|
emperor-miniature
Platinblondes Dynamit
LITERRA EMPFIEHLT “Gehen Sie, Herr Windell, und schreiben Sie uns den … Text, den Sie uns noch schulden. Danach werden sich unsere Wege dann wohl trennen. Denn, machen wir uns nichts vor: Frauenfiguren sind nun einmal nicht Ihr Forte.“
„Ach nein? Und was ist mit Juicie und und Sabie Tooth und Wanda Molanski und ...“ Windell fing sich, so gerade noch, und sagte sich dann: Ach, scheiß drauf. „... und Ida Shyst?“
Isadora Schuster schnaubte. „Ein Flittchen, eine Berufsverbrecherin, eine Würgerin, eine Giftmischerin. Antagonistinnen, eine wie die andere. Das ist Ihr Frauenbild. Ich kann mich nicht entsinnen, dass Sie jemals eine positive weibliche Figur entwickelt hätten, und ich könnte es mir von Ihnen auch nicht vorstellen. Doch niemand kann Sie hindern, uns zu überraschen zu versuchen. Wenn Sie uns nun entschuldigen würden?“
Windell sprang auf die Füße. Er schäumte. Was hier auf dem Spiel stand, worauf diese alte, verknöcherte Zicke da an ihrem Brieföffner von einer Nase vorbei herabblickte, war nichts anderes als seine Ehre. Als Künstler, Kreativer, als Schriftsteller, als – jawohl – als Mann.
„Ich werde Ihnen eine Heldin schreiben, die Ihnen die Schuhe auszieht und sie Ihnen den gierigen Rachen hinabschiebt, zusammen mit Ihrem affektierten Pluralis Majestatis!“
„Hinaus!“
„Ich brauch den Wagen.“
„Ja, ja. Schlüssel hängt am Brett. Und mach die Tür zu. Schließ ab, am besten. Mattka Wolanski ist wieder in einer ihrer Stimmungen.“
„Brauchst du sonst noch was? Außer Bier?“
„Nein. Doch, warte: Bring mir eine Perücke mit.“
„Eine Perücke.“ Elmo klang ernüchtert, erstaunt, besorgt. Alles auf einmal.
„Ja, eine Perücke. Blond, üppig, lockig. Und mach die Tür zu.“
Mit Satiren, insbesondere jenen im Bereich Spannungsroman, ist das so eine Sache. Entweder die Gags wollen nicht so richtig zünden, die Dialoge sind zu bemüht oder aber die Charaktere sind absolute Vollidioten. Und das meine ich nicht im positiven Sinne. Dabei ist es gerade bei witzigen Büchern wichtig, dass sie nicht über das Ziel hinausschießen und der Humor aus der Situation heraus entsteht. Jörg Juretzka, ehemaliger Zimmerer und Blockhüttenbauer in Kanada, ist mit „Platinblondes Dynamit“ ein echter Volltreffer gelungen, zumindest in meinen Augen. Dabei ist das Cover, man verzeih mir die Direktheit, wenig ansprechend für ein männliches Publikum. Erst wenn man(n) sich den Klappentext zu Gemüte führt, wird die Neugier angestachelt. Und schon auf den ersten Seiten ist man mitten im Geschehen. Zunächst ist es zwar gewöhnungsbedürftig den Großteil des Textes in fettgedruckter Schrift zu lesen, doch schnell wird man vom Geschehen in seinen Bann gezogen, so dass es nicht weiter auffällt. Da der Protagonist ein Schriftsteller ist, und es vorrangig um dessen geistige Ergüsse geht, darf man Folkmar Windell des öfteren über die imaginäre Schulter schauen und seine Texte lesen, die in normaler Schrift eingefügt wurden.
Zum Inhalt:
Folkmar Windell schreibt unter dem Pseudonym Will B. Everhard Heftromane, deren Held der Privatdetektiv und Macho Jack Knife ist. Mehr schlecht als recht kommt er damit über die Runden, ist aber nur allzu oft mit der Miete im Verzug, was jedoch auch an seiner Vorliebe für alkoholische Getränke oder aber an dem wachsenden Berg an Strafzetteln liegen kann, die ihm in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen von der Politesse Sabrina Zahn unter den Scheibenwischer geklemmt werden. Folkmar Windells Mitbewohner Elmo ist dabei keine große Unterstützung, aber immerhin eine treue Seele und Tröster in der Not, wenn sich Windell mal wieder blamiert hat, meistens vor der holden Weiblichkeit. Sein Pech bei Frauen schlägt sich auch in seinen Werken nieder, so dass seiner Verlegerin Isadora Schuster schnell auffällt, dass er Frauen gerne als Objekte beschreibt oder bestenfalls als Gegnerinnen des wackeren Helden. Da die Leserschaft sich jedoch zu einem nicht unbeträchtlichen Prozentsatz aus Frauen zusammensetzt, droht Jack Knife das Aus, es sei denn Folkmar Windell, alias Will B. Everhard, ist bereit eine weibliche Heldin zu kreieren. Schließlich beißt er in den sauren Apfel, doch es ist leichter gesagt als getan und gar nicht so einfach aus seiner Haut herauszuschlüpfen. In seiner Verzweiflung greift Windell zu einem Computerprogramm, dass diese schwierige Aufgabe für ihn lösen soll. Herauskommt: Pussy Cat, eine Vorzeigedame, mit dem Charme eines Rottweilers. Und plötzlich ist nichts mehr wie es war, denn Pussy Cat gelangt in die reale Welt, immer noch in dem festen Glauben, sich im New York der 1940er Jahre zu befinden, auf der Jagd nach dem sagenumwobenen Roosveldt-Diamanten und verfolgt von einer Schar mordgieriger Furien. Da Pussy Cat als Romanfigur und weibliches Äquivalent von Jack Knife in ihren Methoden nicht gerade zimperlich ist, wird die Kölner Polizei, allen voran Kommissar Meckenheim, auf die offensichtlich geistesgestörte Frau aufmerksam. Doch das Programm hatte keine Gelegenheit die Figur ausführlich zu beschreiben, so dass die Zeugenaussagen eindeutig Folkmar Windell in der Aufmachung einer Frau identifizieren, inklusiver platinblonder Perücke. Für Meckenheim ist das die lang erwartete Gelegenheit sich endlich für einen Vorfall in der Vergangenheit zu revanchieren, der seine Karriere in eine Sackgasse lenkte. Als Folkmar und Elmo hinter die sonderbaren Ereignisse kommen, steht fest, dass sie es irgendwie schaffen müssen Pussy Cat in ihre Romanwelt zurückzubringen. Leichter gesagt, als getan …
Juretzkas Roman ist ein Lesevergnügen von der ersten bis zu letzten Seite, auch wenn dies eine beliebte Phrase ist, kann ich es nicht anders formulieren. „Platinblondes Dynamit“ hat nicht nur lebensnahe, sympathische Figuren vorzuweisen, sondern auch jede Menge Situationskomik und vor allem glänzend pointierte, treffsichere Dialoge, die das Lesen zum Genuss machen. Wie es Juretzka gelungen ist, neben seinem normalen, lässigen Schreibstil, auch einen offenkundig plakativen Schundroman zu Papier zu bringen, ist einfach brillant. Vor allem wie Folkmar Windell (Spitzname: Folle Windel), alias Will B. Everhard, die ihn umgebenden Menschen in seine Werke eingebaut hat. Aus der Politesse Sabrina Zahn, wird die „falsche Polizistin“ und Berufsverbrecherin Sabie Tooth, während aus der herrischen Vermieterin Mattka Wolanski plötzlich die Würgerin Wanda Molanski wird. Und so findet jede der mitwirkenden Figuren einen pseudoliterarischen Doppelgänger in der fiktiven Welt von Pussy Cat, respektive Jack Knife. Doch nicht nur Pussy Cat gelingt der Schritt in die Realität, auch andere Figuren können hinüberwechseln, und wer das Tor in die Romanwelt kennt, kann auch in die Fiktion abtauchen. Das führt zu aberwitzigen Szenarien, bei denen es kein Wunder ist, dass Folkmar eine psychiatrische Anstalt von Innen kennenlernt.
Für mich persönlich war der Roman eine willkommene Abwechslung, weil er einfach so komplett anders ist und es nur wenige vergleichbare Werke gibt, die darüber hinaus auch noch erstklassig geschrieben sind.
Für alle Krimi-Fans, die gerne lachen und sich von erstklassig geschriebener Prosa mitreißen lassen wollen ist „Platinblondes Dynamit“ Pflichtlektüre.
© http://www.pendragon.de
LITERRA EMPFIEHLT Beitrag vom 09. Okt. 2012
Weitere Beiträge
Alle weiteren Beiträge finden Sie auf der Übersichts-Seite.
|
|