Leserkommentar

An die Fleischesser: fangt an Skizufahren, weil es eh schon WURSCHT is!

Folgender Text hat unsere Redaktion heute Mittag erreicht. Er wurde uns von einem Leser, als Reaktion auf die Kolumne "Der Oberhirte", zugeschickt. Das AFEU ist Online-Magazin mit Sinn für Meinung und Mut für Debatten. Aus diesem Grund freuen wir uns über solche (Leser-)Beitrage sehr und kommen der gewünschten Veröffentlichung gerne nach.

Leserkommentar von Harald Stoiber


Ich möchte mich jetzt schon entschuldigen, die nicht veganen Menschen als FleischesserInnen zu bezeichnen. Dies ist nur ein Momentum der Einfachheit in diesem Text, weil Ernährungsgewohnheiten nie schwarz oder weiß sind und es viele Abstufungen und Ideen gibt warum sich jemand wie ernährt und ich es verstehen kann, wenn sich jemand unter dem Begriff „FleischesserIn“ beleidigt fühlt. Ein herzliches „es tut mir leid“ an dieser Stelle.

Ich finde es passend, dass Sie den Begriff der Predigt gewählt haben, strotzt ihr Kommentar doch nur so vor Glaubenssätzen und Halbwahrheiten. Schade um die vielen getippselten Zeichen, die so zusammengestellt, relativ wenig Sinn ergeben, aber als Pamphlet sicher ganz tauglich sind.

Rauszulesen ist neben den Grant auf städtische Strukturen und urbanes Leben(sgefühl), auch eine Aversion gegen Bobos und (Pseudo-)Intellektuelle. Zu diesen Themen soll mensch stehen wie er oder sie das will, nur sollte dieser vorurteilsbehaftete Kleingeist nicht vom Thema “Veganismus” ablenken, worum sich ja der eigentliche Kommentar drehen sollte.

Deshalb hier ein paar Gedanken und Richtigstellungen:

1. Es gibt nicht DIE Veganen. Das ist ein Trugschluss. Es ist eine Mode, ja. Diese Mode wird gerade mit einem Lifestyle untermauert und wird nun auch noch Vermarktungs- sowie Verwertungslogiken unterzogen. Aber Veganismus gibt es schon sehr lange und ist schon immer eine Lebens- und Ernährungsweise. So wie jede Lebens- und Ernährungsweise gibt es zig Gründe, sich dafür oder dagegen zu entscheiden. Ich behaupte jetzt einmal viele entscheiden sich gar nicht aktiv, sondern reproduzieren erlerntes Verhalten. Der Prozentsatz jener, die sich aktiv um eine gewisse Entscheidungsqualität bemühen, ist – denke ich – eher gering. Veganismus ist zumindest eine Entscheidungskultur, wonach ich mein Leben bzw. meinen Konsum ausrichten möchte. Dafür gibt es aber unterschiedliche Beweggründe: der Trend, die Gesundheit (als eine Art Diät), das Tierwohl oder die Ökologie, etc.

Das wäre genauso wie dem/der FleischesserIn zu unterstellen, Fleisch zu essen, nur um Tierleid zu produzieren. Dies ist ja genauso falsch, zumindest will ich die FleischesserInnen nicht darauf reduzieren.

2. Wir haben also geklärt, dass es unterschiedliche Gründe gibt vegan zu sein. Das heißt, wenn es verschiedene Motivationen gibt, gibt es auch diverse Ansprüche, die mit dieser Lebensweise einhergehen. Jemand, dem es beim Veganismus, nur um Verbesserung seiner Vitalität und Gesundheit geht, wird nicht automatisch auf das Skifahren oder auf die konventionelle Nahrungsmittelproduktion verzichten, weil andere Ziele dahinter stehen als jene, die ihm/ihr von Seiten der FleischesserInnen unterstellt werden.

3. Neben dieser Aufklärungsarbeit, damit das über den Kamm scheren von VeganerInnen, endlich einmal beendet werden kann, die in Punkt 1 und 2 betrieben wird, muss ich aber noch auf das gezeichnete Bild eingehen, welches leider nicht ganz der Realität entspricht. Diese vorgespielte Idylle ist – glaube ich – ein Mitgrund, warum und wie sich viele Menschen ihre Kauf- und Ernährungsentscheidungen schön reden.

Personen mit Achtung vor der Natur und mit einem ökologischen Bewusstsein verzichten wirklich auf den Spaß Skizufahren oder sich jeder Kletterwand, wo auch immer, zu bedienen. Die Nachhaltigkeits- und Ökowerte von diversen Sportarten spotten jeder Beschreibung. Es ist Anfang November und der Großteil der Skiopenings Ende des Monats wackeln, weil es keinen Schnee gibt, also wird as soon as possible die Schneekanone angeworfen um tage- und nächtelang Kunstschnee zu produzieren, damit der Wintertourismus nicht gefährdet ist. Die Folgen sind uns vielleicht heute noch nicht bewusst, aber der Eingriff in die Natur ist merklich. Bergseen werden künstlich angelegt um genügend Wasservorräte für diese Verschwendung an Energie zu haben, Tausende Autos brettern in die Täler und verpesten die Luft. Des Geldes wegen für die Hoteliers und Wirtschaftstreibenden, als Gaudium für WintersportkonsumentInnen.

Die Vielfalt an Kräutern, Gräsern und Blumen ist nicht mehr gegeben und Mitschuld ist der Kuhdünger. Der Schwefelanteil im Boden wird durch den Mist überhöht, dadurch kann außer Gras nichts mehr gedeihen, die Vielfalt geht verloren. Die Bauern und Bäuerinnen haben mehr Mist als sie benötigen um ihre Felder zu bewirtschaften, deshalb werden die Wiesen tot gespritzt mit „Natürlichem“. Je höher mensch wandert, desto unberührter das Fleckchen Natur ist, und je weniger Kuhbelastung das Stückchen Almwiese ausgesetzt war, desto farbenfroher und diverser zeigt sich die Natur.

Die Bergbauern und Bergbäuerinnen leisten außerordentliche Arbeit, aber die Menschen gehen zum Billa, Spar und MPreis, kaufen Produkte, die industriell hergestellt wurden, wodurch der Anteil der Versorgung durch die BergbäuerInnen, bis auf die Milchzufuhr, wohl eher im unteren Prozentbereich anzusiedeln ist. Der Konsum ist eine Möglichkeit auszudrücken wie wir leben und worauf wir verzichten oder nicht verzichten wollen, solange aber im Einkaufswagen der Menschen Fertigpizza, Fertighamburger, Toastbrot, geschmackverstärkte Kinderjoghurt und bunte Zuckerl zu finden sind, wird sich auch hier nichts ändern.

Außerdem gebietet es der Anstand, auch über den Tiroler Tellerrand hinauszublicken und festzustellen, dass in Österreich, vorallem die Flächenländer Niederösterreich, Oberösterreich und Steiermark Mastbetriebe in den letzten Jahren hochgezogen und entwickelt haben, die wie Großindustriebetriebe funktionieren, die ganz Österreich (auch Tirol) mit industrieller Wurst und Fleisch versorgen. Weiters kaufen wir auch noch aus anderen Ländern Fleisch zu, weil der Konsum zu hoch ist um ihn mit österreichischem Fleisch zu decken. Bio, regional und fair (sowohl den Menschen als auch dem Tier gegenüber) ist diese Entwicklung sicher nicht.


DAS FAZIT


Der Feind ist nicht der vegane Mensch, sondern die (landwirtschaftliche) Großindustrie sowie deren politische Vertretung, die Kleinstrukturen und nachhaltige Unternehmungen verhindert, Ausbeutung von Tier und Boden begünstigt und den Konsum vereinheitlicht.

Ja. VeganerInnen, denen die Umwelt wichtig ist, verzichten bestimmt auch auf das Skifahren.
Ja. Bio, regional, saisonal ist bestimmt die umweltfreundlichste Kombination.
Ja. Vegan ist nicht immer bio.
Ja. Konsum und Ernährungsgewohnheit hinterfragen ist wichtig.
Und ja. Veganismus tut das auf vielfache Art und Weise.

Aber nein. Unser Fleisch ist größtenteils nicht bio und verursacht dadurch nicht nur Leid, sondern erhebliche Umweltfolgen.
Aber nein. Kühe befördern nicht den Pflanzenreichtum auf der Alm.
Aber nein. Skifahren ist bestimmt auch ohne BergbäuerInnen möglich, die Wirtschaft würde sich schon Möglichkeiten einfallen lassen, denn immerhin funktioniert Skifahren auch immer öfters ohne echten Schnee.
Aber nein. Als VeganerIn rette ich nicht die Welt.
Aber nein. Als FleischesserIn jedoch noch weniger.

Hier geht es direkt zum Artikel des Anstoßes: "Der Oberhirte" #1.
Artikelbild: (c) Rainer Sturm / Pixelio.de