Mongolei Stadt – Interview mit Gantuya Badamgarav
Gantuya Badamgarav ist die Gründerin der 976 Art Gallery in Ulaanbaatar. Als Direktorin von MCASA (Mongolian Contemporary Art Support Association) hat sie die erstmalige Teilnahme der Mongolei auf der 56. Kunstbiennale in Venedig initiiert. Gantuya hat Volkswirtschaft in Sankt Petersburg studiert und war bis vor drei Jahren als Beraterin von internationalen Organisationen sowie in leitenden Managementpositionen tätig. Als Schülerin hat sie die Mongolei bei der Mathematik-Olympiade vertreten.
Ein Gespräch über zeitgenössische Kunst in der Mongolei und den ersten Mongolischen Pavillon in der Geschichte der Venedig-Biennale.
1. Viel zu besprechen
S.: Für die Gründung der 976 Art Gallery vor drei Jahren haben Sie auf einen gut bezahlten Managementjob verzichtet. Warum?
G.: Ich hatte eigentlich nicht vor, eine Galerie aufzumachen. Aber ich habe mich schon immer sehr für Kunst interessiert und fand, dass es sehr talentierte junge mongolische Künstler gibt, die es verdienen, besser präsentiert zu werden.
Dann kam ein Anruf von einem früheren Arbeitgeber. Sie wollten eine Galerie eröffnen und haben mich gefragt, ob ich sie nicht dabei beraten könnte. Ich hatte eigentlich keine Erfahrungen in dem Bereich. Aber sie wussten von meinem Interesse für Kunst und sind einfach davon ausgegangen, dass ich das hinkriege.
Ich habe zugestimmt. Und wenig später haben sie gesagt: „Sieht aus, als wäre das ziemlich kompliziert! Willst du die Galerie nicht komplett managen? Wir investieren und du wirst am Gewinn beteiligt.“ Ich hatte zu dieser Zeit gerade ein interessantes Jobangebot. Aber dann habe ich gedacht, ich riskiere nichts, vielleicht sollte ich es versuchen.
S.: Das war Anfang 2012. Wenige Monate später, im April, öffnete bereits die Galerie.
G.: Ja. Und binnen zwei Monaten nach der Eröffnung habe ich mehrere Dinge verstanden. Erstens: Das ist kein Business. Wir hatten in zwei Monaten keinerlei Umsatz gemacht. Zweitens: Ich werde trotzdem nicht aussteigen. Denn dafür hat mir die Arbeit im Kunstbereich bereits zu viel bedeutet nach der kurzen Zeit. Drittens: Zeitgenössische Kunst in der Mongolei braucht Unterstützung.
S.: Die Investoren haben Sie machen lassen?
G.: Nein. Vier Monate nach Eröffnung der Galerie haben die Besitzer gesagt: „Unter diesen Konditionen geht es nicht weiter. Die Galerie wirft keine Gewinne ab. Wenn du weitermachen willst, musst du die Miete für die Galerie zahlen und das Risiko selber tragen.“
Ich habe zugestimmt. Bloß einen nachfrageorientierten Kunsthandel zu betreiben, hat mich nicht interessiert. Ich wollte konzeptbasierte Ausstellungen machen und mit zeitgenössischen mongolischen Künstlern arbeiten, auch wenn sie nicht bekannt sind, auch wenn sie sich nicht gut verkaufen.
Also haben wir die Kooperation beendet und ich habe MCASA gegründet, eine NGO zur Förderung der zeitgenössischen mongolischen Kunst. Außerdem haben wir der Galerie eine nicht-profitorientierte Ausrichtung gegeben. Wenn die Galerie Gewinne macht, gehen diese ebenfalls an MCASA.
S.: Drei Jahre nach ihrer Eröffnung ist 976 die wichtigste Galerie für zeitgenössische mongolische Kunst in Ulaanbaatar. Der Umzug der Galerie in die neuen Räume am zentralen Sukhbaatar Platz hat dabei eine wichtige Rolle gespielt.
G.: Ja. Die Galerie war zunächst in einem großen Einkaufszentrum untergebracht. Es hat mir dort von Anfang an nicht besonders gefallen, aber es war wahrscheinlich die günstigste Lösung für die Investoren. Die Fläche war groß und die Decke hoch, aber konzeptuell hat das nicht gut zusammen gepasst. Kunst braucht eine konzentriertere Umgebung.
Nach der Auflösung der Kooperation haben wir gleich mit der Suche nach einem geeigneteren Raum begonnen. Es hat ein Jahr gedauert, aber schließlich haben wir etwas gefunden. Die Ausstellungsfläche hier ist nur halb so groß wie vorher, aber wir sind trotzdem froh, jetzt hier zu sein. Der Umzug war auch finanziell eine Herausforderung. Wir kämpfen die ganze Zeit, aber wir überleben.
S.: 976 zeigt vor allem junge KünstlerInnen, die ihre Ausbildung nach dem gesellschaftlichen Umbruch von 1990 durchlaufen haben – aber nicht ausschließlich. Sehen Sie bestimmte Trends oder Themen, die die zeitgenössische mongolische Kunst insgesamt ausmachen?
G.: Wir arbeiten mit Künstlern sehr unterschiedlicher Ausrichtung zusammen. Was für uns zählt ist letztlich die Qualität der Arbeiten. Etwa siebzig Prozent unserer Ausstellungen sind jungen, konzeptuell arbeitenden Künstlern gewidmet. Wir zeigen aber auch Arbeiten von bereits etablierten Künstlern. Das hilft nicht zuletzt, das Überleben der Galerie zu sichern.
Wenn Sie mich nach bestimmten Inhalten fragen – schwer zu sagen. Als Galerie haben wir thematisch keinen besonderen Fokus. Auf die eine oder andere Weise spiegeln sich in vielen Arbeiten die Probleme, vor der wir als Gesellschaft insgesamt stehen. Umwelt, Geschichte und Identität sind Themen. Aber das lässt sich nicht verallgemeinern. Letztlich sind wir alle Menschen, wir haben viel zu besprechen.
2. Mongolischer Pavillon
S.: Kommen wir zur Biennale. Die Mongolei wird dieses Jahr zum ersten Mal überhaupt mit einem eigenen Pavillon in Venedig vertreten sein. Wie wurden die Künstler ausgewählt?
G.: Es gab einen Open Call. Bewertet wurden alle Materialen dann von einem elfköpfigen Auswahlkomitee: Fünf mongolische Kunstexperten und sechs internationale Berater, bei denen es uns vor allem ihre Vernetzung ankam. Die beiden Künstler mit den besten Ergebnissen waren T. Enkhbold und Unen Enkh.
S.: T. Enkhbold wurde 1978 auf dem Land geboren, bevor er 1997 zum Kunststudium in die Hauptstadt kam. Er hat an verschiedenen Residenzprogrammen in Europa teilgenommen und später selbst an der Kunstuniversität in Ulaanbaatar unterrichtet. Unen Enkh, Jahrgang 1958, hat in Prag und Budapest studiert. Er lebt und arbeitet seit 1988 in Freiburg. Was zeichnet die Arbeiten der beiden aus?
G.: Es gibt viele Gemeinsamkeiten. Beide Künstler arbeiten mit Materialien, die sich in einer nomadischen Umgebung finden: Filz, Holz, Dung, Draht, und thematisieren damit die Ursprünge der Mongolei als nomadische Gesellschaft. Man spürt bei beiden eine große Verbundenheit mit dem Land. Auch bei Unen Enkh, der ja seit vielen Jahren in Europa lebt.
Andererseits unterscheiden sie sich hinsichtlich der Disziplin, in der sie arbeiten. Im Pavillon werden Installationen von beiden Künstlern präsentiert. Bei Enkhbold liegt der Schwerpunkt jedoch auf seinen Performances, mit denen er an verschiedenen Stellen im Stadtraum zu sehen sein wird.
S.: Die Teilnahme an dem Event Biennale ist, abgesehen von dem organisatorischen Aufwand, auch mit hohen Kosten verbunden. In einem Video, mit dem MCASA das Projekt vorstellt und um Unterstützung wirbt, wird das Budget für Reisekosten, den Transport und die Versicherung der Kunstwerke sowie die Anmietung des Pavillons etc. auf 400.000 Dollar beziffert.
G.: Ja. Der allergrößte Teil wird von Firmen und privaten Sponsoren getragen. Trotzdem war die Finanzierung bis zum letzten Tag sehr schwierig. Wahrscheinlich war die Mongolei das Land, das als letztes seinen Pavillon anmieten konnte.
S.: Wie sieht der Pavillon aus?
G.: Die Ausstellungsfläche ist groß, drei Abteilungen mit insgesamt 130 Quadratmeter. Es gibt sehr schöne alte Balken, darüber ist die Decke offen, aber die Balken hängen sehr tief.
Vielleicht ist es Schicksal mit diesem Pavillon. Es wird ein spannungsvolles Aufeinandertreffen. Die Weite und Offenheit der mongolischen Landschaft, die sich in den Kunstwerken spiegelt, in Verbindung mit diesen niedrigen Balken. Für das Publikum wird es auf jeden Fall interessant.
S.: Am 9. Mai ist Eröffnung, dann kann sich jeder ein Bild machen. Letzte Frage an Sie als Initiatorin: Wann hätte sich der Aufwand gelohnt? Was versprechen Sie sich von der Teilnahme an dem Event Biennale für die zeitgenössische mongolische Kunst?
G.: Dass sie mehr wahrgenommen wird. Wir wollen einem internationalen Publikum zeitgenössische mongolische Kunst vorstellen. Abgesehen vom Fukuoka Asian Art Museum in Japan und einigen wenigen anderen Museen in Asien werden zeitgenössische mongolische Künstler kaum gezeigt. Im London Tate oder im MomA in New York? Niemals! Und auch eine Ebene darunter nicht. Auf diesem Level hatten mongolische Künstler bislang keine Chance. Sie verdienen es, besser präsentiert zu werden.
(Das Interview fand in englischer Sprache statt. Alexander Schnorbusch hat es ins Deutsche übertragen)
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