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Samstags, wenn Krieg ist

SAMSTAGS, WENN KRIEG IST

Klaus-Peter Wolf
Roman / Krimi

Pendragon

Taschenbuch, 256 Seiten
ISBN: 978-386532328-6

Jan. 2012, 1. Auflage, 9.95 EUR
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Als die Ultras auseinandergehen, weiß0 jeder von ihnen, dass er eine ganz normale Woche vor sich hat. Eine Woche, die aus vielen kleinen alltäglichen Verletzungen besteht. Aus Ducken, Runterschlucken und Einstecken.
Eine Woche lang so unauffällig wie möglich leben. Ein netter Nachbarsjunge sein. Ein lieber Sohn. Ein fleißiger Auszubildender. Siggi Schmidtmüller wird sich rührend um seinen behinderten Bruder kümmern.
Peter Lentz wird jeden Morgen pünktlich in der Kfz-Werkstatt erscheinen und abend als Letzter die Halle fegen, denn Peter weiß, dass von vier Auszubildenden höchstens einer übernommen wird, und der möchte er sein.
Dieter Koslowski wird brav die Stellenanzeigen studieren und wenn gar nichts läuft, bei Wotan kellnern.
Max Fischer wird in der Gärtnerei stumm seine Arbeit machen, ganz hinten im Gewächshaus, weil man ihn mit seinem Hitlerbärtchen nicht an die Kundschaft lässt. Seine Chefin befürchtet, er könnte die Leute abschrecken. Er vermutet, dass sie Jüdin ist. Sie hat so eine Hakennase und sein Hitlerbärtchen regt sie unheimlich auf.
Jürgen Brück wird weiter für den Hauptschulabschluss büffeln, den er nachmachen will und gleichzeitig seine Zeit im Berufsvorbereitungsjahr absitzen. Vom letzten Jahrgang haben hinterher sieben eine Stelle bekommen. Er wird garantiert nicht dabei sein.
Er will zum Bund. Lebenslänglich am besten. Dort kann er immer noch eine Lehre machen. Außerdem – die Armee sorgt für ihre Leute. Aber die Armee will ihn nicht ohne Hauptschulabschluss.
Wolf Kleinhaupt will ganz für seine Mutter da sein, um ihr zu beweisen, dass sie ga rkeinen Kerl braucht. Sie hat doch ihn. Das alles werden sie tun. Bis Samstag, wenn wieder Krieg ist.


Neonazis und Rechtsextremismus sind ein Phänomen, das heute leider genauso aktuell und brisant ist wie 1994 als Klaus-Peter Wolfs Roman „Samstags, wenn Krieg ist“ herauskam. Bezeichnend dabei ist, dass die gleichnamige Verfilmung für die ARD-Serie POLIZEIRUF 110, mit Angelica Domröse und Heino Ferch in den Hauptrollen, zuletzt 2002 ausgestrahlt wurde, und dass, obwohl der Film von Kritik und Publikum gleichermaßen begeistert aufgenommen wurde und sogar als Unterrichtsmaterial in vielen Schulen Verwendung fand. Im Jahr 2006 gab der SWR eine offizielle Meldung heraus, dass der Film bis auf Weiteres nicht mehr ausgestrahlt werden würde, angeblich wegen der missverständlich dargestellten Gewalt. Ausführlicher nachzulesen in dem Nachwort zum Roman, der glücklicherweise immer noch erhältlich ist und im Pendragon Verlag bereits in der zweiten Auflage vorliegt. Selbst im Internet ist der Film mit legalen Mitteln nicht zu finden, mir ist es jedenfalls nicht gelungen, was ich sehr bedaure, denn der Roman weckt die Neugier auf die hochgelobte Verfilmung. Mittlerweile ist der Roman natürlich auch als E-Book verfügbar. Das Buch erschien zunächst bei Hoffmann und Campe als Hardcover-Ausgabe mit einem ziemlich schrillen Umschlagbild. Das neue Cover der zweiten Auflage der Taschenbuchausgabe des Pendragon Verlags sieht da schon sehr viel authentischer, beklemmender und bedrohlicher aus.

Hardcover-Ausgabe von Hoffmann und Campe Hardcover-Ausgabe von Hoffmann und Campe
© http://www.booklooker.de
Zum Inhalt:
Wolf Kleinhaupt und seine Kumpels sind Neonazis und nennen sich selbst die Ichtenhagener Ultras. Deutschland den Deutschen ist ihr Motto, und um dies durchzusetzen schrecken sie auch nicht vor Gewalt zurück. Unter der Woche gehen sie ihren Berufen und alltäglichen Beschäftigungen nach, doch am Samstag führen sie Krieg. Krieg gegen Punks, Asylanten, Ausländer, Schwule und Spießbürger. Doch an diesem Samstag-Abend ist alles anders, denn Renate, die Schwester von Siggi Schmidtmüller, ebenfalls ein rechtsradikaler Neonazi aus Wolfs Truppe, wird ermordet. Die Ultras haben Gino im Verdacht, den Sohn des italienischen Pizzeria-Besitzers. Aus Vergeltung überfallen sie das Restaurant, schlagen Ginos Vater krankenhausreif und verwüsten das Geschäft. Doch damit ist der Rachedurst der Ultras noch lange nicht gestillt. Die Spirale der Gewalt dreht sich weiter und Siggi ist fest entschlossen Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Er gräbt die Pistole aus, die er gemeinsam mit seinen Freunden versteckt hat, um Gino zu erschießen, während sich ein anderer Ultra um Ginos kleine Schwester Maria kümmern will, auf die er schon lange ein Auge geworfen hat. Wolf indes verfolgt ein sehr viel größeres Ziel. Er will das Asylantenheim von Ichtenhagen zerstören – mit Sprengstoff. Die Spirale aus Hass und Gewalt scheint nicht mehr aufzuhalten zu sein.

Bemerkenswert an diesem Roman ist in erster Linie, dass nicht die Ermittler die erste Geige spielen, sondern die Neonazis im Mittelpunkt stehen. Der Autor hat in seinem Nachwort sehr anschaulich dargestellt wie er aufgrund seines Romans „Die Abschiebung“ angefeindet wurde und wie er mit jungen rechtsextremen Menschen in Kontakt geraten ist. Dieses Wissen ist in den vorliegendem Buch mit eingeflossen und zeigt die Jugendlichen Neonazis nicht nur von ihrer menschenverachtenden, gewalttätigen Seite, sondern berichtet auch von ihren Sorgen, Nöten und Ängsten. Häufig stammen Rechtsradikale nämlich aus sozial schwachen Familien und haben ihr Leben lang keine Anerkennung erfahren, keine Liebe und häufig Ablehnung. Viele Neonazis berichten von einem gestörten Vater-Sohn-Verhältnis, unaufgearbeiteten Konflikten, so dass sie für das rechtsradikale Gedankengut, das auch heute noch leider allzu oft politisch proklamiert wird, leicht empfänglich sind. Was ihnen zu Hause verwehrt wird, finden sie in der rechtsextremen Gemeinschaft: Zusammenhalt, Anerkennung und Selbstbewusstsein. Sie leben in einer von Gewalt geprägten Umwelt, in der das Recht des Stärkeren gilt. Den Opfern von Neonazis und rechtsextremen Faschisten hilft dieses Wissen allerdings wenig, vielmehr ist es ein verzweifelter Aufruf an die Politiker jungen Menschen Perspektiven zu bieten, Aufklärung zu betreiben und ihnen einen Platz in der Gesellschaft anzubieten. Die rechtsextreme Szene hat nicht zuletzt durch die deutsche Vereinigung einen enormen Zuwachs aus den neuen Bundesländern erhalten, wo viele Jugendliche desillusioniert zurückblieben, nachdem ihnen durch die Wende eine goldene Zukunft versprochen wurde.
Bereits das erste Kapitel vermittelt einen eindringlichen Blick in das faschistische, radikale Gedankengut der Jugendlichen. „Samstags, wenn Krieg ist“ ist ein Buch, das nur in zweiter Linie der Unterhaltung dient. Priorität wird auf die Authentizität der Geschichte gelegt, in der Klaus-Peter Wolf viele Facetten des Phänomens anspricht. Es geht dabei längst nicht mehr um eine Gruppe von Jugendlichen, die auf Krawall aus sind, es geht auch um den Missbrauch leicht zu manipulierender Menschen durch Personen, die auf den ersten Blick respektabel und renommiert erscheinen. Im Roman eindrucksvoll verkörpert durch den Rechtsanwalt Knut Feddersen, der die Ultras als Handlanger und Schlägertrupp missbraucht. Die Szene mit den Beschattern der Bundespolizei wirkt auf den ersten Blick ein wenig deplatziert, passt aber letztendlich perfekt ins Bild und zeigt wie hilflos sie selbst gegenüber solchen Gruppierungen oft sind. Trotz der oben genannten Probleme der Neonazis muss auch klar sein, dass man vielen von ihnen nicht mehr helfen kann, da ihr Gedankengut bereits derart gefestigt und verknöchert ist, dass jede Hilfe vehement abgelehnt wird. Daher sollte ein Hauptanliegen sein, den Nachwuchs entsprechend zu schulen und durch umfassende Bildung und sittliche Reifung vor dem Zugriff rechtsradikaler Gruppen zu schützen. Auch dieses Problem wird im Roman thematisiert, wenn auch relativ kurz. Wolf und seine Kumpels sind Idole für Kinder und impfen ihnen kompromisslos ihre Ideologie und ihr Weltbild ein. Beängstigend ist vor allem wie einfach und schnell die Entwicklung einer solchen gewaltbereiten Gruppe funktioniert. Die Angst vor Ausgrenzung und der Wunsch nach Anerkennung sind dabei die größte Triebfeder, und schließlich bedarf es lediglich eines Anführers, der die Richtung vorgibt. Was im Kleinen immer wieder zu traurigen Schlagzeilen führt, ist leider im Großen nicht viel anders, wenn auch schwerer zu durchschauen. So leid es mir tut, „Samstags, wenn Krieg ist“ behält seine Aktualität bei und ist vor allem deshalb so beklemmend, weil die im Buch geschilderte Bedrohung absolut real ist. Was im herkömmlichen Kriminalroman oder Thriller geschildert wird sind bedauerliche Einzelschicksale oder Ausnahmefälle. Serienmörder sind in Wirklichkeit sehr viel seltener als uns (in erster Linie amerikanische) Schriftsteller und Filmemacher weismachen wollen. Von der Bedrohung durch kannibalische Hinterwäldler oder osteuropäische Folternetzwerke ganz zu schweigen. Doch die Gewalt basierend auf persönlichem Frust und extremen Ideologien ist alltäglich und findet jeden Tag direkt vor unserer Haustür statt. Gerade deshalb ist der vorliegende Roman so wichtig und sollte zur Pflichtlektüre an den Schulen werden – nicht nur in Hinsicht auf Faschismus und Rechtsextremismus, sondern allgemein in Hinsicht auf Gewalt und organisierten Terrors.
Der eigentliche Kriminalfall, der Mord an einer jungen Frau, fast noch ein Mädchen, gerät dabei fast ins Hintertreffen, wird dem Leser aber durch die Ermittlungen der Kommissarin Vera Bilewski immer wieder in Erinnerung gerufen.

Polizeiruf 110: Samstags, wenn Krieg ist Krimi, D 1994, (95 Min.)
Polizeiruf 110: Samstags, wenn Krieg ist Krimi, D 1994, (95 Min.)
© http://www.tvspielfilm.de

LITERRA EMPFIEHLT
Beitrag vom 28. Apr. 2013


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