Schauplatz Innsbruck
Die Innsbrucker Drogenszene

Wir kommen auf das Loskommen von den Drogen zu sprechen. Von Kathrin weiß ich, dass zwar gute Programme da sind, aber dass die Betroffenen nur schwerlich Zugang zu Wohnungen und Jobs haben, und Rückfälle an der Tagesordnung sind. All diese Dinge würden den Übertritt in einen geregelten Alltag schwer machen. Armin meint, dass er das nicht so sieht; wenn man sich anstrengt, würde man gute Unterstützung von der Sozialhilfe erhalten.
Während unserem Gespräch vor dem KomFüDro beobachte ich die Passanten, die bei uns vorbeigehen, und versuche, zu einigen Augenkontakt aufzubauen. Es gelingt mir kaum. Ich frage Armin, ob er sich von der Gesellschaft ausgegrenzt fühlt; ob manchmal Passanten übergriffig würden. „Sicher gibt’s ein paar, die stehen bleiben und schreien: ‚Ihr Scheiß Giftler‘. Aber das geht bei mir da rein und da wieder raus.“ Armin nimmt diese Ablehnung sehr locker. Doch man erfährt die Ablehnung, auch wenn man wie ich nur wenig Zeit vor dem KomFüDro verbringt. Was sind die Motive dafür?
Passanten, die man darauf anspricht, reagieren auf die Frage, ob sie die Süchtigen stören und wenn ja, was an ihnen genau, teils sehr abwehrend oder sogar ungehalten. „Das ist doch logisch, die sind schlechte Vorbilder für die Kinder, die Spritzen, an denen man sich infizieren könnte. Außerdem sind sie aggressiv, sie stören, sie sollen das ‚woanders machen‘“ – das sind typische Aussagen. Aussagen, die aber selten im Konjunktiv formuliert sind; die Befragten sind sich mit ihrer Meinung recht sicher. Spannend ist aber, mit welcher Impulsivität oft auf meine Fragen reagiert wurde. Ich hatte oft den Eindruck, als hat sich so mancher durch meine Frage, warum diese Personen hier stören, in die Defensive gedrängt gefühlt, womöglich sogar ertappt. Es schien, als hätte ich an einer Art Tabu gerührt, als ich für die „Junkies“ dieselben Regeln einer rationalen Betrachtung einfordere, als für die „normalen Menschen“ auch.
Ich will von Rudi Federspiel wissen, was er über Drogensüchtige denkt. Federspiel ist Abgeordneter im Landtag für die FPÖ. Da er in den Medien des Öfteren eine strenge Law & Order Politik vertritt, denke ich, dass er für Drogensüchtige – und ich fragte ihn dabei explizit nach den Menschen vor dem KomFüDro – nicht viel übrig haben wird. Ich liege falsch. Drogenabhängige sind für ihn „arme Menschen“, denen man helfen muss. Er meint, er hätte schon einigen durch seine Kontakte geholfen, in Therapieprogramme aufgenommen zu werden, und kritisiert, dass es zu wenig Sozialarbeiter gibt.
Die Passanten auf der Straße sprechen von sich aus über den Zusammenhang von Drogen und Kriminalität, der unbestreitbar besteht, einfach schon deshalb, dass Drogen illegal sind und entsprechend illegal beschafft werden müssen. Rudi Federspiel kommt in unserem Telefonat nicht von selbst darauf zu sprechen. Ich frage ihn danach, und er meint, den Zusammenhang zwischen Drogen und Kriminalität sieht er nicht zwingend, sondern wird hauptsächlich durch Drogendealer zum Problem. In einem Bezirksblatt von 2014 formulierte er, die Exekutive habe, ganz allgemein, die Situation nicht mehr im Griff, was die ausufernde Kriminalität in Innsbruck anbelangt. Er bestätigt, dass sich dieser Zustand nicht wirklich verbessert habe. Die Polizei würde sich zwar bemühen, habe zu wenig Unterstützung von eigenen Offizieren, und zeige zu wenig Präsenz. Das neue Landespolizeigesetz bezeichnete er als „zahnlosen Tiger“, ein Kompromiss, der nichts bringt. Besonders die mobile Überwachungsgruppe MÜG brauche mehr Befugnisse, und bei Drogendealern müsse man härter durchgreifen.
Die beiden Experten für Sicherheit, mit denen ich gesprochen habe – Elmar Rizzoli vom städtischen Amt für Sicherheit und Martin Kirchler, Stadtpolizeikommandant von Innsbruck, sehen die Situation anders. Kirchler pocht darauf, dass die Polizei die Situation sehr gut im Griff hat. „Gemessen an dem, was in Innsbruck wirklich passiert, gibt es keinen Grund, in Innsbruck Angst zu haben“ meint Kirchler. Rizzoli meint, dass die vorhandenen Befugnisse – der MÜG einerseits und der Polizei andererseits –ausreichen würden. Es bestünden Probleme, aber sie würden – je nach politischem Lager – entweder aufgebläht oder klein geredet; die Wahrheit liegt für ihn in der Mitte.
Immer wenn ich an der erwähnten Ecke des KomFüDro vorbeikomme und in den Gesichtern der dort wartenden Menschen blicke, kommt ein bedrückendes Gefühl in mir auf. Nein, ich wünsche mir diese Menschen nicht weg. Nein, ich denunziere sie nicht. Es kommt ein Mitgefühl in mir hoch, als mir bewusst wird dass diese Menschen krank sind. Sie scheinen bemüht einen Ausweg aus ihrer Krankheit zu finden. Sie scheinen die Angebote einer akzeptierenden Drogenarbeit in Anspruch zu nehmen und somit Schritte auf dem Weg in eine neue Freiheit zu setzen. Eine drogenabhängige Person kann sich nämlich nie frei fühlen, denn sobald der “kick” nachlässt brennt das schmerzende Gefühl in einem bis zu einer erneuten Zufuhr einer bestimmten Substanz.
Ich wünsche mir eine vermehrt akzeptierende Drogenarbeit, eine Drogenpolitik die das Verständnis dafür aufbringt, dass drogensüchtige Menschen würdig behandelt gehören und ich wünsche mir eine Gesellschaft die an all dem einen konstruktiven Beitrag leistet und sei es nur, dass solche Menschen nicht als ein Übel unserer Gesellschaft gesehen werden, sondern als Menschen denen geholfen werden muss.