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# 006
IN AUGENSCHEIN - Gespräche über anonymisierte Texte (# 006). Zu Gast: Silke Peters
Grüne Pflanze in grüner Vase. Mit gelber Blüte. Das ist der
Tisch. Vergiss mich nicht. Steckst du in meinen Füssen.
Rote Blüte unter blauem Plastikdach. In einer
Küche. In mir ein warmes Bett von Stücken.
Brauner Schrank in weissem Fell. Sack aus
der Katze. Ich grün in deinem Schatten.
Wissen was die Ecken der Verzweiflung wissen.
Abgeschälte Dramen ab. Ganz ins Glück.
Strand in einer Stadt wo keiner ist. Nirgends
sprudelt Sand aus dir. Oben schwimmen Kisten wir.
Für Würmer. Das Klacken der Scheinwerfer.
Ich zeig dir das Fleisch an den Waffeln.
Dieser Text gefällt mir sehr, weil er so impressionistisch mit logisch abrupten Sprüngen arbeitet. Plötzlich landet er beim „Fleisch an den Waffeln“. Die Leichtigkeit macht mir Spaß. Es sind keine eigentlichen Assoziationen, sondern relativ harte Schnitte, die genau zeigen und in diesem Zeigen große Strecken überwinden. Poesie kann allgemein sehr schnell von A nach B kommen – das wird hier mit einer sehr eleganten Leichtigkeit geschafft. Dadurch dass die Sprünge so unerwartet sind, wird beim Lesen das ganze Denken aufgelockert. Die rätselhafte Zusammenstellung der Elemente präsentiert sich nie als Problem, nichts stöß sich am nächsten. Auch die Du-Ansprache trägt für mich zu der fröhlichen Stimmung des Textes bei, auch die satten, offenen Farbadjektive. Zwar gibt es auch etwas Nekrophiles, Kisten für die Würmer, zwar gibt es auch die Verzweiflung, aber der Text hüpft gleichsam darüber hinweg. Die Grammatik wird frei behandelt, „Oben schwimmen Kisten wir“, da fallen Blick- und Gedankenführung fast zusammen. Obwohl die festen Punkte stehen – hier und da könnte es eigentlich auch ein Komma sein. Vom Existenziellen zu den einfachen Dingen hüpft der Stil dieses Gedichtes – es ist eigentlich so eine Art Küchentischtext. (lacht) Aber auch ansonsten hat es etwas von dadaistischer Benennung.
„Deine roten Kleider, in weiße Falten zersägt“?
Genau (lacht), „Sack aus der Katze“, „Ich grüne aus deinem Schatten“, das erinnert mich schon ein wenig an Schwitters, auch wenn recht klar ist, dass das kein Schwitters ist. Sehr leichtfüßig, optimistisch. „Vergiss mich nicht.“ Durch sein impressionistisches Hüpfen kann der Text auch ohne Probleme mit solchen Stereotypen spielen, weil der nächste Bruch es gleich wieder aufhebt und es nicht stört. Die Nachbarsätze stellen die Stereotypen gleich wieder in ein neues Licht, es wirkt nie einfach einfach. An manchen Stellen habe ich zwar den Eindruck, dass es nicht fertig ist – aber das wird es ja wohl sein. Allerdings müsste der Text hier nicht zu Ende sein, das könnte man noch eine Seite weitertreiben. Nach dieser Methode könnte man viele Seiten füllen. Der Text bricht ab mit den Waffeln, weil er beeindruckt ist von diesem Bild, aber ich finde, es könnte noch weiter gehen.