Schauplatz Innsbruck

Die Innsbrucker Drogenszene

Hat Innsbruck ein Drogenproblem und wenn ja, worin besteht es? Um diese Frage soll es im ersten Artikel dieser Reihe gehen, wobei ich mir anfangs nicht ganz sicher bin, ob man diese Frage überhaupt so stellen kann. Denn was bedeutet das, ein Problem mit Drogen? Was sind denn Drogen, und ab wann wird ein Problem zum Problem?

Aber was passiert nun wirklich in Innsbruck? Sind die Hot-Spots- wie der Bahnhof – gefährlicher? Und gibt es einen Zusammenhang zwischen Drogen und Kriminalität? Ja, sagt Rizzoli, es gibt die Hotspots und es gibt einen Zusammenhang. Aber besonders bei Bahnhöfen ist das kein Spezifikum von Innsbruck, sondern sie sind in vielen Städten für die Szene ein Anziehungspunkt. Kirchler betont, dass die Polizei in den letzten Monaten die Präsenz am Bahnhof massiv erhöht habe und dadurch die Szene am Bahnhof eigentlich zerschlagen wurde. Das bedeutet aber nicht, dass sie verschwunden ist, sondern sich nur verlagert hat; es sei, so auf meine Nachfrage, ein bisschen wie bei einem Katz-, und Maus Spiel.

Und wie viele Straftaten passieren in Innsbruck? „Etwa 16.000 Straftaten waren es 2004, bis 2010 ist die Zahl auf ca. 13.000 zurückgegangen. Seither ist wieder ein leichter Anstieg auf etwa 14.000 im Jahr 2014 festzustellen. Heuer ist der Trend wieder leicht rückläufig. Ein Teil dieser Straftaten, ca. 1.000 bis 2.000 pro Jahr sind jedoch Drogendelikte“. Drogendelikte sind, so Kirchler weiter, ein Kontrolldelikt, das heißt, die Anzahl der gemeldeten Verstöße hängt relativ direkt damit zusammen, wie viel von Seiten der Polizei kontrolliert wird und dabei liegt Innsbruck Österreichweit an der Spitze. Man darf daher nicht davon ausgehen, dass mehr Anzeigen automatisch bedeuten würden, dass mehr Drogen konsumiert werden: „Die Zahlen sind kein reales Abbild der Szene“. Kirchler ist es aber wichtig, mir im Detail die Kriminalitätsstatistik zu erläutern, denn aus ihr geht hervor, dass sie „alles andere als ansteigt“, wie er formuliert. Tatsächlich stagniert sie zwischen 2005 und 2014 mit ca. 14.000 Straftaten – bei zunehmender Bevölkerung in der Stadt. Auch Rizzoli meint, das nach seiner Erfahrung das subjektive Bedrohungspotential immer höher sein werde als objektiv dazu Berechtigung besteht. Federspiels Aussage, dass die Situation in Innsbruck eskalieren würde, trifft sich eher mit einem dumpfen Gefühl mancher Menschen, als mit den tatsächlichen Fakten.

Die letzte Viertelstunde meines Gespräches mit dem Stadtpolizeikommandant dreht dann mehr um die Frage, wie das Bild, wir würden in einer gefährdeten Stadt leben, denn entsteht. Dazu haben wir, wie sich zeigte, ähnliche Theorien – ein anderes Medienverhalten, insbesondere soziale Medien, eine komplexer werdende Gesellschaft, eine andere Bevölkerungszusammensetzung und andere soziologische Dinge. Obgleich das so nicht geplant war, bin ich in jeder einzelnen Unterhaltung, die ich im Rahmen dieser Recherchen geführt habe, früher oder später bei einer soziologischen Ursachenforschung gelandet. Das kann an mir liegen; doch vielleicht besteht ein Problem in unserem gesellschaftlichen Umgang mit Randphänomenen wie Drogen, das wir dazu neigen, komplexe Themen auf scheinbar klare Aussagen zu reduzieren zu wollen. Ob einfache Lösungen – wie sie der User in seinem Kommentar im Forum einer Tageszeitung vorgeschlagen hat – dann tatsächlich greifen? Oder ob wir uns daran gewöhnen sollten, dass die Zeiten der einfachen Lösungen vorbei sind, und sich normative Vorstellungen eines ganz normalen, gesitteten Lebens, das alle führen sollen, einfach nicht mehr verwirklichen lassen? Wenn das so wäre, müssten wir an Armin und seinen Kollegen ganz entspannt vorbei gehen können und sie so akzeptieren, wie sie sind. Doch diese Akzeptanz kann auch leicht in Teilnahmslosigkeit umfallen, zu einer Haltung, der das Schicksal von Menschen egal ist, die unsere Unterstützung dringend brauchen. Ein Weg zwischen Bevormundung, Akzeptanz und Anteilnahme: Er wirkt nicht nach einer einfachen Lösung. Wenn es dieser Weg sein soll.

Titelbild: Hannes Senfter
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