Essay
Die Sperre vor dem Farnkraut - Poetologische Betrachtungen der Beiläufigkeit bei Peter Handke
War dieser Weg vorgezeichnet? Heute meint man eine Verbindung zu sehen, wenn man den frühen Peter Handke, diesen Diskursprovokateur, mit dem späten Einkehrer vergleicht. Was diese so verschiedenen Texte verbindet, ist ihr Konstruktivismus. Die Simulation einer Welt war erst dem Aufspüren der fremden Sprache gewidmet. Danach folgte langsam das Nachspüren der eigenen Sprache. Die Beharrlichkeit, mit der Peter Handke nach ihr suchte, unterscheidet ihn vom postmodernen Konzept des Konstruktivismus. Aus der Deckung entwickelte er ein Konzept der anderen Welt, in die wir mit Hilfe der Sprache treten. Tatsächlich muss man an Heideggers Lichtung des Seins denken. Jene Existenzontologie mystifizierte die Literatur zu einer raunenden Botschafterin. Suchte der junge Peter Handke anderes, als er Texte schrieb, die suggestiv wirken sollten? Er brauchte Zeit, um den eigenen Lebensstoff zu lichten. Seine Jahre in der Niemandsbucht galten ganz der Suche nach dem flüchtigen Augenblick. Jenem Augenblick, an dem wir das Geflecht der Dinge zur Sprache bringen. An dem die Sprache passgenau zur Stelle ist.
Die Sperre vor dem Farnkraut
Ein Ort der Wahrheit. Wir müssen ihn konstruieren. Doch wir sind ihm in seiner Beiläufigkeit verbunden. Dieser Moment bildet die Trennung zwischen uns und dem, was wir unsere Geschichte nennen. Es wirkt, als wollte Peter Handke hinter die eigenen Suggestionen steigen. Er zitierte in seiner Laudatio auf den Hermann-Lenz-Preisträger des Jahres 2006, Jürgen Becker, einen beispielhaften Satz aus dessen Werk Erzählen bis Ostende:
Im Gefüge der möglichen Geschichten bewegen sich Körper und Dinge, die vom Erzählbaren ablenken, es aufhalten oder verdrängen, es rührt ja an die Sperre, die dazwischen steht, etwa zwischen dem Aufruhr des Farnkrauts und der Reaktion der Sinne.
Das Farnkraut blüht reichlich in der Niemandsbucht. In der Peripherie, die Peter Handke bewohnt. Manche nennen ihn Wünschelrutengänger. Von seinem Wohnort in einer schmucklosen Randgemeinde von Paris unternimmt er rückwärtige Spaziergänge. Sie führen Peter Handke nur langsam aus der Peripherie in das Zentrum. Gehen als Ritual. Und auch als Erkenntnisweg. Nicht verwunderlich, was Peter Handke am Anfang seiner Laudatio auf Jürgen Becker sagt:
In deinen Büchern, von Erzählen bis Ostende über Aus der Geschichte der Trennungen, Schnee in den Ardennen bis zu den Folgenden Seiten (dem Buch für den kommenden Herbst jetzt), wird entschieden zu wenig gegangen und zu viel gefahren.
Es ist eine literarische Kunst des Spurenlesens. Ein Fährtensuchen auf zwei Füßen. Kein ästhetisches Refugium. Peter Handke ist ein ironisch gesinnter Bewohner des Elfenbeinturms. Seine Spaziergänge sind eher subversiv. Industriegebiet und durchforsteter Wald bilden dabei typisch modern besetzte Ausgangsorte. In ihnen sperrt sich das Farnkraut, nicht im deutschen Märchenwald. Und hier bildete ein Waldhain unweit von seinem Haus die Niemandsbucht. Ein Ort im Unort, von Baumzweigen umschützt, den Peter Handke auf einem Waldgang antraf. Er strahlt die Ambivalenz von Innenseite und Außenseite aus. Nicht die Lichtung des Martin Heidegger. Aber fast so etwas wie Heimat und Unterstand nach den Kriegen. Ein Zwischenort für ein Ungefühl.
Heimatvertriebener in der Lichtung
Das Gegengehen und Gegensehen von Peter Handke kommt nicht ohne Trotz aus. Wie sich einer in den Ästen versteigt, mutet seltsam an. Auch sein bevorzugter Spaziergang von der Peripherie ins Herz von Paris ist so ein Trotzlauf. Er hält Aufschürfungen bereit, ambivalente Momente. Wenn sich der touristische Bezirk öffnet, geht Peter Handke stiften. Er kauft sich einen Radiergummi und kehrt um. Was will er uns radieren? Warum radierte er uns Slobodan Milošević als einen Märtyer Serbiens vor? Suchte er nach dem Land, in dem die Niemandsbucht fortlebt? Er holte sich viel Schelte als Grabredner des verstorbenen Nationalisten ab. Alles Trotz? Aber vielleicht sind es auch nur beiläufige Ausflüge. Peter Handke glaubt an das Individuum. Ob er an Staaten glaubt? Wohl nicht. Oder so wenig wie an Hauptwörter. Serbien als ein Märchenland? Man könnte von einer Handkeschen Kehre reden. Wie jene Kehre bei Martin Heidegger. Eine umgekehrte Art, seine Anfänge zu lesen. Ist es das? So lässt eine Passage in der Laudatio aufhorchen:
Konkrete Poeten? Oder doch eher Mystiker? Nein, das wäre eine andere Falle, die Hauptwort-, die Substantivfalle. Bleiben wir bei den Verben, den Zeitwörtern. Beide, Claus wie Becker, sie schreiben, sie umreißen, umzirkeln, spiralisieren, ob in Schriftbildern oder rein in der Schrift. (Und vielleicht wäre es auch an der Zeit, etwa Gomringer und Franz Mon unter einem freieren Aspekt zu lesen, zu beäugen.)
Die Sperre vor dem Farnkraut
Ein Ort der Wahrheit. Wir müssen ihn konstruieren. Doch wir sind ihm in seiner Beiläufigkeit verbunden. Dieser Moment bildet die Trennung zwischen uns und dem, was wir unsere Geschichte nennen. Es wirkt, als wollte Peter Handke hinter die eigenen Suggestionen steigen. Er zitierte in seiner Laudatio auf den Hermann-Lenz-Preisträger des Jahres 2006, Jürgen Becker, einen beispielhaften Satz aus dessen Werk Erzählen bis Ostende:
Im Gefüge der möglichen Geschichten bewegen sich Körper und Dinge, die vom Erzählbaren ablenken, es aufhalten oder verdrängen, es rührt ja an die Sperre, die dazwischen steht, etwa zwischen dem Aufruhr des Farnkrauts und der Reaktion der Sinne.
Das Farnkraut blüht reichlich in der Niemandsbucht. In der Peripherie, die Peter Handke bewohnt. Manche nennen ihn Wünschelrutengänger. Von seinem Wohnort in einer schmucklosen Randgemeinde von Paris unternimmt er rückwärtige Spaziergänge. Sie führen Peter Handke nur langsam aus der Peripherie in das Zentrum. Gehen als Ritual. Und auch als Erkenntnisweg. Nicht verwunderlich, was Peter Handke am Anfang seiner Laudatio auf Jürgen Becker sagt:
In deinen Büchern, von Erzählen bis Ostende über Aus der Geschichte der Trennungen, Schnee in den Ardennen bis zu den Folgenden Seiten (dem Buch für den kommenden Herbst jetzt), wird entschieden zu wenig gegangen und zu viel gefahren.
Es ist eine literarische Kunst des Spurenlesens. Ein Fährtensuchen auf zwei Füßen. Kein ästhetisches Refugium. Peter Handke ist ein ironisch gesinnter Bewohner des Elfenbeinturms. Seine Spaziergänge sind eher subversiv. Industriegebiet und durchforsteter Wald bilden dabei typisch modern besetzte Ausgangsorte. In ihnen sperrt sich das Farnkraut, nicht im deutschen Märchenwald. Und hier bildete ein Waldhain unweit von seinem Haus die Niemandsbucht. Ein Ort im Unort, von Baumzweigen umschützt, den Peter Handke auf einem Waldgang antraf. Er strahlt die Ambivalenz von Innenseite und Außenseite aus. Nicht die Lichtung des Martin Heidegger. Aber fast so etwas wie Heimat und Unterstand nach den Kriegen. Ein Zwischenort für ein Ungefühl.
Heimatvertriebener in der Lichtung
Das Gegengehen und Gegensehen von Peter Handke kommt nicht ohne Trotz aus. Wie sich einer in den Ästen versteigt, mutet seltsam an. Auch sein bevorzugter Spaziergang von der Peripherie ins Herz von Paris ist so ein Trotzlauf. Er hält Aufschürfungen bereit, ambivalente Momente. Wenn sich der touristische Bezirk öffnet, geht Peter Handke stiften. Er kauft sich einen Radiergummi und kehrt um. Was will er uns radieren? Warum radierte er uns Slobodan Milošević als einen Märtyer Serbiens vor? Suchte er nach dem Land, in dem die Niemandsbucht fortlebt? Er holte sich viel Schelte als Grabredner des verstorbenen Nationalisten ab. Alles Trotz? Aber vielleicht sind es auch nur beiläufige Ausflüge. Peter Handke glaubt an das Individuum. Ob er an Staaten glaubt? Wohl nicht. Oder so wenig wie an Hauptwörter. Serbien als ein Märchenland? Man könnte von einer Handkeschen Kehre reden. Wie jene Kehre bei Martin Heidegger. Eine umgekehrte Art, seine Anfänge zu lesen. Ist es das? So lässt eine Passage in der Laudatio aufhorchen:
Konkrete Poeten? Oder doch eher Mystiker? Nein, das wäre eine andere Falle, die Hauptwort-, die Substantivfalle. Bleiben wir bei den Verben, den Zeitwörtern. Beide, Claus wie Becker, sie schreiben, sie umreißen, umzirkeln, spiralisieren, ob in Schriftbildern oder rein in der Schrift. (Und vielleicht wäre es auch an der Zeit, etwa Gomringer und Franz Mon unter einem freieren Aspekt zu lesen, zu beäugen.)