Buchaffine Blogbetreiber, die sich jeweils in Kurz-Interviews präsentieren, sprechen Blogempfehlungen aus, deren Betreiber wiederum eingeladen werden, sich den Fragen zu stellen. Das ist Ziel der losen Interview-Reihe „Steglitz stellt bibliophile Blogger vor“, deren Intentionen ich anderenorts detaillierter erläutert habe.
Die Empfehlung, dass wir den Buecherblogger hier etwas näher kennen lernen sollten, stammt von Gregor Keuschnig, der für das Begleitschreiben verantwortlich ist.
Dein Steckbrief in Stichworten …
Schon seit Jugendjahren beschäftige ich mich intensiv mit Literatur. Als Brotberuf war ich 30 Jahre lang Bibliothekssekretär. Ein Studium der Germanistik und Anglistik habe ich damals aus gesundheitlichen Gründen abgebrochen.
Seit wann, warum und wo bloggst du?
Ich blogge seit September 2009, zuerst auf „Windows Live Spaces“ und nachdem Microsoft diese Plattform eingestellt hatte, habe ich meinen Blog ab Mitte 2010 nach WordPress.com transferiert, wo es mir ganz gut gefällt.
Warum? Ebenfalls ein gesundheitlicher Grund, eine überstandene Lebertransplantation hat mich daran erinnert, mein Lesen und Schreiben einerseits als Verarbeitung und andererseits unter dem Aspekt des Teilens und der Kommunikation seitdem in der Form eines Literaturblogs zu betreiben.
Es ist mir wichtig, nicht nur andere Bücher zu rezensieren, sondern auch kurze eigene Erzählungen und Gedichte zu veröffentlichen, die etwas von meiner Befindlichkeit durchblicken lassen. Meine bisherige Prosa ist stark autobiographisch geprägt.
Deine Themenschwerpunkte …
Eindeutig belletristische Literatur mit dem Schwerpunkt Romane, aber auch vereinzelt Beiträge zu Musik und Spielfilmen oder auch zu Kunstausstellungen und Gemälden.
Was treibt dich in der Literaturszene, dem Literaturbetrieb derzeit besonders um?
Szene und Betrieb sind für mich keine positiv besetzten Begriffe. Abgesehen vom ganzen literarischen Universum interessiert mich eigentlich ganz egozentrisch nur das, was ich gerade lese und mein Interesse zu wecken versteht.
Wie machst du dein Blog und deine Beiträge bekannt?
Ich tauche in den Blogrolls anderer Literaturblogs auf, also in erster Linie durch eine Art virtuellen Flurfunk. Auf Facebook landen Verweise zu meinen Beiträgen, was aber kaum von Belang ist. Ansonsten wird man ja im Netz am besten durch Skandale oder das, was man dafür hält, bekannt.
Was sollte ein Blogger besser sein lassen?
Seine Identität komplett fingieren. Pseudonyme und Nicknames sind ok, Alter und Geschlecht nur vortäuschen nicht. Das Recht auf Anonymität kann auch zum Fluch werden.
Welche Hürden muss ein Blogger nehmen?
Man muss lernen, gegen das Gefühl der Vergeblichkeit anzuschreiben und sich nicht abhängig von der Zahl der Zugriffe oder dem Zwang zur laufenden Veröffentlichung zu machen. Von der Gier nach Anerkennung sollte man sich zugunsten der eigenen Souveränität befreien.
Dein schönstes Erlebnis als Blogger …
Meine Erfahrungen beim Bloggen sind zwiespältig. Intensiver engagiert und mit Gewinn was Besprechungen und Kommentare betrifft, habe ich mich in der Vergangenheit bei zwei Literaturblogs: www.wilde-leser.de, der sich mit Roberto Bolaños Werk beschäftigte und dem Literaturblog Aleatorik. Bei beiden fallen Licht und Schatten zusammen. Mit den wilden Lesern habe ich mich am Schluss sehr gestritten, auch persönlich verletzend, die Zusammenarbeit insgesamt war aber eine gute Erfahrung.
Mit der „Autorin“ des zweiten Blogs glaubte ich eine freundschaftliche Beziehung zu unterhalten, bis sich herausstellte, dass das komplette Weblog lediglich von einer Art weiblicher Kunstfigur betrieben wird, mit dem Ziel, letztlich das Buch eines männlichen Autors zu promoten. Für ein Buch lasse ich den poststrukturalistischen Ansatz vom Tod des Autors und der Text spräche nur für sich noch gelten, nicht aber für ein Weblog und dessen Betreiber, mit dem man direkt kommuniziert. Das Buch ist eine Sache, das Weblog mit seinen Kommentaren empfand ich als grobe Täuschung.
Das schönste Erlebnis allerdings sind die immer wieder auftauchenden, ermunternden Kommentare gewesen, vor allem zu meiner Reihe „Literarische Begegnungen“, sowie einige andere virtuelle Bekanntschaften.
Wie gehst du damit um, wenn dir Verlage, Agenturen oder Autoren Rezensionsexemplare anbieten?
Das kam bisher eher selten vor und wenn ergab es sich aus Beziehungen zu anderen Bloggern und Reaktionen auf meine Besprechungen. Einige Rezensionsexemplare bekam ich von dem kulturmaschinen-Verlag, von Guido Rohm, dem Du-Magazin und kürzlich vom dtv-Verlag Janet Frame´s: Dem nächsten Sommer entgegen. Üblicherweise suche ich mir selbst aus, was ich lese und zu welchem Buch ich etwas schreibe. Mein Blog ist nicht kommerziell und meine Meinung nicht käuflich.
Und wie würdest du damit umgehen, wenn dir Self-Publisher ihre Titel zur Rezension anbieten?
In der Regel stehe ich Selbstverlegtem, egal ob Print oder E-paper, was die Qualität betrifft, ziemlich skeptisch gegenüber. Das beträfe auch ein eigenes Werk. Allerdings ist der überwiegende Teil des Verlegten oft auch nicht besser und bloß marktgerecht herausgeputzt. Ich würde mich also nur damit befassen, wenn es mich vom Sprachniveau her anspricht und keinen allzu esoterischen Charakter hat. Sonst reagiere ich einfach nicht und eine dementsprechende Email landet als Werbung im elektronischen Papierkorb.
Wie hältst du es mit dem eBook?
Ich wünsche mir, dass das elektronische Publizieren und der herkömmliche Buchdruck sich gegenseitig befruchten und nicht ausschließen. Ein Medium ändert zwar auch die Kommunikationsformen, ist aber dennoch immer nur Transportmittel, eine Oberfläche, unter der es Gedanken und Träume zu entdecken gibt. Ich benutze bisher nur „Kindle für PC“. Generell steckt in Oberflächen leider auch viel Markt und Konsum.
Welche anderen Blogs empfiehlst du (max. 5). Und welcher bibliophile Blogger sollte in dieser Gesprächs-Reihe möglichst auch zu Wort kommen?
Wegen des Ungleichgewichts, das du in deinem ersten Resümee zur Gesprächsreihe konstatiertest, nur Frauen: Nämlich Gleisbauarbeiten, …wi[e]der[W]orte…, in|ad|ae|qu|at, muetzenfalterin und Tainted Talents. – Hier auch „zu Wort kommen“ sollte die auf immer hohem Niveau bloggende „Gleisbauarbeiterin“.
Danke sehr! Auch dafür, dass ein Blogger hier Bein zeigt …
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Zuletzt stelle sich Caterina mit SchöneSeiten vor. Ihre Wunsch-Interviewpartnerin war die Urheberin von Syn-aesthetisch. – Eine Übersicht, wer bereits alles Rede und Antwort stand, findet sich hier
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Es gibt in Deutschland nur ein richtiges Litblog, wie die Zeit schreibt: http://www.zeit.de/kultur/literatur/2012-11/literaturblogger-open-mike-wettlesen
Die Reihe hier kann also eingestellt werden.
*Wer die Ironie findet, darf sie behalten*
Danke, dass du den Artikel hier verlinkt hast, der heute ursprünglich im Berliner Tagesspiegel erschienen ist. Dass Zeit online das nun auch verbreitet, macht mich allerdings fassungslos. Schließlich ist der Beitrag ein hervorragendes Beispiel dafür, wie wenig bzw. schlecht Journalisten bisweilen recherchieren. Man hätte doch nur Google befragen müssen, um zu erkennen, dass hierzulande eine Menge mehr Menschen über Literatur bloggen als „fast nur die Britin Katy Derbyshire“. Ärgerlich sind aber noch andere Aussagen wie etwa dieses Zitat der Britin: „In Deutschland dagegen seien es vor allem die Fans minderklassiger Genreliteratur, die einander im Netz Inhaltsangaben und Kaufempfehlungen schrieben, vor allem aus den Bereichen Fantasy oder ‚Frauenliteratur‘. – Journalistische Sorgfalt beweist so jedenfalls nicht.
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Ich finde es sehr interessant, dass du die Anonymität ansprichst.
Ich bin als Zeichnerin und Autorin mit meinem vollen Namen und Atelier (Geschäfts-) Adresse im Netz.
Leider habe ich auch schlechte Erfahrungen mit fingierten Identitäten in meiner näheren Umgebung gemacht. Eine Frau hat hemmungslos im Account ihres Mannes geflirtet. Ich habe mich für sie geschämt und mir taten die ganzen „angebaggerten“ Frauen, die in ihrer Einsamkeit Hoffnung schöpften, leid. Ich konnte damit nicht umgehen und habe den Kontakt abgebrochen.
ja, ein sehr zweischneidiges ding, diese anonymität. ich blogge ja auch unter einem nick, da ich mal einer kleinen stalker-attacke zum ziel diente – wie gesagt, klein, aber es reichte mir völlig… wenn der kontakt „privater“ wird und ein gewisses grundvertrauen (?) da ist, gehe ich dann von der anonymität herunter… im i-net verliert man halt völlig die kontrolle über die daten, die dort einmal standen bzw stehen. und nicht nur über die daten.. jeder kann einen namen klauen, auf einer plattform einen blog aufmachen, der rechts/links/oben/unten/mitte-extrem ist und du bist schon der gear**te…. na ja, hat aber eigentlich nix mit dem gesine ihrem thema zu tun… 😉
Da hast du recht, die Identität im Netz zu stehlen, geht sehr schnell.
Bisher hatte ich nur einmal mit Telefonaten auf meinem Handy Probleme .
Dort kann man aber bestimmte Nummern sperren lassen.
ich meine wohl, lieber Flattersatz, dass auch dieser Aspekt eine Menge mit dem Thema zu tun hat. Dass uns die Probleme rund ums Bloggen umtreiben, haben ja die zahlreichen Kommentare zum Beitrag „Bloggen nach etiquetté“ erwiesen …
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