Neuen Kommentar schreiben

Lukas Valtin,

Liebe Kristina,

Erst einmal: Schön, dass du dich so ausführlich mit der Ausgabe und unserem Artikel zum Begriff und Konzept des Prekariates auseinandersetzt!

Ich verstehe dein Unbehagen (der Text ist ja auch ein Stück weit eine Polemik) – allerdings ist deine Darstellung unserer Argumentation (verständlicherweise) etwas verkürzt, und nur so kannst du zu dem verzerrenden Urteil »makaber« kommen.

In dem Essay geht es ja nicht nur um Prekarität und ihr Verhältnis zur Kunstproduktion, sondern er beinhaltet auch die Forderung, allgemein ein neues Verhältnis zu dieser Prekarität zu entwickeln, die, mit etwas Abstand und nüchtern betrachtet, eben heutzutage in Deutschland hauptsächlich psychologisch wirkt und Existenzen nicht im eigentlichen Sinne bedroht. LEBENSSTANDARDS hingegen bedroht sie vielleicht schon. Aber das ist eben etwas anderes.

Im Text gibt es das Plädoyer für ein neues Verhältnis zur Arbeit, das nicht (zwangsläufig, so wie es momentan der Fall ist) den sozialen Status des Berufes und/oder die Höhe des bezogenen Einkommens als Kern unserer (sozialen) Identität etabliert (an dieser Stelle kommt das Marx-Zitat ins Spiel). Impliziert ist also auch ein Plädoyer für weniger Angst vor sozialem Abstieg. Ein entspannteres Verhältnis zur Arbeit also, weniger sozial-psychologischer Druck beim Thema Arbeit und der Jobwahl.

Frei würden im Idealfall natürlich auch zeitliche Ressourcen – natürlich stellen wir uns eben keine 40-Stunden-Woche vor (wie du am Ende deines Absatzes zum Text schreibst – wie kommst du darauf?). Vielleicht eine 24-Stunden-Woche, aber KEINE, bei der einem die Arbeit eigentlich permanent im Kopf herumschwirrt und man den Rest der Zeit damit beschäftigt ist, sich die soziale Berechtigung zu erarbeiten, diesen prestigereichen Job überhaupt ausüben zu dürfen.

Frei – BEFREIT – würden also zeitliche und v.a. auch geistige Kapazitäten, die jede*r nutzen könnte, wie er*sie wollte. Eben AUCH für Kunst. In mehrerlei Hinsicht UNABHÄNGIGE Kunst.

Jaja… es ist eine Utopie. Mehr Utopie wagen!

Mit den besten Grüßen
Lukas

PS: Der Text unterstreicht außerdem, dass der Kampf für bessere und gerechtere Arbeitsverhältnisse natürlich sehr wichtig ist. Er soll auch gar nicht aufgegeben werden, Wohlstandsgejammer unter der Flagge des Begriffes »Prekariat« ist allerdings nicht der richtige Weg, wie der Artikel, u.a. mithilfe einer Fokuserweiterung über die heutige Zeit und westliche Länder hinaus, darzulegen versucht. Auch hier ist deine Wiedergabe etwas verkürzt/verzerrt.