Die Hunde wurden immer lauter

Interview

Im Gespräch:
Leonardo Padura und Thomas Hummitzsch
 

Interview

Die Hunde wurden immer lauter - Thomas Hummitzsch im Gespräch mit Leonardo Padura

TH: Auch wenn nur 4.000 Exemplare dieses Romans in Kuba gedruckt wurden, lesen den Roman sicher mehr. Man erzählt sich, dass kubanische Leser für die Lektüre ihrer Bücher insgesamt vier Tage Zeit hätten. Drei Tage, um sie zu lesen und einen vierten Tag, um das Buch dem eigentlichen Besitzer zurückzugeben. Mit mehr als 700 Seiten kein einfaches Unterfangen für Ihre kubanischen Leser.

LP: Auf Kuba hat ein Buch ein anderes Schicksal als im Rest der lesenden Welt, das ist richtig. Viele Menschen bekommen es in die Hand. Wenn Du in Deutschland, Spanien oder England ein Buch kaufst, gehört es Dir. Und wenn es Dir gefällt, dann empfiehlst Du deinen Freunden: "Kauf dir das Buch!" Auf Kuba ist das anders. Wenn Du ein interessantes Buch liest und dass Deinen Freunden sagst, dann antworten die: "Na los, gib schon her!" Ein Buch hat auf Kuba eine deutlich größere soziale Funktion als anderswo. Ich finde das sehr schön. Das Buch wird hier zum Lebensmittel für viele Personen. Allerdings birgt dieses System auch ein Risiko. Normalerweise leiht man nur seinen Freunden ein Buch. Wenn Du ein Buch allerdings nicht zurückbekommst, dann kannst Du sicher sein, dass es nicht der Beste Deiner Freunde war, dem Du das Buch geliehen hast.

TH: Am Ende des zweiten der drei Romanteile sagt der Erzähler Ivan, dass er die Geschichte aufschreibe, weil sie ihn verfolgt. Wie sehr hat Sie diese Geschichte verfolgt?

LP: Der Roman hat mich viele Jahre verfolgt, nicht im dramatischen, sondern im mentalen Sinne. Seit ich mich mit Trotzki beschäftigt habe, interessiert mich diese Person. In Mexiko habe ich sein Wohnhaus besucht und mir außerhalb Kubas Informationen zu ihm besorgt. Später, als ich erfahren habe, das Mercader in Kuba gelebt hat, wurden die Hunde, die mich verfolgt haben, immer lauter. Als nach dem Fall des Ostblocks die Archive geöffnet wurden, entdeckte man die Schrecken der stalinistischen Zeit. Mit meinen eigenen Erfahrungen als Mensch verfolgten mich also ziemlich viele Hunde, die mich schließlich dazu gedrängt haben, diesen Roman zu schreiben. Es gibt noch etwas Wichtiges, was der deutsche Leser nicht weiß. Es gibt noch einen anderen Roman von mir, in dem ich die Geschichtsschreibung as wichtiges Element benutze. Er heißt "Der Roman meines Lebens" und ist, wie ich finde, mein am besten strukturiertes Werk. Er ist in einem sehr ausgereiften literarischen Stil verfasst. Mein Verleger aber befürchtet, dass dieser Roman hier in den deutschsprachigen Ländern nicht erfolgreich sein kann, weil das Thema zu kubanisch ist. Ich aber glaube, dass Dinge wie Neid, Hass und Angst - um die es in dem Roman geht - fundamentale und allgemeingültige menschliche Eigenschaften sind.

TH: Herr Padura, vielen Dank für das Gespräch.

 

erschien als Originalbeitrag bei diesseits.de

Leonardo Padura: Der Mann, der Hunde liebte. Aus dem Kubanischen von Hans-Joachim Hartstein. Unions Verlag, Zürich 2011.

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