Serie Stadtteile
Zehn Gründe, warum du in Hötting wohnen solltest

6. In Hötting spielt der katholische Glaube noch eine Rolle!
Ist es ein Zufall, dass sich sowohl Priesterseminar als auch wichtige Abteilungen der Diözese Innsbruck in Hötting befinden? Wohl kaum. In Hötting spielen zeitgeistige Strömungen, die aber alsbald wieder vergehen werden, weniger Rolle als sonst wo in Innsbruck. Atheismus, Nihilismus oder Vergleichbares kennt man hier nur vom Hörensagen her. Der durchschnittliche Höttinger ist sich auch sicher, dass sich dieses neumodische Zeugs niemals durchsetzen wird. Und mit diesem Nihil-Irgendwas-Zeugs braucht man den Ureinwohnern ohnehin erst gar nicht zu kommen. In Hötting wird gefälligst höttingerisch geredet. Mit einem „K“, das noch härter als in anderen Stadtteilen in Innsbruck ausgesprochen wird.
Kein Wunder, denn in Hötting wird „K“ wie Katholizismus noch an allen Ecken und Enden gelebt. Der leidende Christus auf dem Weg zur alten Höttinger Kirche ermahnt einen daran, dass er auch für einen gestorben ist und man doch bitte sehr, wenn es halt leicht geht, sein Leben ein wenig ändern sollte und ein bisschen katholischer werden sollte. Möglicherweise liegt der Sinn von diesem „Mahnmal“ auch darin, sich ab dieser “Begegnung” sofort zum Theologie-Studium einzuschreiben und baldigst in das Priester-Seminar einzutreten.
Wenn es jemanden gelingt, für ordentlich viele Priester-Berufungen zu sorgen, dann der ganz speziellen Atmosphäre im tiefsten Hötting. Hier ist der gute, schöne und wahre Glaube noch zu Hause. Wer einmal ein paar Wochen in Hötting gelebt und seinen katholischen Glauben nicht wieder ausgegraben und wieder entdeckt hat, der hat nie wirklich geglaubt.
7. Die SPÖ-Hötting als Treffpunkt!
Für mich ist die SPÖ-Tirol ja vor allem eines: Ein etwas betagter Senioren-Verein für ehemalige Linke. Während im restlichen Innsbruck und in Tirol so getan wird, als ob es nicht so wäre, wird hier der tatsächliche Sachverhalt deutlich. Fortschrittliches Denken? Nicht mit uns! So werden die Treffen bei der SPÖ-Hötting, die sich immer schön von außen beobachten lassen, mehr und mehr zu einem Stammtisch mit Trink- und Rauchzwang. Das Publikum ist dabei schon etwas betagter. Was aber im Falle der SPÖ nur authentisch ist.
In Hötting wird die SPÖ-Tirol also quasi entzaubert und gezeigt, wie sie wirklich ist. Das ist überhaupt eine der Haupteigenschaften von Hötting: Hier ist es wurscht, wer du bist. Arzt, Hofrat oder Geisteswissenschaftler. Hier wird jeder Zugezogene mit dem gleichen Argwohn und mit der gleichen Distanz begrüßt und anfangs nicht mal gegrüßt.
Hötting ist eine riesige Gleichmachungs-Maschinerie, denn hier wird der zugezogene Akademiker und der Bauarbeiter in dieselbe Kategorie eingeordnet: „Nicht-Höttinger“. Das ändert sich auch über die Generationen nicht. Höttinger wird nur wer hier geboren ist, am besten per Hausgeburt. Möglicherweise kommt man auch über die Mitgliedschaft in der SPÖ-Hötting dazu, ein echter Hötting zu werden. Aber dieser Preis wäre mir dann doch deutlich zu hoch.
8. Café-Konditorei Großgasteiger – Internet und Kuchen
Noch bis vor ein paar Monaten stand gut sichtbar an der Tür dieser Konditorei: „NEU-NEU-NEU: Internet!“. Damit war der Damm gebrochen und das Internet hatte sich nach langer Zeit der kritischen Fragen, ob das auch wirklich sinnvoll sei, auch im Königreich durchgesetzt. Zum Glück musste man es deshalb noch lange nicht zuhause haben, dieses Teufelszeugs, das von so manchem in Hötting vielleicht noch kritisch beäugt wird. Warum brauche ich Internet, E-Mail und Chat wenn ich auch meinen Stammtisch und mein Bier haben kann? Gute Frage, denn auch mir fällt da ad hoc keine überzeugende Antwort ein.
Fürs erste lässt sich ja ein wenig in dieses “Neuland Internet” im Königreich hineinschnuppern. In dieser Konditorei, die übrigens ganz famose Kuchen und einen mehr als akzeptablen Kaffee zustande bringt. Da soll noch mal einer sagen, dass die Höttinger nicht die richtigen Prioritäten setzen. Kaffee, Bier, Gulasch, Schnitzel, Kartoffelsalat und vieles mehr. Alles Dinge, die gleich um ein paar Ecken sinnvoller als Internet & Co. sind. Der Höttinger ist halt gesellig. Lieber sitzt er mit einem Bier im Gastgarten des Glockengießers oder auch im Quasi-Gastgarten der Konditorei Großgasteiger. Denn früher noch als das Internet wurde hier im Königreich das zweite, dritte oder vierte Bier in Folge erfunden.
9. KAI – Kinder-Akademie-Innsbruck – Neumodische Strömungen mitten in Hötting!
Da sagt mir noch mal einer, dass es in Hötting keine progressiven Strömungen gäbe! In Hötting muss man seine Kinder nun wirklich nicht in eine ganz normale Volksschule stecken, sondern kann ihnen die Vorteile einer Privatschule angedeihen lassen. Ob die Höttinger eigentlich wissen, was da hinter den Mauern der KAI getrieben wird? Ich hörte von schlimmen Dinge wie Montessori und ähnlichem mehr. Hat hier gar der moderne Zeitgeist eine Institution übernommen?
Was ist mit den guten alten Werten in Hötting und den herkömmlichen, mündlich überlieferten Erziehungsmethoden und Unterrichtsmethoden, die ja auch bei unseren Vätern oder Großvätern hervorragend funktioniert haben? Wenn ich es mir recht überlege, dann möchte ich die KAI gar nicht erst erwähnen. Aber es muss dennoch erwähnt werden, dass es solche Abweichungen vom Höttinger-Konsens gibt. Leider.
10. Das Höttinger Bild – Wallfahrten leicht gemacht
Es passt zu Hötting wie die Faust aufs Auge: Eine Wallfahrt! Schließlich darf man nicht vergessen, dass in Hötting die Berge und die nächste Wanderung so nahe wie sonst fast nirgends in Innsbruck sind. Das Gute an der Sache: Eine Wallfahrt aufs Höttinger Bild klingt anstrengender, als sie tatsächlich ist.
Eine gute halbe Stunde und schon ist man am „Höttinger Bild“. Dort noch schnell ein Kerzerl angezündet, ein Vater-Unser gebetet und zackig „Maria breit den Mantel aus“ abgesungen – und schon kann es weiter zur Höttinger Alm gehen. Dort frönt man eher den leiblichen als den spirituellen Genüssen. Andererseits: Ist das in Hötting nicht vortrefflich symbiotisch vereint? Bier und beten. Das gehört in Hötting zusammen wie nur was.
Kurzum: Hötting ist nicht cool und wird es vermutlich auch nie werden. Aber Hötting ist echt! Manchmal echt und authentisch rückständig und ein bisschen borniert. Tatsächlich aber meist liebenswert. Echt jetzt. Denn hier weiß ich, wie es sich anfühlen wird, wenn ich in fünf Jahren aus dem Haus gehe. Ob ich Wilten dann noch wieder erkennen werde? Ob der Stadtteil sich vor lauter hip und angesagt dann nicht schon längst von “Rest-Innsbruck” abgespalten hat? Möglicherweise. Hötting hat aber gar nie wirklich zu Innsbruck gehört, weil Hötting eben eigen war und noch immer ist. Ein Königreich eben.
P.S.: Hötting war und ist so eigen und so anders, dass es bis vor wenige Jahre sogar ein eigenes Ortsschild (siehe Bild unten für diejenigen die es nicht glauben wollen) gab…
Als klassisch Zugezogener muss ich für Alt-Hötting wirklich eine Lanze brechen.
Ich hätte nie gedacht so schnell und so gut integriert zu werden. Im Höttinger Oberdorf war ich nach einem Jahr mehr integriert als nach zehn Jahren auf der Hungerburg. Hötting ist echt, mit allen Vor- und Nachteilen. Und ja, hier ist es wurscht ob Du Doktor, Mechaniker oder arbeitslos bist, hauptsach Du grüßt und hast Zeit für die Menschen um Dich herum und das ist herrlich!
Schade, dass ich 1999 noch keinen Artikel wie diesen lesen konnte, als ich von England in die Kirschentalgasse zog. Die übrigens ein bisschen ein Gegenbeispiel zur beschriebenen Beständigkeit ist. Die weißen Hochhäuser stehen noch nicht lange, und an der Ecke ist die Bankfiliale einem Sportgeschäft gewichen, also doch ein bisschen Wilten…
Jedenfalls ein sehr liebenswürdiger Text, der Lust macht auf einen Besuch. Mein Favorit ist übrigens der Teil über den Kindergarten.
Guat gschrieben hasch des, Markus!
sweet memories….war zwischen 93 und 96 in einer WG in der Bildgasse, und tatsächlich; zwischen 2 und 3 zu Fuß noch vom Bogen 13 heim zu latschen war tatsächlich eine sportliche Angelegenheit…damals gab’s noch einen Greißler in der Nähe und den Metzger in der Höttinger Gasse. Im Glockengießer war ich aber nur schnell Bier holen…;-)—schöner Artikel, Markus!
Leider wurde die “Höttinger Nudl” nicht erwähnt.
Wie heißt es schön? “Hötting ist ein Königreich, darum herum ist Öterreich”
Wunderschöner Beitrag.
dieser blog trifft den berühmten nagel auf den kopf. genauso isses. toller beitrag.