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Statement
NSA – abschließende Notizen
„Technik ist neutral, aber verschärfend.” Dies sagte in seinen Bochumer Vorlesungen 1991 Vilém Flusser. Was hat sich jüngst verschärft?
Immer schon war Lesen und hier insgeheimes Mitlesen nicht passiv, sondern aktiv, nicht umsonst hat die Philologie den Begriff der intentio operis erdacht, um sagen zu dürfen, was ein Text eigentlich besage, ungeachtet der Verfasserintention.
Allerdings war derlei juristisch ein Graubereich – und man wußte dies, man scheute sich, das, was unausgesprochen in einem Text womöglich ruhe, dem Autoren in aller Konsequenz anzulasten. „Satiren, die der Zensor versteht, werden mit Recht verboten.” Dieser Satz aus Kraus’ Fackel (Nr. 309-310, 31.10.1910 und ähnlich in Nr. 697-705, 10.1925) ist ja zugleich die implizite Hoffnung, daß das, was sich nicht derlei unschicklich festmachen lasse, nicht mit Recht kassiert werden dürfe, der Verfasser hier nicht durch des Lesers Beitrag quasi kompromittiert werden dürfe.
Die Pseudo-Objektivität von recorded future und anderen Programmen merzt dies aus, nun ist kein Leser mehr gegeben, der seine Interpretation verantworten müßte, strukturell wird das Lesen (jedenfalls scheinbar) dem aufgehalst, der schreibt. Am Ende eines solchen Prozesses steht fast zwangsläufig, was Dystopien wie Minority Report (1956) von Philip K. Dick imaginieren: „precrime”. Der Denkende wird durch nicht von ihm, sondern „pregogs”, die die eigentlich kriminelle Struktur – im Falle des Zusammenschlusses von Datenmaterial und Agorithmen wie bei recorded future wörtlich verantwortungslos – wie immer effektiv antizipieren, also das, was juristisch Verantwortung wäre, einerseits nicht kennen und andererseits am immer schon Verurteilten ad absurdum führen, Erdachtes zum Schuldigen.
Zugleich besteht die Frage, ob der Text selbst nicht an- oder in ihn eingegriffen wird, der vieldisktutierte „Staatstrojaner”[1] dokumentierte ja technisch den womöglich staatlichen Willen, Rechner nicht nur „abzuhören”, sondern auch zu manipulieren, Inhalte (Daten) hochzuladen, also Fakten zu schaffen, nicht sie zu belegen. Wenn nun das Netz selbst korrumpiert ist und der Bote, der als Medium freilich immer zwischen Sender und Empfänger gegeben ist, ein Eigenleben entwickelt, das sich jedem Kalkül des Autoren entzieht, ist die Idee des Subjekts, das sich in seiner Kommunikation ausdrückt, nicht nur dem „Tod des Autors”, den das Schreiben stets beinhaltet und beispielsweise TOR gleichsam forciert, ausgesetzt...
Wie weit all dem Schwarmintelligenz (Anonymous, das TOR-Projekt) etwas entgegenzusetzen hat (und dazu willens ist), wird sich weisen, Sorge ist angebracht, Mut wird es brauchen.
[1]cf. hierzu u.a. http://www.ccc.de/system/uploads/76/original/staatstrojaner-report23.pdf, https://www.ccc.de/de/updates/2011/staatstrojaner, http://www.faz.net/aktuell/chaos-computer-club-der-deutsche-staatstrojaner-wurde-geknackt-11486538.html sowie http://www.zeit.de/digital/datenschutz/2011-10/ccc-bundestrojaner-onlinedurchsuchung/komplettansicht (Stand: 5.8.2013)