Essay

„Ich wurde in Ketten geboren. Es war windig und trockenes Laub schlug gegen die Krankenhauswände. Ich war am Leben.“ Zum 75. Geburtstag von Leonard Cohen.

Erst 1966 begann LC sich ernsthaft der Musik zu widmen. 1967 dann der Durchbruch, ein Konzert in der New York Town Hall, das er mit „Suzanne“ begann. Er war von Montreal nach New York übergesiedelt. Es entstand der Song „Chelsea Hotel", ein Song über das Hotel, in dem er die meiste seiner New Yorker Zeit lebte und Janis Joplin kennenlernte. I can’t forget, Sister of Mercy“, "Tower of Song" und viele seiner bedeutenden Songs folgten. Das Leben in New York stand im krassen Gegensatz zu seiner behüteten Zeit in Montreal. Während er sich in Montreal hauptsächlich in der Dichterszene bewegte, sich mit anderen Kollegen auseinandersetzte, Wort für Wort sezierte, geriet er in  New York in eine Szene, die neben Selbsterfahrungstrips und Drogenkonsum auch klaren Konkurrenzstrategien folgte. Die Musiker konkurrierten um Plattenverträge und gerieten in Marketing – und Vermarktungsmaschinen, das große Geld winkte…"In Montreal war das Schreiben das Wichtigste auf der Welt. Wir nahmen alles sehr ernst, fühlten uns als Dichter, als wichtigste Gesetzgeber der Zeit"

Cohen, der sich schon immer zum Militär, zu Ritualen, Regimen und Regimentern, wo die Ordnung des Lebens klar vorher bestimmt ist,  hingezogen fühlte, begann erneut zu suchen. In der Zeit seiner großen Erfolge als Musiker hat er sich selbst viel Schaden zugefügt. Er galt als Frauenheld, nahm exzessiv Drogen und trank. Beziehungen brachen auseinander, er konnte sich der Welt nicht stellen und war nicht in der Lage etwas zu ändern.
In dieser Zeit lernte er Roshi kennen, einen Zenmeister, der nach einigen Umwegen sein Lehrmeister wurde.
Über Freunde in Los Angeles kam er zu Roshi ins Kloster. Es war tiefster Winter, eiskalt, die Regularien streng. Der Obermönch war ein Deutscher. Bei Ungehorsam wurden die Brüder mit Stöcken geschlagen. Er empfand die Hiebe als Strafe des Deutschen für den verlorenen zweiten Weltkrieg und lief davon. Doch es ließ ihn nicht los. Einige Monate später kehrte er zurück. Vor mehr als 30 Jahren begann er die Lehre des Zen zu studieren, verbrachte mehrere Monate im Jahr ununterbrochen mit Roshi und wurde 1993 zum Mönch geweiht.
Über Roshi sagt Cohen: „Roshi ist jemand dem es viel bedeutet, oder jemand dem es nichts bedeutet, wirklich nichts bedeutet, wer ich bin. Daher fing das was ich war an zu verblassen und je weniger ich das war was ich war umso besser habe ich mich gefühlt.

„Mit Cohen kann man am Abgrund stehen, hinuntersehen und lachen wie in einer göttlichen Komödie. Er besitzt ein seltenes Talent, so düster es auch werden kann, man spürt immer, dass Schönheit Wahrheit bedeutet. Er schafft auch aus der Dunkelheit etwas Schönes. Im tiefsten Schwarz findet er Schattierungen die sich wie Farbe anfühlen“ (Bono U2)


Der Schriftsteller, Dichter, Songwriter, Sänger, Sprecher und Musiker Leonard Cohen ist in allen seinen Schaffensbereichen ein Großer. Sein schriftstellerisches und lyrisches Talent hat in eine Musik gefunden, die deswegen einzigartig ist. Ich glaube nicht, dass es nochmal einen Leonard Cohen geben wird. Leonard Cohen lässt jedes Wort durch den Raum gehen. Jede Formulierung, jeder entscheidende Gedanke ist ein Geschenk, ein Gebet. Er findet uns in jeder unserer Lebensphase. Religiöse Gefühle darben nicht in Klischees, sie sind greifbar und sinnlich. Die Welt strahlt farbig und bunt. Mein Lieblingssong von Cohen ist „Sister of Mercy“ – eine beruhigende Ballade, ein Gebet, eine Meditation. „Die barmherzigen Schwestern“ wiegen in den Schlaf, trösten die Bitterkeit der Realität, schaffen erotische Momente, bieten Platz für jede Art von sinnlicher Selbstfindung.

Sister of Mercy

Oh the sisters of mercy,
they are not departed or gone.
They were waiting for me
when I thought that I just can't go on.
And they brought me their comfort
and later they brought me this song.
Oh I hope you run into them,
you who've been travelling so long.

Yes you who must leave everything
that you cannot control.
It begins with your family,
but soon it comes around to your soul.
Well I've been where you're hanging,
I think I can see how you're pinned:
When you're not feeling holy,
your loneliness says that you've sinned.

Well they lay down beside me,
I made my confession to them.
They touched both my eyes
and I touched the dew on their hem.
If your life is a leaf that the seasons
tear off and condemn
they will bind you with love that is
graceful and green as a stem.

When I left they were sleeping,
I hope you run into them soon.
Don't turn on the lights,
you can read their address by the moon.
And you won't make me jealous
if I hear that they sweetened your night:
We weren't lovers like that
and besides it would still be all right,
We weren't lovers like that
and besides it would still be all right.