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Samstags, wenn Krieg ist
Als die Ultras auseinandergehen, weiß0 jeder von ihnen, dass er eine ganz normale Woche vor sich hat. Eine Woche, die aus vielen kleinen alltäglichen Verletzungen besteht. Aus Ducken, Runterschlucken und Einstecken. Wolf Kleinhaupt und seine Kumpels sind Neonazis und nennen sich selbst die Ichtenhagener Ultras. Deutschland den Deutschen ist ihr Motto, und um dies durchzusetzen schrecken sie auch nicht vor Gewalt zurück. Unter der Woche gehen sie ihren Berufen und alltäglichen Beschäftigungen nach, doch am Samstag führen sie Krieg. Krieg gegen Punks, Asylanten, Ausländer, Schwule und Spießbürger. Doch an diesem Samstag-Abend ist alles anders, denn Renate, die Schwester von Siggi Schmidtmüller, ebenfalls ein rechtsradikaler Neonazi aus Wolfs Truppe, wird ermordet. Die Ultras haben Gino im Verdacht, den Sohn des italienischen Pizzeria-Besitzers. Aus Vergeltung überfallen sie das Restaurant, schlagen Ginos Vater krankenhausreif und verwüsten das Geschäft. Doch damit ist der Rachedurst der Ultras noch lange nicht gestillt. Die Spirale der Gewalt dreht sich weiter und Siggi ist fest entschlossen Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Er gräbt die Pistole aus, die er gemeinsam mit seinen Freunden versteckt hat, um Gino zu erschießen, während sich ein anderer Ultra um Ginos kleine Schwester Maria kümmern will, auf die er schon lange ein Auge geworfen hat. Wolf indes verfolgt ein sehr viel größeres Ziel. Er will das Asylantenheim von Ichtenhagen zerstören – mit Sprengstoff. Die Spirale aus Hass und Gewalt scheint nicht mehr aufzuhalten zu sein. Bemerkenswert an diesem Roman ist in erster Linie, dass nicht die Ermittler die erste Geige spielen, sondern die Neonazis im Mittelpunkt stehen. Der Autor hat in seinem Nachwort sehr anschaulich dargestellt wie er aufgrund seines Romans „Die Abschiebung“ angefeindet wurde und wie er mit jungen rechtsextremen Menschen in Kontakt geraten ist. Dieses Wissen ist in den vorliegendem Buch mit eingeflossen und zeigt die Jugendlichen Neonazis nicht nur von ihrer menschenverachtenden, gewalttätigen Seite, sondern berichtet auch von ihren Sorgen, Nöten und Ängsten. Häufig stammen Rechtsradikale nämlich aus sozial schwachen Familien und haben ihr Leben lang keine Anerkennung erfahren, keine Liebe und häufig Ablehnung. Viele Neonazis berichten von einem gestörten Vater-Sohn-Verhältnis, unaufgearbeiteten Konflikten, so dass sie für das rechtsradikale Gedankengut, das auch heute noch leider allzu oft politisch proklamiert wird, leicht empfänglich sind. Was ihnen zu Hause verwehrt wird, finden sie in der rechtsextremen Gemeinschaft: Zusammenhalt, Anerkennung und Selbstbewusstsein. Sie leben in einer von Gewalt geprägten Umwelt, in der das Recht des Stärkeren gilt. Den Opfern von Neonazis und rechtsextremen Faschisten hilft dieses Wissen allerdings wenig, vielmehr ist es ein verzweifelter Aufruf an die Politiker jungen Menschen Perspektiven zu bieten, Aufklärung zu betreiben und ihnen einen Platz in der Gesellschaft anzubieten. Die rechtsextreme Szene hat nicht zuletzt durch die deutsche Vereinigung einen enormen Zuwachs aus den neuen Bundesländern erhalten, wo viele Jugendliche desillusioniert zurückblieben, nachdem ihnen durch die Wende eine goldene Zukunft versprochen wurde. Bereits das erste Kapitel vermittelt einen eindringlichen Blick in das faschistische, radikale Gedankengut der Jugendlichen. „Samstags, wenn Krieg ist“ ist ein Buch, das nur in zweiter Linie der Unterhaltung dient. Priorität wird auf die Authentizität der Geschichte gelegt, in der Klaus-Peter Wolf viele Facetten des Phänomens anspricht. Es geht dabei längst nicht mehr um eine Gruppe von Jugendlichen, die auf Krawall aus sind, es geht auch um den Missbrauch leicht zu manipulierender Menschen durch Personen, die auf den ersten Blick respektabel und renommiert erscheinen. Im Roman eindrucksvoll verkörpert durch den Rechtsanwalt Knut Feddersen, der die Ultras als Handlanger und Schlägertrupp missbraucht. Die Szene mit den Beschattern der Bundespolizei wirkt auf den ersten Blick ein wenig deplatziert, passt aber letztendlich perfekt ins Bild und zeigt wie hilflos sie selbst gegenüber solchen Gruppierungen oft sind. Trotz der oben genannten Probleme der Neonazis muss auch klar sein, dass man vielen von ihnen nicht mehr helfen kann, da ihr Gedankengut bereits derart gefestigt und verknöchert ist, dass jede Hilfe vehement abgelehnt wird. Daher sollte ein Hauptanliegen sein, den Nachwuchs entsprechend zu schulen und durch umfassende Bildung und sittliche Reifung vor dem Zugriff rechtsradikaler Gruppen zu schützen. Auch dieses Problem wird im Roman thematisiert, wenn auch relativ kurz. Wolf und seine Kumpels sind Idole für Kinder und impfen ihnen kompromisslos ihre Ideologie und ihr Weltbild ein. Beängstigend ist vor allem wie einfach und schnell die Entwicklung einer solchen gewaltbereiten Gruppe funktioniert. Die Angst vor Ausgrenzung und der Wunsch nach Anerkennung sind dabei die größte Triebfeder, und schließlich bedarf es lediglich eines Anführers, der die Richtung vorgibt. Was im Kleinen immer wieder zu traurigen Schlagzeilen führt, ist leider im Großen nicht viel anders, wenn auch schwerer zu durchschauen. So leid es mir tut, „Samstags, wenn Krieg ist“ behält seine Aktualität bei und ist vor allem deshalb so beklemmend, weil die im Buch geschilderte Bedrohung absolut real ist. Was im herkömmlichen Kriminalroman oder Thriller geschildert wird sind bedauerliche Einzelschicksale oder Ausnahmefälle. Serienmörder sind in Wirklichkeit sehr viel seltener als uns (in erster Linie amerikanische) Schriftsteller und Filmemacher weismachen wollen. Von der Bedrohung durch kannibalische Hinterwäldler oder osteuropäische Folternetzwerke ganz zu schweigen. Doch die Gewalt basierend auf persönlichem Frust und extremen Ideologien ist alltäglich und findet jeden Tag direkt vor unserer Haustür statt. Gerade deshalb ist der vorliegende Roman so wichtig und sollte zur Pflichtlektüre an den Schulen werden – nicht nur in Hinsicht auf Faschismus und Rechtsextremismus, sondern allgemein in Hinsicht auf Gewalt und organisierten Terrors. Der eigentliche Kriminalfall, der Mord an einer jungen Frau, fast noch ein Mädchen, gerät dabei fast ins Hintertreffen, wird dem Leser aber durch die Ermittlungen der Kommissarin Vera Bilewski immer wieder in Erinnerung gerufen. ![]() LITERRA EMPFIEHLT
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