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Essay
„Ich wurde in Ketten geboren. Es war windig und trockenes Laub schlug gegen die Krankenhauswände. Ich war am Leben.“ Zum 75. Geburtstag von Leonard Cohen.
Deutschland-Radio Kultur stellte letzte Woche die Frage, ob Leonard Cohen, wäre er dem Schreiben treu geblieben, ein großer Schriftsteller geworden wäre. Meine Antwort ist: ganz bestimmt wäre er das.
Ich hörte Leonard Cohen das erste Mal im Alter von ungefähr vierzehn Jahren. Es war die Zeit, in der ich Lieder, die mir gefielen, hunderte Mal hintereinander abspielte, um sie dann für Jahrzehnte nicht mehr zu beachten. Die einzige Ausnahme waren die Songs von Cohen. Damals, als ich sie das erste Mal hörte, änderte sich mein Bild von der Welt. Alles schien von einem zum nächsten Moment anders zu sein, als ich es mir bisher dachte. Für mich waren sowohl die Worte als auch die Musik vollkommen neu. Er war der coolste Dichter der Welt, ich betone DICHTER, denn er schien und scheint mir nur in zweiter Linie ein Sänger oder Musiker zu sein. Seine Texte vermittelten mir Bilder, die es meiner Welt vorher nicht gab. Die Musik spielte dabei eine untergeordnete Rolle.
Betrachtet man die zentralen Stationen in Leonard Cohens Leben, kann man feststellen, dass er schon früh zu schreiben begann und dass das Suchen nach einer Bestimmung, einem festen Platz in dieser Welt, einer inneren Ordnung, immer eine große Rolle gespielt hat. Viele seiner Texte stehen in einem religiösen Kontext, doch nie verliert er sich in reiner Religion, er nutzt biblische Bilder zur Reflexion und Selbstfindung, abstrahiert Trauer, Kummer, Freude und persönliche Erlebnisse und formt daraus Wort – und Bildcollagen, die genügend interpretativen Freiraum lassen, sich selbst wiederzuerkennen und neue, eigene Geschichten zu schreiben.
„Came so far so beauty“, ein Live Concert verschiedener Interpreten (u.a. Rufus Wainright, Nick Cave, Beth Orton, Martha Wainright, U2) zu den Songs von Leonard Cohen im Sydney Opera House war die Vorlage zu dem 2005 erschienenen Film „I’am your Man“. Eine Hommage auf seine Songs, mit Hintergrundberichten über sein Schreiben, sein Leben, seine Poesie. Der Film zeigt die wichtigsten Stationen seines Lebens und ist Ausgangspunkt dieser Zeilen.
Leonard Cohen wurde 1934 in Montreal in eine konservativ jüdische Familie hineingeboren.
„Ich wurde in Ketten geboren. Es war windig und trockenes Laub schlug gegen die Krankenhauswände. Ich war am Leben.
Die Lebensspender umgaben mich wie ein Fußballteam. Sie gaben mir Dinge und nahmen Sie mir wieder. Was nicht passte, warfen Sie zurück in den Schacht der Leere. Die Gaben waren zahlreich und zahlreich waren die Warnungen, die mit ihnen kamen.
Wir geben dir ein großes Herz, aber wenn du Wein trinkst, musst du anfangen die Welt zu hassen. Der Mond ist deine Schwester, aber nimmst du Schlafmittel, wirst du dich in der Gesellschaft unglücklicher Frauen wiederfinden.
Immer wenn du nach der Liebe greifst, wird eine Schneeflocke deine Erinnerung schmelzen.“ (Leonard Cohen)
Sein Vater war Bauingenieur, wechselte aber in die Textilbranche. Cohen sagt, er sei im „Anzug“ aufgewachsen Er habe häufig versucht, seinen Kleidungsstil zu wechseln, vermehrt in seiner New Yorker Zeit Jeans und andere Klamotten getragen. Irgendwann gab er es auf, es passte nicht zu ihm. Er galt lange Zeit als der bestangezogenste Popmusiker, er verkörperte Stil und Klasse- seine Anzüge schützten ihn wie eine zweite Haut.