wahr -, schien mir undenkbar. Und dennoch, als ich jetzt in dem staubigen Dämmerlicht des verfallenen Hauses stand, dachte ich, vielleicht …
Plötzlich ertönte über mir ein lautes Krachen. Ich erschrak so heftig, dass ich die Fotos fallen ließ.


Bücher sind ein besonderes Medium, im neudeutschen Verlagsslang würde man vermutlich von einem All-Age-Medium sprechen, das, je nach Inhalt, kleine und große Leser zu begeistern und zu fesseln vermag – und das alles ganz ohne Strom. Ebook-Reader bilden natürlich die Ausnahme, aber denen mangelt es ohnehin am klassischen Flair eines echten Buches, angefangen beim holzigen Geruch der Seiten, bis hin zum Rascheln der Seiten. Und dann gibt es natürlich noch die besonders liebevoll und sorgfältig gestalteten Ausgaben mit Abbildungen und Illustrationen, die das Herz eines jeden Bibliophilen höher schlagen lassen. Diese, meist gebundenen Ausgaben, bilden die Glanzstücke in den Bücherregalen und werden immer wieder gerne zur Hand genommen, und sei es nur, um noch einmal kurz in den Erinnerungen an besonders schönen Lesestunden zu schwelgen. Einer dieser bibliophilen Schätze stellt Ransom Riggs' Romandebüt „Die Insel der besonderen Kinder“ dar, das hierzulande im PAN Verlag von Droemer Knaur erschienen ist, und das als hochwertiges Hardcover mit jeder Menge Bildmaterial, welches das Buch so einzigartig macht, erschienen ist. Denn Ransom Riggs hat für sein Buch eine sehr originelle und schöne Idee gehabt. Insgesamt 43 authentische Schwarzweiß-Fotografien, zur Verfügung gestellt von unermüdlichen Sammlern, geben dem Werk Seele und Substanz. Zu sehen sind oft obskure und surreale Motive, Abnormitäten aber auch billige Fälschungen. Ransom Riggs hat die Bilder mit einer fast schon genialen Beiläufigkeit in die Geschichte eingeflochten, so dass der Roman einen pseudoauthentischen Anstrich erhält.

Zum Inhalt:
Bereits als Achtjähriger hat Jakob am Wahrheitsgehalt der fantastischen Geschichten seines Großvaters gezweifelt. Selbst die vielen Schwarzweiß-Fotografien, die Grandpa Portman seinem Enkel immer wieder zeigte, konnten ihn irgendwann nicht mehr überzeugen, und als er gar von Monstern sprach, vor denen er auf eine walisische Insel geflohen ist, wo er in einem Waisenhaus Zuflucht fand, das von einem Pfeife rauchenden Vogel bewacht wurde, war sich Jakob sicher, dass sein Großvater Märchen erzählte. Doch als Jakob 15 Jahre alt ist, geschieht etwas Entsetzliches. Grandpa Portman stirbt unter schrecklichen und mysteriösen Umständen und Jakob sieht eines der Monster aus den Erzählungen seines Großvaters für den Bruchteil eines Augenblickes. Posttraumatischer Stress diagnostiziert der Psychologe Dr. Golan. Die grauenhaften Wunden am geschundenen Körper von Grandpa Portman stammen vermutlich von streunenden Hunden. Dann entdeckt Jakob im Nachlass seines Großvaters einen Brief von Miss Pelegrine, der damaligen Heimleiterin, und erste Zweifel erwachen in dem Jungen. Er überredet seinen Vater mit ihm eine Reise zu der Insel zu machen und bekommt überraschenderweise Rückendeckung von Dr. Golan. Dort findet Jakob tatsächlich das Haus, in dem sein Großvater vor den Schrecken des zweiten Weltkriegs Zuflucht gefunden hat. Aber das Heim ist nur noch eine leere, zerstörte Ruine. Doch dann macht Jakob eine unglaubliche Entdeckung, die sein Leben für immer verändern wird und er muss feststellen, dass sein Großvater in allem die Wahrheit gesagt hat …

„Die Insel der besonderen Kinder“ ist ein unheimliches, äußerst spannendes und fantastisches Buch, das ein breites Publikum begeistert wie fast 200 positive Bewertungen auf Amazon zeigen. Ich muss zugeben, dass ich vermutlich wenig Interesse daran gezeigt hätte den Roman zu lesen, wenn er nicht so sensationell und schön aufgemacht wäre. Glücklicherweise ist das der Fall, denn anderenfalls hätte ich mich um ein einzigartiges Lesevergnügen gebracht. Jeder kennt wohl die Fotografien vergangener Generationen in alten verstaubten Kisten auf Dachböden, in Fotoalben oder auf Flohmärkten. Die Wenigsten messen ihnen sonderlich viel Bedeutung bei, immerhin besitzen Fotos hauptsächlich für denjenigen Wert, der sie gemacht hat. Liest man allerdings das vorliegende Buch und schaut sich die bisweilen bizarren Aufnahmen an, so fällt es einem nicht schwer zu glauben, dass einem durch diese Haltung wundervolle Schätze verlustig gegangen sind. Die Geschichte ist wohl in erster Linie ein düsterer Jugendroman, obwohl einige Beschreibungen merklich unter die Haut gehen. Es ist von Monstern, Kannibalismus, Mord und Wiedererweckung die Rede. Allein die finstere Gabe des Knaben Enoch dürfte zarteren Gemütern Alpträume bescheren. Das Buch lädt aber auch zum Träumen ein, denn wer sehnt sich nicht ab und zu nach einem Ort, an dem sich ein und derselbe Tag immer wiederholt? Doch im Waisenhaus von Miss Pelegrine grüßt nicht etwa täglich das Murmeltier. Vielmehr herrscht hier ewiger Sommer, und die Bewohner mit ihren außerordentlichen Fähigkeiten genießen die ewige Kindheit, fernab von den Sorgen der „normalen“ Menschen und ihrer von Krieg und Armut gebeutelten Welt. Dass ein solches Dasein auf Dauer auch seine Schattenseiten hat, und hinter der goldenen Fassade nicht selten ein schreckliches Geheimnis lauert, bekommen Jakob und seine neuen Freunde bald am eigenen Leib zu spüren. Darüber hinaus geht es um Freundschaft, Zusammenhalt und auch die Romantiker werden zufriedengestellt. Hinzu kommt die greifbare Atmosphäre des Romans, die den Leser direkt auf die Insel der besonderen Kinder versetzt und dank der flüssigen und lebhaften Schreibe des Autors entwickelt sich die Geschichte bald zum Selbstläufer. Man will, oder besser gesagt man muss irgendwann einfach wissen wie es weitergeht, obwohl das Ende in seiner Offenheit nicht nur freie Interpretationen ermöglicht, sondern den Leser auch auf eine baldige Fortsetzung hoffen lässt. Glücklicherweise ist diese Hoffnung nicht unbegründet, denn wie man im Blog des Verfassers lesen kann, arbeitet Riggs bereits an dem nächsten Band, braucht allerdings noch ein wenig Zeit. Und die gesteht man ihm bereitwillig zu, wenn man nur ein ähnlich fesselndes und liebevoll gestaltetes Werk in Händen hält wie „Die Insel der besonderen Kinder“.

Rückseite der Originalausgabe
Rückseite der Originalausgabe
© http://www.ransomriggs.com

LITERRA EMPFIEHLT
Beitrag vom 29. Jul. 2012


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