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Poetik
Nichts scheint mir wichtiger
zu sein, als in der Phase der Konzeption die Frage zu
klären, an wen wende ich mich, an
Wahrnehmungsspezialisten oder an ein Publikum, das die
Wahrnehmung digitaler Techniken zunächst lernen muss.
Ich denke die Wahrnehmung digitaler Literatur muss erlernt
werden, wie vor etwas mehr als hundert Jahren, das
Wahrnehmen eines Film erlernt werden musste, die Technik des
Schnitts. (Andreas Louis Seyerlein)
innere
Bilder
Mit Kraftwerk haben wir
immer schöne Filmchen zu den Stücken gemacht. Auch
dies werde ich heute mit Yamo nicht mehr machen, weil dann,
genauso wie beim Lesen, die ganze Phantasie vorweggenommen
wird. Ich hab's von meiner Uroma gelernt, das Zuhören.
Die konnte vielleicht vorlesen! Da ist was passiert in
meinem Kopf, dass ich nachts oft nicht schlafen konnte, wenn
die Bilder mich verfolgt haben. Eigene Bilder! So soll es
sein. Bilder müssen selbst entstehen. Beim
Musikhören, wie beim Lesen. (Wolfgang
Flür)
Herausforderungen
Im notwendigen Teamwork von
GestalterInnen und TechnikerInnen: Text, Grafik, Foto,
Video, Sprache, Musik, Geräusche und Programmierung
müssen zueinander finden, brauchen eine gemeinsame
Regie und Dramaturgie. Filmmusik z.B. unterliegt eigenen
Gesetzen. (Martin Auer)
Kunstvolles Kodieren um des
entstandenen Kodes willen ist nicht mein Interesse. Ich
suche nach Anlässen und Zusammenhängen, in denen
es Sinn macht, sich einer neuen Textart zu bedienen. Dann
wird Interaktion in die Gesamtheit eines digitalen Werkes
einbezogen. Ich habe vielleicht am Schluss nur die
Schwierigkeit, es noch "Literatur" zu nennen. Es ist ein
Drahtseilakt, literarische Texte mit Interaktion zu
verweben, ohne den Text an sich zu opfern - für mich
immer die größte Herausforderung. (Stefan
Maskiewicz)
Gefahren
Natürlich sind die
vielfältigen Möglichkeiten faszinierend und
bereichernd, allerdings bergen diese aber auch die Gefahr,
sich im Medium zu verzetteln und Leere mit
Interaktivität zu tarnen. Mitunter wird durch das
Setzen vieler Links scheinbar Neues simuliert, oder es
werden Inhalte transportiert, die in keinem erkennbaren
Zusammenhang stehen. (Dorit Linke)
Der Programmierer neigt oft
dazu, die Grenzen des technisch Machbaren auszuloten und
auch auszunutzen - Programme voller überflüssiger
Zusatzfunktionen, die kein Mensch braucht, sind der beste
Zeuge. Damit besteht leicht die Gefahr der Versuchung,
digitale Kunstwerke mit technischen Spielereien zu
überladen, zu einer Leistungsschau der
Programmierfähigkeit herabzuwürdigen. Auch die
Multimedialität birgt die Gefahr, den Leser zu stark zu
lenken - präsentiert man parallel zum Text Bilder und
Klänge, erreicht man schnell den Punkt, wo man den
Leser der Möglichkeit eigener Assoziationen, des
eigenen "Filmes im Kopf", beraubt. (Heiko
Paulheim)
Die Chancen und auch die
Gefahren bestehen in der rasanten Entwicklung der
technischen Möglichkeiten. Wenn das Mithalten mit der
Technik wichtiger wird als das Inhaltliche oder wenn die
Technik nur benutzt, aber nicht mit ihr gearbeitet wird,
dann bringt das die Internetliteratur nicht weiter. Flash
ist ein gutes Beispiel. Die Bild- bzw. Filmgestaltung muss
eine andere als illustrierende Funktion haben. (Odile
Endres)
Produktion
Für mich speziell sind
die beiden Prozesse (Verfassen eines Textes und Installation
seiner digitalen Version) immer noch und weiterhin zwei
verschiedene Dinge, die beinahe nichts miteinander gemein
haben, beide jedoch vollkommen andere Herausforderungen
bedeuten: Beim Schreiben einer Erzählung suchst du nach
dem passenden Wort, beim Umsetzen am Rechner nach dem
geeigneten Javascript. (Michael Kaiser)
Als wesentliche
Voraussetzungen für ein gemeinsames, synergetisches
Projekt (nicht im Verständnis einer lediglich additiven
Kollaboration) erwiesen sich: eine gute Regie; ein
ähnliches Gleichmaß der Differenzierung;
kommunizierbare ästhetische Auffassungen, die in
abgestimmte Durchführungen münden. Sind diese
Voraussetzungen nicht vorhanden oder gibt es keinen Konsens,
setzen elementare Probleme ein, die auch zu schwächeren
ästhetischen Lösungen führen.
[
] Die Arbeitsteilung bzw. Abhängigkeit
von Programmierern allerdings könnte problematisch
werden, wenn diese nicht den Ehrgeiz haben, sich als
erstklassige Handwerker einzusetzen, sondern sich als
Künstler verstehen (Ursula Menzer)
Rezeption
Digitale Literatur darf
nicht nur auf den Computerseiten der Zeitungen zu finden
sein, sondern sollte ihren Platz im Feuilleton haben. Die
Werke müssen als "Literatur" und nicht in erster Linie
als "digital" wahrgenommen werden. (Melanie
Schön)
Wichtig wäre, die
Bedeutung hochklassiger, digitalisierter Literatur für
Fördereinrichtungen, Stiftungen, Verlage,
Vermittlungsinstanzen etc. zu verdeutlichen, bevor die
Verramschung der Poesie das Medium Internet für dieses
Genre diskreditiert. Vielleicht ist das Netz aber generell
eher ein Medium, das zu Trash tendiert. Das wird sich
zeigen. (Ursula Menzer)
Zukunft
Digitale Literatur hat eine
spannende Zukunft vor sich. Da bin ich sicher. Nicht nur
deshalb, weil Generationen heranwachsen, die, wenn
überhaupt, Literatur weitgehend über das
elektrische Medium des Computers wahrnehmen werden.
Generationen vor allem, deren Wahrnehmung der Welt sehr
stark von der Möglichkeit der Simulation geprägt
sein wird - womit man spielen kann, ist interessant, was man
verändern, zusammensetzen, manipulieren kann, ist
spannend, wenn ich etwas selbst zusammenbauen kann und
erforschen, ist das <mega-in>. Hier bietet sich eine
Chance für interaktive Literatur, Literatur, die
unterschiedliche mediale Konzepte zusammenführt. Hier
ist aber auch die Gefahr verankert, dass eigentliche
Geschichten, Stories, Inhalte, narrative Zusammenhänge,
verschwinden oder so unbedeutend werden, dass die Definition
des Objektes als <Literatur> zu hinterfragen
wäre. Ich sehe die Gefahr, dass Sprache, sprachlicher
Ausdruck hinter Bewegung, hinter bewegten Bildern
vollständig verschwinden wird, dass also das Kino im
World Wide Web zum Standart werden wird. (Andreas Louis
Seyerlein)
Die digitale Literatur wird
sich etablieren. Die technischen Möglichkeiten sind
vorhanden und der unbändige Gestaltungswille einer
ganzen Generation, der sich bisher noch vornehmlich in
bunten Webseiten austobt, wird beizeiten neue
Betätigungsfelder suchen. (Julius Raabe)
Die Zukunft digitaler Kunst
sehe ich nicht so sehr bei uns Webliteraten. Eher bei
Adventure Games und Wirtschaftssimulationen. Ich glaube,
dass die Kunst der Zukunft sich mit komplexen
gesellschaftlichen Vorgängen befassen wird. Jedenfalls
meine ich, dass sie das sollte. Ich wünsche mir zum
Beispiel eine spannende, unterhaltsame
Wirtschaftssimulation, die sich mit den durch die
Globalisierung aufgeworfenen Fragen auseinandersetzt.
Derartiges kann ein einzelner Digitalliterat mit dem
bisschen Hypertext und Flash, das unsereins so beherscht,
natürlich nicht leisten. Solche Projekte brauchen
Teamarbeit und Produktionskapital ähnlich wie Filme.
(Martin Auer)
Die Zukunft der digitalen
Literatur allgemein sehe ich eher in der Nähe des
digitalen, "interaktiven" Kinos oder bei Games oder
Simulationen, auch wenn es mir widerstrebt, so etwas
zuzugeben, da sich diese Formen von der Literatur doch sehr
entfernen, und außerdem Produktionsbudgets erfordern,
von denen gemeine LiteratInnen nur träumen können.
Vielleicht lassen sich diese Tendenzen subversiv
unterwandern, entgegensteuern, mit Netzliteratur, so wie
Romane ja auch parallel zu Kinofilmen existieren
können. (Nika Bertram)
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