Essay

„Ich wurde in Ketten geboren. Es war windig und trockenes Laub schlug gegen die Krankenhauswände. Ich war am Leben.“ Zum 75. Geburtstag von Leonard Cohen.

Bereits 1944 verstarb sein Vater. Cohen war acht Jahre alt, als er seine ersten bedeutsamen Zeilen schrieb. Er schlitzte eine Krawatte seines Vaters auf, legte eine kleine Nachricht hinein und vergrub alles im Garten. Das war die einzige Art wie er mit diesem seltsamen Ereignis umgehen konnte, das so erstaunlicherweise keine niederschmetternden Eindruck auf ihn machte. Der Tod seines Vaters schien für ihn in Ordnung zu sein. Er war Teil eines Geschehens, das sich nicht verhandeln oder ablehnen ließ. Es war wie Gebet für Ihn und seinen Vater, das die beiden begleiten sollte, durch welche Gefilde auch immer.

Die ersten bewegenden Geschichten fand er in der Synagoge und der biblischen Geschichte. Er bekam davon Gänsehaut. 1947 feierte er sein Bar Mizwa. Gleichzeitig aber wuchs seine Skepsis gegenüber der Religion und er schrieb Gedichte in erster Linie für Mädchen, um sie für seine Gedanken zu interessieren. 1951 schrieb sich Leonard Cohen an der 1821 gegründeten McGill University ein, der renommiertesten englischsprachigen Universität in Quebec. Als Nationalität gab er "jüdisch" an. Im Examensjahr 1955 wurde er mit dem Chester-McNaughton-Preis für kreatives Schreiben und mit dem Peterson-Preis im Fach Literatur ausgezeichnet,

1966 erschien „Beautiful Losers“, ein Roman mit dem Cohen seinen schriftstellerischen Höhepunkt erreichte. Das Buch wurde im letzten Jahr (2009) ins Chinesische übersetzt.

Das Vorwort, von Cohen „Hinweis für den chinesischen Leser“ genannt, sagt viel über die Art aus, wie Cohen denkt und wie wenig wichtig er sich selbst nimmt. Er will ein wirklicher, ein echter Dichter sein. Er gibt sich bescheiden und zurückhaltend, hält sich zurück mit großen Visionen, reduziert sich auf Sprache und sinnliches Erleben.
Die Facetten seines Schreibens und deren Interpretation stehen im Mittelpunkt. Die Rollenverhältnisse verschwimmen, werden aufgelöst. Es entsteht ein Zustand, in dem es weder Leser noch Dichter gibt. Er ist kein Dichter. Du bist kein Leser. Wir alle dichten und lesen. Im Prinzip ist LC ein Vorreiter der intertextuellen Schreibweise, die heute von vielen jungen Autoren angewandt wird.

„Lieber Leser,
danke, dass Sie dieses Buch gewählt haben. Für mich ist eine Ehre, die Gedanken meiner Jugend in chinesischen Schriftzeichen ausgedrückt zu sehen. Den Übersetzern und Herausgebern danke ich herzlich, Ihnen dieses seltsame Werk näherzubringen. Ich hoffe, Sie finden es nützlich oder unterhaltsam.
In meiner Jugend haben meine Freunde und ich die großen Chinesischen Dichter gelesen und bewundert. Unsere Vorstellungen von Liebe und Freundschaft, von Weite und Ferne waren stark beeinflusst von diesen Versen. Daher lieber Leser verstehen Sie, wie privilegiert ich mich fühle, wenn auch nur für einen Moment und mit derart dürftigen Zeugnissen mich an den Rändern Ihrer Tradition wiederzufinden.

Dies ist ein schwieriges Buch, selbst auf Englisch, wenn man es ernst nimmt. Ich schlage deshalb vor, dass Sie die Stellen, die sie nicht mögen auslassen. Steigen hier oder da einfach wieder ein. Vielleicht finden Sie Zeilen oder Passagen, die Ihre Neugierde wecken. Wenn Sie nach einer Weile gelangweilt genug sind, dann wollen Sie das Buch vielleicht von vorne bis hinten lesen.
Wie es auch sein mag, ich bedanke mich für Ihr Interesse an dieser komischen Fassung, einer Sammlung von Pop Art Witzen, religiösem Kitsch und gedämpften Gebeten“.


„Beautiful Losers“ wurde unter freiem Himmel geschrieben. An einem Tisch zwischen Unkraut und Gänseblümchen, auf der Insel Hydra, hinter seinem Haus in der Ägäis. Es war ein heißer Sommer.
„Ich bedeckte nie meinen Kopf. Was Sie in den Händen halten, ist also mehr ein Sonnenstich als ein Buch.“
Mit seinen Büchern hatte er trotz Erfolgen bei den Kritikern kaum Geld verdient.