Employer Branding ist kein Personalmarketing
Auf Konferenzen, in Blogbeiträgen, Facebook-Posts oder Tweets – oft hört man zwei Begriffe in einem Atemzug genannt: die Rede ist von Employer Branding und Personalmarketing.
Das ist an sich alles wunderbar, wenn diese zwei Bezeichnungen nicht häufig synonym gebraucht würden. Da hat ein Unternehmen neue Karriere-Imageanzeigen entwickelt, ein anderes präsentiert seine Karrierewebseite und die Social-Media-Kanäle endlich in einer einheitlichen Optik samt eines gemeinsamen Mottos (was dann oft als Employer Value Proposition verkauft wird, aber das ist ein anderes Thema …), und schon redet alle Welt vom neuen Employer-Branding-Vorstoß bzw. Personalmarketing-Kampagne.
Ja, was denn nun? Personalmarketing oder Employer Branding? Oder beides? Aber warum dann zwei Wörter für eine Bedeutung?
Ein Blick in anerkannte wissenschaftliche Literatur könnte dabei schon helfen, die fundamentalen Unterschiede in der Bedeutung von Employer Branding und Personalmarketing zu erkennen. Wobei es auch hier Vertreter gibt, die Employer Branding als reines Modewort abtun und als hippen, neuen Begriff für Personalmarketing betrachten. Das gilt z.B. für Zaugg (2002, S.13-18), der unter Employer Branding nur Eines verstand: qualifiziertes Personal zu finden. Ganz genau genommen, ist das aber wiederum nicht (nur) Aufgabe des Personalmarketings, sondern hauptsächlich Sache des Recruitings bzw. in früheren Zeiten “Personalbeschaffung” genannt.
Die folgenden Ausführungen für Personalmarketing und Employer Branding sind übrigens meine persönliche Sichtweise, die sich für mich nach Durchsicht zahlreicher Quellen ergeben hat. Einen allgemein gültigen oder für meinen Arbeitgeber maßgeblichen Anspruch hat meine Darstellung deshalb nicht.
Was Personalmarketing ist:
Personalmarketing wurde in Deutschland erstmals von Schubart (1962) erwähnt (vgl. Reich, 1995, S.5; Schamberger, 2006, S.8). Er sah analog zum erläuterten Konzepttransfer Parallelen zwischen Produktmarketing und dem Personalbereich; daher auch der Begriff Personalmarketing – ein von der Etymologie her bisweilen irreführendes Wort. Denn weder das bestehende und schon gar nicht das zukünftige Personal werden „vermarktet“ (vgl. Staffelbach, 1987, S.127). Wenn von Vermarktung gesprochen werden kann, dann eher in Bezug auf die besetzten und offenen Arbeitsplätze innerhalb eines Unternehmens (vgl. Dincher, 2007, S.2; Lewandowski & Liebig, 2004, S.2). Teufer (1999, S.8) spricht in diesem Zusammenhang auch von „‚Arbeitsplatzmarketing’“. Beck (2008, S.10) wehrt sich vollständig gegen die Vermarktungsbegrifflichkeit. Vielmehr müsse ein Unternehmen versuchen, die Arbeitsplätze an gegenwärtige und zukünftige Mitarbeiter „zu ‚verkaufen’“. Grundsätzlich werden aus der Literatur drei Auffassungen ersichtlich: Die erste definiert Personalmarketing im engeren Sinne als operatives Mittel, um neue Mitarbeiter für das Unternehmen zu gewinnen. Der Schwerpunkt liegt demnach auf der externen Dimension. Personalmarketing nimmt schlicht die Aufgaben der Personalbeschaffung samt Personalwerbung bzw. des Recruitings ein.
Der zweite Ansatz fasst Personalmarketing weiter. Diesmal beinhaltet es auch operative Mittel, um bereits im Unternehmen tätige Personen zu motivieren, zu entwickeln und langfristig an den Arbeitgeber zu binden. Damit bekommt Personalmarketing ein internes Betätigungsfeld.
Die dritte Auslegung sieht im Personalmarketing einen operativ-strategischen Ansatz. Als Denk- und Handlungskonzept erstreckt er sich auf den gesamten Personalbereich, abgeleitet aus den allgemeinen Zielen des Marketings und den spezifischen Unternehmenszielen, welches interne und externe Aktivitäten einschließt (vgl. Beck, 2008, S.10; Reich 1992, S.19; Schwaab, 1991, S.8f).
Mit diesem Wissen lässt sich eine geeignete Begriffsauffassung bestimmen. In jeder Auslegung des Personalmarketings wird dessen handlungsorientierte Funktion betont. Dies scheint ein eindeutiges Charakteristikum zu sein – und damit ein maßgeblicher Unterschied zum Employer Branding. Besonders offensichtlich wird das operative Ausmaß im kommunikationspolitischen Bereich des Personalmarketing-Mix’.
Als großer Anhänger der Person-Organization-Fit-Theorien (zum P-O Fit hatte ich bei Jo Diercks Blog Recrutainment bereits ausführlicher geschrieben: Erfolgreiche HR-PR – eine Frage des Fits. Und unter dem Posting Stellenanzeigen – blog’ sie doch! gibt’s ein paar hilfreiche Links, für alle die sich rund um das Thema der Passung zwischen Individuum und Unternehmen interessieren.) bin ich der festen Überzeugung, dass ein auf Passung bemühtes Personalmarketing dringend die Werte bzw. beruflichen Wertvorstellungen der potenziellen Bewerber im Blick haben und auf allen Ebenen der Marketing-Aktivitäten darauf eingehen muss. Daran anknüpfend sei noch eine letzte Definition angefügt, die Personalmarketing genau unter diesen Gesichtspunkten betrachtet:
[Personalmarketing] setzt bei erkundeten oder vermuteten Wertorientierungen der Zielgruppe an und versucht, das Unternehmen an diese zu ‚verkaufen’, es für sie möglichst attraktiv zu machen“ (von Rosenstiel, Nerdinger, Spieß & Stengel, 1989, S.127).
Insofern kommt dem Personalmarketing in der Praxis hinsichtlich der Vermittlung zielgruppenrelevanter Attraktivitätsfaktoren über geeignete Kommunikationskanäle wie Imageanzeigen, (Mitarbeiter-)Zeitschriften, der Karrierehomepage, Messepräsenzen, Social Media etc. erhebliche Bedeutung zu.
Dennoch scheint heutzutage ein allein im Personalsektor verankertes strategisches Personalmarketing nicht zu genügen. Es selbst bedarf einer übergreifenden Strategie, die sich über alle Geschäftsbereiche erstreckt (vgl. Knoppik, 2008, S.16) – dem Employer Branding.
Was Employer Branding ist:
Die 2006 gegründete Deutsche Employer Branding Akademie (DEBA) führt eine auf der Theorie der Übertragung des Produkt- bzw. Unternehmensmarkenkonzeptes auf die Arbeitgebermarke aufbauende Definition des Employer Brandings an:
„Employer Branding ist die identitätsbasierte, intern wie extern wirksame Entwicklung und Positionierung eines Unternehmens als glaubwürdiger und attraktiver Arbeitgeber“ (DEBA, 2006).
Zwar hat auch das Employer Branding zum Ziel, intern wie extern als employer of choice zu gelten, doch soll dieser Gedanke, anders als im Personalmarketing, über alle Kommunikations- und Marketingwege des Unternehmens verbreitet werden, sich nicht allein auf den Personalbereich beschränken und fest im Management der Organisation verankert sein (vgl. Lloyd, 2002, S.64; Kriegler, 2008, S.15; Witte 2008, S.1). Damit nimmt Employer Branding die Funktion einer übergeordneten langfristig angelegten (Positionierungs-)Strategie ein, und ist folglich ein ganzheitlicher Ansatz zur Sicherung bzw. Steigerung der Arbeitgeberattraktivität eines Unternehmens. Es fängt nicht erst mit der Ansprache möglicher Bewerber gesuchter Zielgruppen an und hört nicht mit dem Austritt eines Mitarbeiters auf. Demnach ist Personalmarketing „nur“ ein ausführendes Element des Employer Brandings (vgl. Moroko & Uncles, 2008, S.171; Hienerwadel, 2008, S.18).
Auch das Konzept des Employer Brandings ist eng mit organisationalen und individuellen Werthaltungen verbunden, wie obige DEBA-Definition bereits durch den Hinweis auf die Unternehmensidentität zeigt. Noch deutlicher heben dies Lievens et al. (2007, S.48) hervor, indem sie als Ziel des Employer Brandings den „desirable employer“ sehen. Hiermit heben sie im Sinne von Kluckhohn (1951,nach von Rosenstiel & Stengel, 1987, S.34) die entscheidende Bedeutung von Wertorientierungen als unverzichtbare Orientierungsgrundlage eines erfolgreichen Employer Brandings hervor. Das bestärkt meine Auffassung zur Bedeutung des P-O Fits im Personalmarketing und Employer Branding.
Auf den Punkt gebracht bedeutet das: Personalmarketing ist ein Bündel an operativen Maßnahmen des Personalressorts zur Steigerung der Arbeitgeberattraktivität und gezielten Ansprache potenzieller Bewerbergruppen. Employer Branding dagegen ist ein Commitment des gesamten Unternehmens dazu, employer of choice zu werden. Employer Branding hat dabei die Funktion einer Strategie, nach der sich alle nach innen und außen kommunizierenden Abteilungen ausrichten, um eben genanntes Ziel zu erreichen.
Literatur:
Beck, C. (2008): Personalmarketing 2.0. Personalmarketing in der nächsten Stufe ist Präferenz-Management. In C. Beck (Hrsg.), Personalmarketing 2.0. Vom Employer Branding zum Recruiting. Köln: Luchterhand.
DEBA (2006): Definition Employer Branding [WWW Dokument]. Fassung vom 14. April 2007. Verfügbar unter: http://www.employerbranding.org/employerbranding.php?PHPSESSID=0ff2515254b95228ade88f12ab29c7e4 [Datum des Zugriffs: 15. März 2011].
Dincher, R. (2007): Personalmarketing und Personalbeschaffung. Einführung und Fallstudie zur Anforderungsanalyse und Personalakquisition (2. Auflage). In Forschungsstelle für Betriebsführung und Personalmanagement (Hrsg.), Schriftenreihe der Forschungsstelle für Betriebsführung und Personalmanagement (Band 6). Neuhofen/Pf.: Forschungsstelle für Betriebsführung und Personalmanagement.
Hinerwadel, B. (2008): Der Weg ist das Ziel. Personalwirtschaft. Magazin für Human Resources. Sonderheft Employer Branding, 8, 18-19.
Knoppik, S. (2008): Am Anfang steht die Trüffelsuche. Süddeutsche Zeitung Nr. 137. Arbeitgeberattraktivität. Sonderseiten der Süddeutschen Zeitung, 14./15. Juni 2008, 15- 16.
Kriegler, W.R. (2008): Auf der Suche nach Einzigartigkeit. Werben und Verkaufen Extra, 7, 14-15.
Lewandowski, A. & Liebig, C. (2004). Determinanten der Arbeitgeberwahl und Relevanz des Personalimages für die Bewerbungsabsicht. Mannheimer Beiträge zur Wirtschafts- und Organisationspsychologie, 19 (1), 15-28.
Lievens, F., van Hoye, G. & Anseel, F. (2007): Organizational identity and employer image: towards a unifying framework. British Journal of Management, 18, 45-59.
Lloyd, S. (2002): Branding from the inside out. BRW (Australische Ausgabe), 24, 64- 66.
Moroko, L. & Uncles, M.D. (2008): Characteristics of successful employer brands. The Journal of Brand Management: An International Journal, 16 (3), 160-175.
Reich, F. (1995): Personalmarketing im Straßengütertransportgewerbe. Arbeitgeberimage, Personalrekrutierungsstrategien und Sozialleistungsangebot. Wiesbaden: Deutscher Universitäts-Verlag.
von Rosenstiel, L., Nerdinger, F.W., Spieß, E. & Stengel, M. (1989): Führungsnachwuchs im Unternehmen. Wertkonflikte zwischen Individuum und Organisation. München: Beck.
von Rosenstiel, L. & Stengel, M. (1987): Identifikationskrise? Zum Engagement in betrieblichen Führungspositionen. Bern [u.a.]: Verlag Hans Huber.
Schamberger, I. (2006): Differenziertes Hochschulmarketing für High Potentials. In H. Hungenberg & G. Seliger (Hrsg.), Schriftenreihe des Instituts für Unternehmungsplanung (Band 43). Books on Demand.
Schwaab, M.O. (1991): Die Attraktivität deutscher Kreditinstitute bei Hochschulabsolventen. Eine empirische Untersuchung zum Personalmarketing. Stuttgart: Schäffer.
Staffelbach, B. (1987): Personal-Marketing. In E. Rühli & H.P. Wehrli (Hrsg.), Strategisches Marketing und Management (2. Auflage). Bern, Stuttgart: Haupt.
Teufer, S. (1999): Die Bedeutung des Arbeitgeberimages bei der Arbeitgeberwahl. Theoretische Analyse und empirische Untersuchung bei High Potentials. Wiesbaden: Deutscher Universitäts-Verlag, Wiesbaden: Gabler.
Witte, W. (2008): Employer Branding – Eine Investition mit hoher Rendite [WWW Dokument]. Verfügbar unter: www.competence- site.de/personalmarketing.nsf/…/$File/employer_branding_witte_perbit-software- gmbh_2008.pdf [Datum des Zugriffs: 05. Januar 2009].
Zaugg, R.J. (2002): Mit Profil am Arbeitsmarkt agieren. Employer-Branding. Personalwirtschaft, 2, 13-18.
Stellenanzeigen – blog’ sie doch!
Auf der alljährlichen Weihnachtsfeier für aktuelle und ehemalige Allianz Praktikanten sowie Keep-in-Touch-Förderpraktikanten hatte ich eine interessante Unterhaltung mit Gunnar Lübbe zum Thema – wer hätte es geahnt – Social Media. Dabei erzählte er mir von einem Artikel der US-amerianischen Kollegen von Monster. Sie schlagen vor, Stellenanzeigen nicht nur auf der eigenen Karriereseite und den traditionellen Online-Stellenbörsen zu veröffentlichen, sondern diese auch via Blogging-Tools wie WordPress oder blogger zu verbreiten.
Als Vorteile führt Matt Charney, Social Media Engagement Manager bei Monster, eine bessere Auffindbarkeit der Anzeige in Suchmaschinen und die Möglichkeit der Video-Integration an. Letzteres bildet den Schwerpunkt des Artikels. Charney schlägt vor, zusätzlich zum herkömmlichen Stellentext immer noch ein Video hinzuzufügen, das den Personaler/Recruiter im Gespräch mit dem zukünftigen Vorgesetzten zeigt.
Abseits des an sich schon interessanten und überlegenswerten Vorschlags fand ich eine Sache besonders bemerkenswert: DIE Begründung, weshalb man das dringend tun sollte. Das Video erfüllt den Zweck der Herstellung eines Person-Environment Fits (P-E Fit) – und das in zweifacher Hinsicht. Denn die Video-Informationen sollen …
… zum einen einen (Sympathie-)Abgleich zwischen potenziellem Mitarbeiter und Vorgesetzten ermöglichen,
… zum anderen einen Abgleich zwischen potenziellem Mitarbeiter und der Unternehmenskultur.
Ersteres entspräche im Sinne der Theorie der beruflichen Interessen von Holland (1985, 1997), der sich darin auf die Kongruenz zwischen Individuum und Umwelt fokussiert, und der Mehrdimensionalen Theorie des P-E Fits von Jansen und Kristof-Brown (2006), die den P-E Fit als Überbau mit fünf Dimensionen verstehen, dem Person-Person Fit (P-P Fit). Dieser zielt auf die Übereinstimmung zwischen Mitarbeiter und Chef auf der Fach- und Persönlichkeitsebene.
Letzteres entspräche dann konsequenterweise dem Person-Organization Fit (P-O Fit). Dieser zielt auf die Übereinstimmung zwischen Mitarbeiter und Unternehmen – und zwar ebenfalls auf persönlicher (z.B. gleiche/ähnliche Werthaltungen) und fachlicher Ebene. Wer mal in diese äußerst spannende Theoriewelt hineinschnuppern möchte, sei der Person-Organization Fit im Überblick-Post auf meinem Uralt-Blog ans Herz gelegt.
Von diesen theoretischen Überlegungen abgesehen, ergibt sich aus meiner Personalmarketing-Sicht heraus aber noch weit mehr praktischer Nutzen. Denn das Veröffentlichen von Stellenangeboten auf einem eigenen Corporate-Stellenbörsen-Blog hat folgende Vorteile:
- Dynamik – Über die Kommentarfunktion können sowohl Interessierte als auch Unternehmensvertreter (Recruiter, Mitarbeiter, Vorgesetzte) Fragen, Antworten, Meinungen oder auch Links zu bestehenden Xing-/LinkedIn-Profilen austauschen.
- Flexibilität – Änderungen im Anforderungsprofil, der Stellenbeschreibung, der Ansprechpartner etc. können mühelos umgesetzt werden.
- Kostenneutralität – gut, die Personalkosten bestehen natürlich schon, allerdings könnte ein Blog-Stellenportal für KMU eine kostengünstige Alternative zu SAP-Anwendungen sein.
- SEO – Anhand für Suchmaschinen optimierter Texte, Tags und Verlinkungen kann die Sichtbarkeit bei Google und Co. erhöht werden.
- Crossmedialität – Im Gegensatz zu i.d.R. statischen Karriereseiten können Videos, Fotogalerien oder auch das Einbinden des Career-Twitter-Streams oder des Facebook-Like-Buttons für diese Stellenanzeige leicht gehandhabt werden. Weiterer Vorteil: Ich kann das bestehende Video- oder Fotomaterial für meine anderen (Social Media-)Karriere-Plattformen (Karriereseite, Fanpage, YouTube-Channel usw.) nutzen und quer verlinken.
Ich bin gespannt, ob und falls ja, in welcher Form diese interessante Idee des alternativen Stellen-Postings von Unternehmen umgesetzt wird. Gerade für kleinere und mittelständische Unternehmen scheint mir diese Methode sehr geeignet – gerade auch weil hier die Entscheidungswege (Video-Freigaben usw.) kürzer sein dürften als in Großkonzernen.
Nachweise:
Holland, J.L (1997): Making vocational choices. A theory of vocational personalities and work environments (Third Edition). Lutz, FL: Psychological Assessment Resources.
Jansen, K.J. & Kristof-Brown, A. (2006): Toward a multidimensional theory of person-environment fit. Journal of Managerial Issues, 18 (2), 193-212.
Ein kleines Résumée & Ausblick

Social-Media-Résumée-2010, sxc.hu, mommyof9
Passend zum Advent und dem neuen Jahr, das sich am Horizont abzeichnet, habe ich mir vorgenommen, eine Art Résumée des Jahres 2010 mit Blick auf Social Media (Personal-)Marketing samt eines Ausblickes auf das zweifelsohne spannende Jahr 2011 zu wagen.
Leider verhinderten die viele Arbeit und mein gerade erst beendeter Urlaub diese Pläne. Umso froher war ich, als dass humancaps das für mich übernommen hat – zwar nicht in dem von mir geplanten Umfang und Ausmaß, aber dafür klein & fein.
3 Fragen, 3 Antworten – so kann man das Interview, erschienen auf dem bekannten Personalmarketingblog, am besten betiteln. Die drei Fragen waren:
- Wie war dein Jahr 2010?
- Welche Erwartungen hast du an das Jahr 2011?
- Welche Entwicklungen im Bereich Social Media siehst Du für das Jahr 2011 voraus?
Besonders spannend finde ich ja, ob das, was ich da von mir gegeben habe, bis Ende 2011 auch so eingetroffen ist. Aus zahlreichen “Was uns kommendes Jahr erwartet”-Berichten weiß ich, dass es häufig anders kommt als man denkt … :-)
So, genug geredet: Hier geht es zu dem besagten Advents-Special – Interview mit Dominik A. Hahn von der Allianz.
Gut fürs Personalmarketing – die neuen Facebook-Gruppen
Auf Karrieremessen und Praktikanten-Veranstaltungen höre ich es immer wieder: “Cool, ihr seid auf Facebook? Hm, aber dann könnt ihr ja alle meine Daten sehen, wenn ich euer Fan werde.” So oder so ähnlich schallt es immer wieder aus den Mündern von Studierenden und Absolventen.
Mal ganz davon abgesehen, dass man als Admin einer Facebook-Fanpage ohnehin nicht so viele Einblicke hat wie als “Freund” und man selbst anhand eines gut durchdachten Listen-Managements seine Privatsphäre bis ins Kleinste verwalten kann, wird eines deutlich: Die Zielgruppen sind in der Breite noch nicht so weit, mit Arbeitgebern über Social Networks/Media in den Austausch zu treten. Das zeigt nun auch deutlich die talential-Studie. Josef Buschbacher beschreibt dieses Factum in seinem Blogbeitrag Personalisierung des Unternehmens durch Social Media sehr schön:
Die Kommunikation mit einer Organisation ist für die meisten ein noch jüngeres Kind (…).
Das heißt für uns Personalmarketer: Wir müssen unseren Arbeitgeber persönlicher machen. Social Media als Kanal mit Bildchen und Videos genügen einfach nicht. Und auch wir müssen zugunsten unserer Kollegen aus anderen Fachbereichen, und zwar den, für die sich die Zielgruppen interessieren, in den Social Media zurücktreten.Da kommt die Einführung der neuen Facebook-Gruppen gerade recht:
- Je nach Fachbereich (z.B. Inhouse Consulting, Risikomanagement, Aktuariat etc.) könnte man eine entsprechende Gruppe gründen, in der sich potenzielle Bewerber mit Unternehmensvertretern aus genau diesen Bereichen regelmäßig austauschen.
- Der Austausch kann über “normale” Gruppenposts geschehen und/oder man richtet einen Jour-fixe-Chat ein; quasi eine Karriere-Beratung und Fachsimpelei mit Menschen, die eben genau in dem Job stecken, den ich als Umworbener evtl. anvisiere.
- Man könnte sogar soweit gehen, dass man die neue Kollaborations-Funktion über Docs nutzt, um gemeinsam an einer (fiktiven oder abgeänderten) aktuellen Arbeitsaufgabe zu werkeln. So kann ich als Arbeitgeber schon sehen, wer die benötigten Skills mitbringt – sowohl fachlich wie auch persönlich!
- Die Gruppen würden sich im Übrigen auch dazu eignen, bisherige Xing-Gruppen, mit denen Praktikanten-Gruppen verwaltet wurden, abzulösen und dort stattfinden zu lassen, wo die eigene Karriere-Fanpage ohnehin ist: auf Facebook.
- Und nicht zuletzt würden die Gruppen dazu beitragen, dem Unternehmen als “anonymes Konstrukt” ein bzw. mehrere Gesichter zu geben.
Es steckt also einiges an Potenzial in den neuen Facebook-Gruppen. Voraussetzung für die oben beschriebene Nutzung ist – wie so oft – eine fest verankerte “Social Media Kultur” innerhalb des Unternehmens und dem Verständnis über den Nutzen einer solchen Art des Personalmarketings bzw. Talent Relationship Managements.
Wer mehr über die neuen Facebook-Gruppen erfahren möchte, empfehle ich diese Beiträge:
Facebook als Attraktivitätsfaktor
Was mus ich als Unternehmen bieten, um bei meinen Zielgruppen als attraktiver Arbeitgeber zu gelten? Welche Faktoren spielen bei der Arbeitgeberwahl eine bzw. die entscheidende Rolle? Gibt es gar Knock-Out-Kriterien?
Fragen, die im Alltag eines Personalmarketers ebenso wichtig sind wie in der Wissenschaft – im Falle des Letzteren bereits seit mehr als 230 Jahren … Wer hierzu mehr lesen will, empfehle ich meine beiden Beiträge auf personalmarketingblog.de: Was Arbeitgeber attraktiv macht (Teil 1, Teil 2).
Klar, monetäre Aspekte, schnelle Aufstiegschancen oder ein gutes Arbeitsklima werden für potenzielle Bewerber voraussichtlich immer wichtig sein. Was bedeuten Attraktivitätsfaktoren jedoch auf einer Social-Media-Ebene? Robindro Ullah hat sich kürzlich ganz unbewusst diesem Aspekt genähert, indem er für sich festhielt, wie der HR-Manager 2.0 technisch ausgestattet sein muss (Recruiter 2.0 – mein neuer HR-Mitarbeiter).
Durch seinen Post und einen Artikel in der brand eins vom April 2010 (Die Eingeborenen) angeregt, wurde mir klar, dass Social Media nicht alleine ein Mittel sind, um unsere Zielgruppen anzusprechen. Nein, Social Media sind mittlerweile EIN GRUND geworden, sich für den einen und gegen einen anderen Arbeitgeber zu entscheiden. Ich zitiere aus dem erwähnten brand-eins-Artikel:
“Nein, ein Job, in dem sie (Anna; Anm. von mir) nicht privat online gehen dürfte, um sich mal schnell einen Tisch im Restaurant zu reservieren, das wäre schlicht ein ‘No-Go’.”
Unternehmen, deren Personalmarketing-Einheiten im Social Web aktiv sind, signalisieren dem potenziellen Bewerber bereits, dass Social Media keine Unbekannten sind. Doch hier lauert Gefahr: Zwar mag die (Personal-)Marketing- und von mir aus noch die PR-Abteilung zwitschern und facebooken, was ist aber mit all den anderen Einheiten im Unternehmen? Wie hält es der dortige Chef mit dem Social Web und der privaten Nutzung von Social-Media-Anwendungen?
Läuft man also als Arbeitgeber, der zum “Bewerberfang” sich zwar des Social Webs bedient, dasselbe jedoch noch nicht Einzug in die Unternehmenskultur gehalten hat oder noch nicht in Corporate Social Media Guidelines festgehalten wurde, nicht in Gefahr, falsche Erwartungen zu wecken? Da präsentiert man eine schöne Facebook-Fanpage und erklärt dann dem Neueinsteiger, dass er auf seinem Rechner nur IE 6 laufen hat, statt eines Bildbearbeitungsprogramms Paint benutzen soll und Adobe Professional nur die IT-Admins bekommen. Das passt nicht zusammen. Ganz zu schweigen vom Fakt, dass der Browser gewisse Facebook-Funktionen nicht unterstützt (z.B. Bild-/Video-Upload).
Noch ein Zitat aus dem brand-eins-Text:
“(Wir möchten) ortsunabhängiges Arbeiten, Räume für Spieltrieb, hohe Transparenz. Wir wollen wissen, welcher Kollege welche Visionen hat. Und wir wollen Mentoren statt Chefs.”
Wow, das klingt nach Google und weniger nach deutschen Dax-30-Konzernen … Es zeigt aber eines: Für die Mitarbeiter von morgen sind “lockere” IT-Richtlinien (oder gar keine?!), das berufliche wie private Nutzen von Social Media/Social Software und generell eine aktuelle Hardware-Ausstattung (Laptop, iPhone/Android …, alle Systemrechte usw.) echte Attraktivitätsfaktoren. Sie können bei der Wahl zwischen zwei oder mehreren Arbeitgebern – und die gesuchten High-Potentials haben i.d.R. diese Auswahl – den Ausschlag geben.
Wir sollten also aufpassen, mit Social Media nicht bloß die Unternehmensfassaden für die Außenwirkung zu streichen, sondern die “Farbe” auch im Unternehmen selbst zu verteilen.
Virals – Gimmick oder Mehrwert?
Nachdem in den vergangenen Tagen das wirklich gelungene Viral-Video von Tipp-Ex seinen Siegeszug durch Twitter und Facebook (und ungezählte Blogs) antrat, erinnerte ich mich wieder an das noch gar nicht so alte OTTO-Personalmarketing-Viral So schnell wird man Chef.
Ich finde beide Virals sehr gut gemacht, sie machen Spaß und bieten definitiv Anreize, diese zu verbreiten und darüber zu diskutieren (bei Tipp-Ex ist es die Suche nach den “Verben”, bei OTTO das Verwenden von Fotos von Freunden). Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass das Tipp-Ex-Viral in einigen Wochen dasselbe Schicksal zuteil wird wie dem OTTO-Viral. Es wird vergessen. Warum ich das glaube? Aus zwei Gründen:
- Ein Video bietet von Natur aus keine großen Interaktionsspielraum. Wenn dem so wäre, wäre es ein Video-Spiel.
- Es bietet für mich als potenziellen Bewerber (beim OTTO-Viral) schlicht keinen Mehrwert. Oder zumindest nur einen sehr eingeschränkten.
Aber ist es nicht so, dass das einer der großen Pluspunkte von Social Media (Personalmarketing) ist? Mehrwerte durch Interaktion, durch Austausch, durch Infos, die man sonst nur schwer bekommt, zu schaffen?
Natürlich ist das OTTO-Viral darauf ausgelegt, das Image des Traditionsunternehmens (als Arbeitgeber) aufzupolieren. Ich frage mich jedoch, ob hier das Verhältnis zwischen monetärer Aufwendung und Image-Effekt ausgewogen ist. Für lau wird das elbkind wohl nicht getan haben ;-)
Hätte man das Geld also vielleicht eher in eine mehr auf Dialog ausgelegte Social Media-Maßnahme investieren sollen? Oder in eine Maßnahme, die schlicht mehr vom Unternehmen, den Mitarbeitern, der Kultur von OTTO zeigt? Ich persönlich fände es zum Beispiel sehr cool, wenn man die Idee der Video in Print-Broschüre auf das Personalmarketing überträgt (trotz der Kritik des Basic Thinking-Blogkommentars …). Das geht dann schon in Richtung der Spannenden Jobs der Allianz. Da ist zwar auch kaum Interaktivität vorhanden, dafür bekommt der User – aus meiner Sicht – tatsächlich einen ersten guten Einblick ins Unternehmen.
Weshalb ich so skeptisch bin, erklärt sich vielleicht aus der Tatsache, dass ich oftmals von Studierenden (auf Messen oder in Communities) höre, dass die Informationssuche zu Arbeitgebern eben nur selten über Social Media geschieht. Viele haben die vielfältigen Bemühungen der deutschen Konzerne und Unternehmen noch gar nicht auf dem Schirm. Das heißt, wir müssen alle noch viel mehr Aufklärungsarbeit leisten.
Und dabei müssen wir uns einer Sache ernst annehmen: Den Zielgruppen vermitteln, dass für uns Social Media eben KEIN weiterer “Marketing-Kanal” ist, durch den wir geschönte Infos an potenzielle Bewerber herantragen; sondern Social Media für uns bedeutet, in einen ernsthaften und realistischen Austausch mit ihnen zu treten.
U-Bahn Personalmarketing
Ich fahre pro Tag ca. 45 Minuten U-Bahn. Diese Dreiviertelstunde vertreibe ich mir, indem ich ein Buch lese, Musik höre oder über die Arbeit grüble. Heute war (wieder mal) so ein Tag, an dem ich 1. kein Buch bei mir hatte (naja, ich hatte Luhmann Lektüren in der Tasche, was aber definitiv kein Buch für die U-Bahn ist. Ich brauche da mehr Ruhe …), 2. mein iPhone kurz davor war, seinen Geist aufzugeben und ich 3. absolut keine Lust hatte, mir über die Arbeit den Kopf zu zerbrechen.
Was also tun? Richtig, die U-Bahn-Werbung im Abteil anschauen. Nicht dass es mir nicht schon ein paar Mal aufgefallen wäre, aber heute war es nicht zu übersehen: Ich schätze, dass ca. 90 Prozent der gesamten Werbung in meinem Abteil dem Personalmarketing zuzurechnen war. Von folgenden Unternehmen waren solche “Poster” (oder wie nennt man diese länglichen Aufkleber?) zu sehen:
- ESG (“Karriere für Ingenieure @ ESG”)
- Commerzbank
- HypoVereinsbank (soweit ich mich erinnern kann mit einer Werbung für Azubis)
- Versicherungskammer Bayern
- Stadtwerke München (“Möchtest du wissen wie man aus H2O ein Ahhh und Ohhh macht” … oder so ähnlich).
Die restlichen zehn Prozent setzten sich aus Werbung für die FOM (Hochschule für Ökonomie und Management), einem Personaldienstleister und Reklame für den Orient zusammen.
Und was das nun mit Social Media zu tun hat? Nichts. Nicht mal der QR-Code, den man auf dem Poster der Stadtwerke München mit seinem iPhone abfotographieren konnte. By the way: Ein QR-Code in diesem Umfeld macht ungefähr so viel Sinn wie ein QR-Code auf einem Heißluftballon – nämlich keinen.
Dennoch: Gerade in Zeiten, in denen man als Personalmarketer das Gefühl hat, die Welt bestünde nur noch aus Social Media, würden morgen alle PDF-Lebensläufe, die die Bewerber zuvor über Facebook hochgeladen haben, mittels eines ständig dazulernenden Parsers in den unternehmenseigenen Talent-Pool in die richtigen Kategorien fließen oder man ohne iPad am Messestand schief angeguckt, tut so eine Beobachtung richtig gut.
Klassische Werbung. Ein schnittiges Bild. Ein einladender Spruch (Kompliment an die Stadtwerke – für jeden beworbenen Ausbildungsberuf gibt es einen eigenen. Der übergreifende Claim gefällt mir zudem auch: “Helden gesucht”). Eine (Internet-)Adresse. Aus die Maus. So einfach kann’s sein. Und es ist Print. Und es wirkt. Das beweist derzeit auch ERGO mit einer langsam schon penetrant wirkenden Plakat- und Litfaßsäulenwerbung. Apropos: Der Spruch mit den “grauen Herren” ist super. Wie viel Lizenzgebühr das wohl bei der VG Wort gekostet hat?
In diesem Sinne: Print ist nicht tot. Es lebt. Lasst es uns also sinnvoll mit Online- und Social Media-Maßnahmen für’s Personalmarketing nutzen!
P.S. Eines ist mir bei den Stadtwerken München aber ein Rätsel: Warum geht man auf der Karriereseite mit keinem Wort auf den “Helden gesucht”-Aufruf ein? Während die U-Bahn-Werbung ziemlich frisch und jugendlich daherkommt, wirkt die Karriereseite genauso wie ich sie mir im Vorfeld vorgestellt hatte: langweilig. Schade. Was aber auch bedeutet: Hier ist noch jede Menge Luft nach oben!