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16. Februar 2021

Der Gender-Wahnsinn

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Der Gender-Wahnsinn

Von Heiner Hug, 23.04.2017

Der Akademiker ist tot. Der Arbeiter auch. Und der Alkoholiker sowieso.

„Der Arzt“ – den gibt es nicht mehr. Wir sprechen von „die im ärztlichen Dienst stehende Person“. „Der Dolmetscher“ wird neu „die übersetzende Fachkraft“. „Der Komponist“ heisst jetzt „die kompositionstätige Person“.

Ein neuartiges Online-Lexikon sagt uns, wie wir korrekt sprechen müssen. „Geschickt Gendern“, heisst es, „das Genderwörterbuch“ *).

„Der Erzieher“ wird „die Erziehungskraft“. „Der Fahrer“ wird „der Fahrzeugführende“, der „Mitbewohner“ heisst neu „der Wohungsteilende“. „Der Autor“ wird zur „Autorenschaft“.

Will uns die Autorenschaft dieses Lexikons auf den Arm nehmen? Das fragt man sich, je länger man in dem Wörterbuch liest. Nein, sie will nicht.

Im Restaurant ruft man nicht mehr „Hallo Kellner, bitte zahlen“. Neu sagt man: „Hallo Servicekraft, ich möchte zahlen.“

Im Spital sagt man nicht mehr „Guten Tag, Krankenschwester“, man sagt: „Guten Tag, Beschäftigte in der Krankenpflege.“ Oder viel einfacher: „Guten Tag, Pflegefachkraft.“

„Der Athlet“ = „die sporttreibende Person“,
„der Busfahrer“ = „die busführende Person“,
„der Bearbeiter“ = „die den Vorgang betreuende Person“,
„die Musiker“ = „die Musikausübenden“,
„der Professor“ = „die eine Professur ausübende Person“,
„der Seemann“ = „die Hochseefachkraft“,
„der Filmstar“ = „die Filmberühmtheit“,
„der Journalist“ = „berichterstattende Person“.

„Muss das sein?“

„Der Arbeiter“ wird zur „Arbeitskraft“, „der Ausländer“ zur „Person mit anderer Staatsangehörigkeit“, „der Alkoholiker“ wird zum „Alkoholsüchtigen“; „die Nachbarn“ zu den „nebenan Wohnenden“, „der Beamte“ zur „beamteten Person“. Selbst die Christen und die Juden sind tot; das sind jetzt „Menschen christlichen oder jüdischen Glaubens“.

Auch den „Anfänger“ gibt es nicht mehr. Wir sprechen von „der Unerfahrene“. Und „der Freund“ wird abgeschafft, er heisst jetzt „der Herzensmensch“. „Die Absolventen“ sind „die einen Abschluss inhabenden Personen“.

„Muss das sein?“, fragt die schreibende Fachkraft dieses Lexikons. Ja, sie ist überzeugt, dass es so sein muss, denn:

„Werden nur Männer genannt, spiegelt sich das in unseren gedanklichen Vorstellungen wider. Das widerspricht oftmals der Realität, da sowohl Frauen und Männer in den meisten Bereichen unserer Gesellschaft präsent sind. Oft wird die maskuline Form geschrieben, die feminine nur mitgemeint. Texte richten sich aber fast immer an Frauen und Männer gleichermassen. Damit sich Frauen angesprochen fühlen, sollten sie auch explizit genannt werden.“

Deshalb „gendern“, also eine Sprache verwenden, die darauf abzielt, die Gleichstellung beider Geschlechter zum Ausdruck bringt. Dagegen hat wohl niemand etwas.

Nur: Das Lexikon zeigt, wie schwierig das ist. Die vorgeschlagenen Ausdrücke provozieren wegen ihrer Holprig- und Tollpatschigkeit wohl eher Lachausbrüche, als dass sie je in den Sprachgebrauch eingehen werden.

„Gendergerechte Sprache kann beim Schreiben wie Lesen elegant sein“, schreibt die Autorenschaft des Lexikons.

Elegant? Den Beweis dafür ist die Verantwortung tragende Fachkraft noch schuldig geblieben.

http://geschicktgendern.de/

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Ja, mit diesem Gender-Wahnsinn(-Lexikon) verlieren die Bezeichnungen, Titel, Namen, etc. ihre konstruktive, positive Energie und verkommen zu einem "Klumpen", einem "Nichts".

Da gibts nur eins: diesen Dschender-Wahnsinn ignorieren, bei den jahrhundertealten Menschenbezeichnungen bleiben. Noch ist Newspeak nicht obligatorisch. Allerdings finanzieren wir an Hochschulen Dschenderfachleute, warum eigentlich?

Manchmal gehen bei aller gendergerechten Beflissenheit einfache und elegante Lösungen vergessen. Dafür werden neue Wortungetüme geschaffen, die mit der Geschlechtsidentität gleich auch die menschliche Eigenschaft auslöschen. Bei einer Pflegefachfrau oder einem Pflegefachmann ist es immerhin klar, dass wir es mit Menschen zu tun haben. Die Pflegefachkraft könnte hingegen auch ein Roboter sein. Dabei gibt es einen alten, leider in Vergessenheit geratenen Plural, der geschlechtsneutral ist. Die "Leute" können sowohl männlich als auch weiblich sein. Also "Pflegefachleute", "Seeleute", "Kaufleute" und so weiter.

Sehr geehrter Herr Hug

Vielen Dank für Ihre heute erschienene Sprachakrobatik. Dieser unterhaltsame Gruss aus Absurdistan hat mir in der Seele wohlgetan.

Mit Interesse habe ich mir auch das von Ihnen zitierte Gender-Lexikon angesehen und dort das alphabetische Register stichprobeweise auf das hin geprüft, was mich speziell interessiert: Werden Straffällige immer korrekt männlich und weiblich benannt? Delinquenten wie Diebe, Betrüger, Geldwäscher, Brandstifter, Mörder usw. kommen dort (wie üblich in solchen Verhaltensregeln) nicht vor. Sind das nicht auch Menschen, obschon sie etwas auf dem Kerbholz haben? Haben sie nicht auch Anspruch auf «political correctness»? Nun ja, wo kämen wir da hin … «Mordende» statt Mörder, «Stehlende» statt Diebe usw. wäre ja wohl offensichtlich skurril. Diese Ausdrücke widersprächen, genau genommen, zudem der Tatsache, dass das jeweilige Delikt (gerichtlich festgestellt) schon Vergangenheit ist, womit das Partizip Präsens sachlich falsch wäre. – Komplizierte Welt, zumal ja die Medien in solchem Zusammenhang immer noch die Unschuldsvermutung herunterzubeten pflegen.

Ich freue mich auf weitere Artikel von Ihnen und grüsse sie freundlich

Ich fūhlte mich als Būrger tatsāchlich auch nie mitgemeint. Ich bin Būrgerin, Fussgāngerin oder gottweisswas. Aber die 'gendergerechte' Sprache klingt tatsāchlich auch grotesk. Es gibt sprachlich elegantere Wendungen, und im deutschschweizer Sprachgebrauch macht man das seit einiger Zeit auch ziemlich gekonnt.

Liebe Mitleser, ich werde noch konsequenter als bisher das generische Maskulinum und ausschliesslich dieses anwenden, wo immer es angebracht ist. Das ist die einzige mögliche Antwort auf den feministischen Kulturmarxismus.

Marxismus kann ich bei an Genderwahn Leidenden zwar nicht erkennen, nur Naivität, Ignoranz und schlechten Stil (und das ist ja auch nicht wenig), doch auch ich verwende ausser in Anreden bevorzugt die generische Form. In der sind die Frauen nämlich mitgemeint. Genau wie die Männer, und was es sonst noch an Gendern gibt. Und sie ist unschlagbar einfach und elegant.

Die Leidenden sind von den Tätern zu unterscheiden. Man will ja ja nicht negativ auffallen und schön konform sein. Aber Kulturmarxismus nach Gramsi und Marcuse ist die Fortsetzung von Marxens "Das Sein bestimmt das Bewusstsein" über die Sprache und Kultur. Mit anderen Worten: Politisch korrekte Sprache soll die konstruktivistische Sicht auf die Welt in die Praxis umsetzen und den angeblich emanzipationsfeindlichen biologischen Determinismus ausmerzen. Ist ja in den Köpfen weit gediehen, wird aber die Herzen nie erreichen. Am Ende wird jede Ideologie als Mythos entlarvt.

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