fix zone | april 2013

neues aus literatur und kunst

Autor:
Frank Milautzcki
 

neues aus literatur und kunst

fix zone | april 2013



illustration: michael zauner

 

30.04.2013  |  Acht ortsbezogene Hörstücke für Smartphones   „Musik aus der Wolke“ – das sind Kompositionen und Hörstücke von acht Komponisten, Klangkünstlern und Autoren, die sich auf ausgewählte und besondere Kultur-Orte in Berlin beziehen und nur an diesen Orten über individuelle Smartphones zu hören sind. Mit den Hörstücken aus der Wolke können die Nutzer auf Erkundungstour zu einigen der interessantesten freien Projekte Berlins gehen und die Stadt jenseits touristischer Highlights auch über ihre Ohren kennenlernen. Über die Plattform radio aporee werden die jeweiligen Hörstücke mit GPS an den entsprechenden Orten platziert und sind vom 1. – 31. Mai 2013 on air, empfangbar über die vorher frei herunterzuladende Anwendung (App).
Musik aus der Wolke“ geht in ganz praktischem Sinne den Schritt zum aktiven Hörer. Sie nimmt den Begriff der „Wolke/Cloud“ ernst, der in der Rezeption von Musik in unserer Zeit eine immer größere Rolle spielt. Die Stücke sind ausschließlich für diesen Kontext entstanden und nur vom 1. – 31. Mai 2013 „on air“ verfügbar. Sie reflektieren historische, architektonische, allegorische, atmosphärische oder sonstige Besonderheiten der Orte und verbinden das mediale künstlerische Erlebnis mit dem realen, konkreten Umfeld.
Tempelhofer Feld / Prinzessinnengärten Moritzplatz / Mellowpark / ZK/U Zentrum für Kunst und Urbanistik / ExRotaprint / Dock 11 Eden / RADIALSYSTEM V / Kotti-Shop u.a. Projekte am Kottbusser Tor - Acht ortsbezogene Hörstücke für Smartphones.

 

30.04.2013  |   „Mögen hätt’ ich schon wollen, aber dürfen hab ich mich nicht getraut“   Ein "Film Fäst" im Babylon in der Rosa Luxemburg Straße in Berlin vom 03.-12. Mai ehrt den legendären Komiker, Sänger und Filmproduzenten Karl Valentin (1882-1948). Sein dialektischer Humor beeinflusste u.a. Bertolt Brecht und Samuel Beckett, aber auch Loriot und Helge Schneider, er betrieb Kabaretts, ein Panoptikum, war ein leidenschaftlicher Sammler und Autor von Liedern und Hörspielen. Der Humor seiner Sketche und Stücke beruhte insbesondere auf seiner Sprachkunst und seinem „Sprach-Anarchismus“. Bis zum 12. Mai sind noch stumme, lange und kurze Valentin-Filme im Rahmen einer Retrospektive zu sehen.

Karl Valentin
Das futuristische Couplet

In Nürnberg kam das Ganze,
es sind ja mal erst recht,
doch als es mir ganz falsch war,
ist es ohnedies zu schlecht.
Mit wessen ich grad dachte,
von ohne sie berührt,
so sind sie denn von vorne rein
ganz ohne diszipliert.

Wer allzulange sind ist,
ob arm, geht sich bei dem,
das einmal es oft lieber sein,
drum wird ja ohnedem,
mitsammen, ja denn so kann,
bei deinen nicht schon sein,
sobald man kann es bleiben soll,
zusammen fein zu sein.

Wenn einmal in der Nase,
hast manchmal du in Ruh,
die Plattform in der Tasche hast,
und treibst in allem zu,
so wittert aus den Mitteln,
in Spanien aus und ab,
der Blume Augenbraue senkt,
mit Asien und in Trapp.

(1920)

 

30.04.2013  |  Acht Brücken - Musik für Köln   Das Festivalfindet seit 2011 jährlich Anfang Mai statt und stellt die Musik der Moderne ins Zentrum seines Programms. Dieses Jahr (vom 30. April bis 16.Mai) steht die elektronische Musik von gestern und heute im Zentrum. Eine wichtige Programmfacette ist das herausragende Werk des griechisch-französischen Komponisten Iannis Xenakis, der mit seinen mathematischen Kompositionsverfahren die elektronische Musik wesentlich mitgeprägt hat. Der Kompositionsvorgang basiert bei Xenakis zunächst auf visuellen Formen. Aus diesen leitet er Formeln und Kombinationswege ab, um sie dann durch den Einsatz zum Beispiel einer Rechenmaschine in Notenzeichen und Musik umzuwandeln. Hierbei greift er auf Zufallsprozesse, Wahrscheinlichkeitsrechnung und Spieltheorie zurück. Die daraus resultierenden, sich oftmals verformenden Klangbilder vergleicht der Komponist selbst mit Wolken und Galaxien und bezeichnet sie als „Stochastische Musik“.

 

30.04.13  |  Stochastische Texte   Fundstück aus den Anfängen: Theo Lutz schreibt anno 1959 in der Zeitschrift augenblick über das Programmieren eines Computers, der aus einem definierten, aus Kafkas Schloß entnommenen Wortschatz von 16 Subjekten und 16 Prädikaten neue Sätze erstellt:

NICHT JEDER BLICK IST NAH. KEIN DORF IST SPAET.
EIN SCHLOSS IM FREI UND JEDER BAUER IST FERN.
JEDER FREMDE IST FERN. EIN TAG IST SPAET.
JEDES HAUS IST DUNKEL. EIN AUGE IST TIEF.
NICHT JEDES SCHLOSS IST ALT. JEDER TAG IST ALT
NICHT JEDER GAST IST WUETEND. EINE KIRCHE IST SCHMAL
KEIN HAUS IST OFFEN UND NICHT JEDE KIRCHE IST STILL.
NICHT JEDES AUGE IST WUETEND. KEIN BLICK IST NEU.
JEDER WEG IST NAH. NICHT JEDES SCHLOSS IST LEISE.
KEIN TISCH IST SCHMAL UND JEDER TURM IST NEU....

Weiterer Zufallstext und der Artikel "Stochastische Texte" ist nachzulesen auf der empfehlenswerten Seite netzliteratur.net

 

30.04.2013  |  Perlen auf der Straße   Gut beraten sollte man sein. Dazu dienen die „Perlen des Monats“ von Cohen + Dobernigg. In diesem Monat eine Empfehlung ist u.a. der Bildband „Straßenfotos – Hamburg um 1975“ von Thomas Henning, eben erschienen im Junius-Verlag.
Anfang der 1970er Jahre tauschte der junge Fotograf Thomas Henning die Kunstschule in Hamburg mit der Kaserne in der Provinz, aber schon bald trieb es ihn zurück und immer häufiger setzte er sich mit seiner Nikon F in den Zug nach Hamburg. Die Bilder in diesem Buch folgen dem Rhythmus dieser spontanen Streifzüge: ein Matrose in der Wandelhalle des Hauptbahnhofs, der Gang über geräumte Trümmergrundstücke in St. Georg, ein stolzer Portier vor dem Hotel »Vier Jahreszeiten« und die übernächtigten Gäste bei »Eier-Carl« auf dem Altonaer Fischmarkt.
In einer Zeit, in der die deutsche Kunstfotografie sich strenge und serielle Sichtweisen erarbeitete und eine freiere Straßenfotografie weitgehend verwarf, nimmt die Fotografie von Thomas Henning Alltäglichkeiten ins Visier, zerlegt das Objektiv die Umgebung in Einzelteile und scheinbar zufällige Ausschnitte, aus denen die Stadt in der Dunkelkammer neu ersteht... Auf Trümmergrundstücken und vor hoch aufragenden Brandmauern zeigen sich proletarisches Leben und neue, alternative Lebensformen neben den Errungenschaften eines neuen Wohlstands. Selbstbewusst posieren die unterschiedlichsten Menschen inmitten einer verwilderten Stadtlandschaft.

 

30.04.2013  |  Anton-Wildgans-Preis für Olga Flor   Die in Graz lebende Wiener Schriftstellerin Olga Flor erhält den diesjährigen Anton-Wildgans-Preis der österreichischen Industrie. «Olga Flors literarische Auseinandersetzung mit Krisen unserer Zeit enthüllt in einer kühlen, oft technisch anmutenden, präzisen Sprache Strukturen einer ökonomisierten Welt, die dem Individuum wenig Spielraum offen lassen. Unerbittlich zeigt die Autorin soziale Konstellationen auf, führt die Kleinfamilie und die Geschlechterrollen vor und lotet mit feinem Gespür gesellschaftliche Machtgefälle aus», heisst es in der Begründung der Jury.
Die Österreicherin Olga Flor studierte Physik und arbeitete im Multimedia-Bereich. Seit 2004 ist sie freie Schriftstellerin. Ihr erster Roman «Erlkönig» erschien 2002. Zuletzt veröffentlichte die Autorin den Roman «Die Königin ist tot» (2012).
Der Anton-Wildgans-Preis geht seit 1962 jährlich an eine/n österreichische/n SchriftstellerIn der jüngeren oder mittleren Generation, deren bzw. dessen «Schaffen die abschliessende Krönung noch erwarten lässt»…

 

30.04.2013  |  Jamben bei Twitter   Der Account @pentametron sucht sich Tweets, die aus fünfhebigen Jamben bestehen und macht daraus Gedichte. Er durchsucht jeden Tag rund fünf Millionen englischsprachige Tweets - erwischt er einen mit zehn Silben, speichert er ihn und wartet auf einen zweiten Tweet, der sich darauf reimt. Ganz exakt kommt das mit den Jamben zwar nicht immer hin - aber es passt grob, reimt sich und macht Spaß – was vielleicht weiteres Interesse an dann richtigen Gedichten weckt.
Ranjit Bhatnagar erklärt wie seine Reimmaschine funktioniert. Und hier kann man blockweise bzw. "gedichtweise" (in Formgebung eines Sonetts) die Resultate nachlesen, die einige Male pro Stunde aktualisiert werden.

 

29.04.2013  |  Eigenwilliger Sprachkünstler erstmals umfassend auf Deutsch   „Vieles ist auch bewusstes Spiel mit den Gegensätzen … Das Ungewisse am Rand all unserer modernen Gewissheiten, das auch Momcilo Nastasijevic nicht gewisser machen kann. Auf den Fotos, die dem Buch beigegeben sind, sieht man ihn lächeln, ein bisschen verschmitzt, ein bisschen traurig, das Haar zu einer gewaltigen Mähne gekämmt. So, wie man sich einen vorstellt, der seinem Volk zeigen will, was ein richtiger heutiger Dichter ist. Auch bereit … alles Heilige in den Staub der Erde herunterzuholen.“ Ralf Julke in der Leipziger Internet Zeitung über Momcilo Nastasijevic: Sind Flügel wohl ... – seine Lyrik erschien im Februar (erstmals umfassend auf Deutsch) im Leipziger Literaturverlag, der damit einen Klassiker der serbischen Moderne wiederentdeckt. Um Momcilo Nastasijevic bildete sich zu Lebzeiten „auch ein Kreis avantgardistischer junger Autoren. Seine ersten Arbeiten konnte er durchaus problemlos veröffentlichen. Doch Ende der 1920er Jahre reagierte die offizielle Kritik zunehmend gereizt auf seine Lyrik und wenig später auch auf seine Dramatik. Mit seinem Versuch, die avantgardistische Literatur, die er in Paris kennengelernt hatte, mit den Wurzeln der slawischen Lyriktradition zu verschmelzen, kam nicht so gut an. Nicht bei den Vertretern des konservativen Serbiens noch bei denen, die gerade dabei waren, Avantgarde wieder einmal politisch zu definieren - in diesem Fall als links“.

 

29.04.2013  |  Kurzstrecken von maximal 20 Minuten   Heute nacht um 00:05 Uhr läuft die 13te Ausgabe der Sendereihe Kurzstrecke im Deutschlandradio Kultur, die sich Produktionen zwischen Feature, Hörspiel und Klangkunst mit einer Länge von maximal 20 Minuten verschrieben hat.  Ursendungen diesmal : Playing the game von Gorden Fehlhaber - Das Leben ein (Computer-)Spiel;  Walküre Miniaturen von Michael Ambros - Hojotoho kann ich auch!; Buzzer von Annette Scheld - Zahlen und Töne aus dem Äther. Außerdem: Neues aus der Wurfsendung mit Julia Tieke.  Länge der Sendung ca. 54'30.
Deutschlandradio Kultur sucht für diese Sendereihe fertig produzierte Audiostücke bis 20 Minuten Länge, die noch nicht im deutschen öffentlich-rechtlichen Radio gelaufen sind und noch nicht auf Tonträgern veröffentlicht wurden. Und freut sich über interessante Einsendungen.

 

29.04.2013  |   Nebel in Rostock   Ab dem 1. Mai ist die vom Literaturhaus Stuttgart konzipierte sehenswerte Ausstellung "Alois Nebel - Leben nach Fahrplan" nun auch in Rostock im Peter Weiss-Haus zu sehen.„Alois Nebel“ ist die erste und meistverkaufte tschechische Graphic-Novel, ein raues, holzschnittartiges, schwarzweißes Gemeinschaftswerk des Schriftstellers Jaroslav Rudiš und des Zeichners und Musikers Jaromír 99.
Die markante Hauptfigur Alois Nebel arbeitet Ende der 80er Jahre als einsamer Fahrdienstleiter an einem kleinen Bahnhof an der tschechoslowakisch-polnischen Grenze, dem früheren Sudetenland. Die Eisenbahn ist sein Schicksal, wie schon für seinen Großvater und Vater. Nebel ist ein Einzelgänger, der das Sammeln alter Fahrpläne der Gesellschaft von Menschen vorzieht. Doch manchmal legt sich der Nebel über seine Bahnstation. Dann sieht er Züge mit Geistern und Schatten aus der dunklen Vergangenheit Mitteleuropas: dem Zweiten Weltkrieg, der Vertreibung der Deutschen, der sowjetischen Besatzung…

 

28.04.2013 |  Die Bilderkammer des Bruno Schulz   Am Sonntag, 28. April, 11 Uhr / Martin Gropius-Bau (Südseite) die Ausstellungseröffnung mit einer mobilen Installation von Benjamin Geissler.
Bruno Schulz (1892 - 1942) wurde als Österreicher geboren, lebte als Pole und starb als Jude – er gilt als polnischer Kafka. Mit seinen 1934 in Warschau veröffentlichten Erzählungssammlungen »Die Zimtläden« und  »Das Sanatorium zur Sanduhr« (1937) erlangte Schulz nationale Berühmtheit und wurde später in 39 Sprachen übersetzt. Sein Opus Magnum »Der Messias« ist bis heute verschollen. Nachdem seine galizische Heimatstadt Drohobycz (heute Ukraine) 1939 infolge des Hitler-Stalin-Paktes von der Roten Armee besetzt wurde, ist sie im Sommer 1941 von der deutschen Wehrmacht erobert worden, und Bruno Schulz wurde zum »Leibjuden« des aus Wien stammenden SS-Hauptscharführers und »Blutordensträgers« Felix Landau. Auf Geheiß von Felix Landau malte Bruno Schulz unter anderem Wandbilder in der Villa, die Felix Landau und seine Familie besetzt hatten. Am 19. November 1942 werden von der SS bei einer »wilden Aktion« 265 Juden auf offener Straße in Drohobycz erschossen. Einer von ihnen ist Bruno Schulz. Sein Mörder ist bis heute nicht eindeutig identifiziert. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kümmerte sich niemand um die Malereien von Bruno Schulz, dann wurden sie vergessen. Erst am 9. Februar 2001 entdeckte Benjamin Geissler die »Märchenbilder« im ehemaligen Spielzimmer der Villa. Im Mai 2001 wurden dann Fragmente der Wandmalereien von Mitarbeitern der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem in einer geheimen Mission aus der Villa herausgetrennt und nach Israel verbracht. Und im März 2002 wurden fünf weitere Fragmente von ukrainischen Restauratoren entnommen.
Zur Eröffnung spricht Benjamin Geissler. Der Schauspieler Bernt Hahn liest Texte von Bruno Schulz;
 

28.04.2013  |  Wortkünstler / Bildkünstler von Goethe bis Ringelnatz. Plus Herta Müller.   Eine Ausstellung während den Internationalen Tagen in Ingelheim  vom 28. April bis 7. Juli 2013.  Künstlerische Doppelbegabungen sind keine Seltenheit. Immer wieder haben sich kreativ Schaffende in Bereichen hervorgetan, die nicht ihrer originären Betätigung entsprechen. Dichter, deren eigentliche künstlerische Wirkung im geschriebenen Wort liegt, haben dabei vielfach eigenständige, nicht epigonale bildkünstlerische Werke geschaffen, die das Spektrum ihrer Kreativität erweitern und vollkommen neue Aspekte künstlerischen Ausdrucks dokumentieren. Malerei wie Zeichnung stehen dabei vollkommen gleichberechtigt neben dem literarischen Anspruch des primären Werkes.
In der Ausstellung werden ganz unterschiedliche bildkünstlerische Positionen vorgestellt, von der Darstellung der klassischen Landschaft bei Johann Wolfgang von Goethe bis hin zu den hintergründigen und skurrilen Szenerien von Joachim Ringelnatz. Es werden außerdem Werke von Justinus Kerner, Victor Hugo, George Sand, Hans Christian Andersen, Wilhelm Busch und Paul Scheerbart zu sehen sein. Die Wortcollagen von Herta Müller, Trägerin des Nobelpreises für Literatur 2009, bilden den radikalen, aber auch poetischen Endpunkt, in dem die Autorin aus Wörtern sowohl Texte wie andererseits Collagen mit einer eigenen bildkünstlerischen Ästhetik entstehen lässt. Diese Collagen werden als Teil der Ausstellung im Museum bei der Kaiserpfalz, direkt neben dem Alten Rathaus, gezeigt.


26.04.2013
  |  Das Zweite Bein Nummer Sieben    Ein neues Zweites Bein ist erschienen. Es ist einer Art Themen-Nummer geworden: Wien steht im Mittelpunkt und Wienbezogenes. Die Ausgabe ist wieder nummeriert, signiert und limitiert auf 33 Exemplare und bringt bislang unveröffentlichte Texte von Ute Eisinger (Gedichte + Essays), Stefan Heuer (Gedichte + Grafik), Frank Milautzcki (Essays), Bastian Schneider(Gedichte + Essay), Birgit Schwaner (Gedichte) und Armin Steigenberger (readymades + Gedichte) auf immerhin insgesamt 80 Seiten diesmal im quadratischen Format 21 x 21 cm. Enthalten sind jeweils drei Originalgrafiken = pro Heft zwei Unikatcollagen von FM und eine serielle Originalcollage von Stefan Heuer. Preis pro Heft: 20,- Euro Inland inclusive Versand (Ausland 23,- Euro). Bestellung
Zum Release gibt es eine Lesung am Sonntag, 28.04.2013 in der Werkstatt Babsi Daum in der Struwerstr. 24 in Wien und ebendort  in den Vitrinen bis Ende Juni eine Ausstellung von Collagen von Frank Milautzcki.

 

25.04.2013  |  Im Kern Gedichte: Jeder echte Herzschlag   Am 27.04.2013 in der Dampfzentrale Turbinensaal tritt im Rahmen des Zeitgenössischen Theatertreffens in Bern AUA auf die estnische Gruppe NO99 mit ihrer Performance „Jeder echte Herzschlag“ auf.
Die Herzen des AUA Publikums haben sie schon drei Mal höher schlagen lassen, das Tallinner Ensemble NO99: mit der Oil-Peak-Groteske «Nafta», der Befruchtungsaktion «HEM» (Heisse estnische Männer) und zuletzt mit «Wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt», einer von Beuys inspirierten Hinterfragung des Künstlerdaseins vor dem Hintergrund drastischer Sparmassnahmen. Produktionen, die nicht nur in Estland künstlerische wie sozialpolitische Debatten auslösten.
Die bisherigen Projekte basierten auf einem dramaturgischen Plot und setzten sich mit estnischer Identität und allen Folgeerscheinungen eines neoliberalen Wirtschaftssystems auseinander. Jetzt richtet sich der Fokus ganz ohne Plot auf das Individuum, seine fragile emotionale Identität in einer emotional leergefegten Welt. Und NO99 setzt dafür auf die Poesie, auf Gedichte des estnischen Dichters Juhan Liiv (der in diesem Jahr seinen hundersten Todestag hat). Poesie nicht im romantischen Sinne, nicht lauwarm, sondern heftig, emotional riskant. «Es geht nicht einfach ums Überleben, wir wollen wissen, wovon hängt Leidenschaft ab, heute, in unserem Leben? Worüber denken die Menschen nach? Was fühlen sie? Was hilft uns, den anderen Menschen zu erkennen, auch dann, wenn wir seine Sprache nicht sprechen, seine Augen nicht kennen und keinen Mut haben, seine Haut zu berühren? Können wir ihn überhaupt erkennen? Fühlen wir überhaupt noch was?» (Tiit Ojasoo)

Juhan Liiv

Eine schwarze Decke hat unsere Stube

Eine schwarze Decke hat unsere Stube,
schwarz und verraucht,
dort gibt’s Spinnenweben und Ruß,
und Heimchen und Kakerlaken auch.

Was sie alles gehört, gesehen,
das kann man nicht sagen,-
wie wirft der Schmerz Schatten,
wie verändert er ihr Gesicht!

Viel Tränen, viel Schluchzen hat sie gesehen,
und viel Streit auch,
so viel, so viel Schmerz, -
oh Herr, erbarme dich!

Eine schwarze Decke hat unsere Stube
Und unsere Zeit auch:
Sie windet sich wie in Fesseln,
wenn sie reden könnte!

 (1909)

 

25.04.2013  |  Empowering Asian Germany   Die 21. Ausgabe des Kultur- und Gesellschaftsmagazins freitext mit dem Titel "Auftauchen" lädt ein zur Launchparty in das Ballhaus Naunynstraße in Berlin, am 27. April. Die Tehmenausgabe verfolgt das Ziel, unterschiedliche Asiatisch-deutsche Perspektiven in ihrer uneingrenzbaren Vielschichtigkeit und Multidimensionalität miteinander in Verbindung zu setzen.
Dies geschieht über literarische Texte bedeutender AutorInnen unserer Zeit wie die japanisch-deutsche Autorin Yoko Tawada ("Ich wollte nur Geld, bekam aber die Wahrheit"), über Interviews und Buchbesprechungen ("Die Kunst des Sezierens. Eine Leseerfahrung zu Jinthana Haritaworns 'The Biopolitics of Micing'")  hin zu Essays über Dostojewski und Kafka- Übersetzungen ins Japanische, über Ethnisierung und Identität und über "Mutterland und Vatersprache" (Linda Koiran). Außerdem mit dabei: "Das Karma-Sutra der 7 Schritte ? Anleitung zum erfolgreichen Aufbau einer Community" von Van Bo Le-Mentzel, dem berühmten Erfinder der Hartz IV Möbel. freitext-RedakteurInnen Marianna Salzmann und Mutlu Ergün haben gemeinsam mit Kien Nghi Ha einen politischen Dialog geführt über die Ermordung von Jonny, einem jungen asiatisch-deutschen Mann, der am Alexander Platz in Berlin tot geschlagen wurde: Goodbye Jonny.

 

25.04.2013  |  Biografie eines Erdferkelforschers   Vor zehn Jahren, am 25. April 2003, starb Ted Joans in Vancouver. Seine "Blitzliebe Poems" waren das erste Buch auf Deutsch, das in der damals so genannten "Loose Blätter Presse" - dem Vorläufer des heutigen Kellner Verlags - erschien. Michael Kellner erinnert aktuell auf seinen Verlagsseiten an den Beatpoeten:

Biografie eines Erdferkelforschers
(aufgeschrieben von ihm selbst)
Ted Joans wurde 1938 in Cairo, Illinois, einer kleinen Stadt am Mississippi geboren. Seine Eltern arbeiteten auf Riverboats. 1943 wurde sein Vater bei Rassenunruhen in Detroit von weißen Rassisten ermordet. Joans studierte Bildende Künste an der University of Indiana, schloss sein Studium mit einem B.A. ab und ging anschließend nach New York. Er arbeitete in einem Atelier in Greenwich Village, stellte seine Werke regelmäßig unter den avantgardistischen Künstlern aus und las seine Gedichte gemeinsam mit den Dichtern der "Beat Generation". 1961 ging er freiwillig ins Exil nach Timbuktu, dem alten Zentrum afrikanischer Geschichte. Er bereiste Nord- und Westafrika, um Material für ein Buch über afrikanische Kunst zu sammeln. Jeden Sommer kam er nach Europa und las seine Gedichte in Jazzclubs und Universitäten, um Geld zu verdienen. 1964 traf er in Paris den schwarzen Revolutionär Malcolm X, im Juni 1960 bereits den Dichter des Surrealismus, André Breton. Beide übten einen starken Einfluss auf sein weiteres Leben aus. Joans nahm an der ersten Black Power Konferenz in London im Sommer 1967 mit Stokely Carmichael teil und im folgenden Jahr an der ersten Black Power Konferenz in Paris mit James Forman, Aimé Césaire und Jean-Paul Sartre. Im Sommer 1968 kehrte er in die USA zurück und nahm an Veranstaltungen mit LeRoi Jones, Rap Brown, dem SNCC und anderen teil. Nachdem er seine Gedichte von Montreal in Kanada bis nach Mississippi im tiefen Süden der USA gelesen hatte, kehrte er im Winter nach Afrika zurück. Er trug seine Gedichte vor italienischen Arbeitern und Studenten vor. Ted Joans veröffentlichte mehrere Bücher mit Gedichten, Collagen und Prosa.

 

24.04.2013  |  Die Bibliothek von Babel   Mitte April 2013 eröffnete in der Universitätsbibliothek Weimar eine neue Ausstellung. Gezeigt werden Objekte und Installationen von Andreas Wolter, in denen sich der Künstler mit der Novelle »Die Bibliothek von Babel« von Jorge Luis Borges auseinandersetzt.
Der 1941 veröffentlichte Text beschreibt ein mögliches Universum in Gestalt einer Bibliothek. In den Büchern dieser Bibliothek wird die Gesamtheit aller Kombinationsmöglichkeiten des Alphabets durchgespielt. Logische Konsequenz ist, dass diese Universalbibliothek vollständig ist und alle Bücher enthält, die jemals geschrieben wurden und geschrieben werden können.
Allerdings führt dies auch zu einer schier unendlichen Zahl von Publikationen, in denen nicht ein einziger sinnvoller Satz zu finden ist. Und so wird trotz des Universalwissens, keiner der Bibliothekare jemals ein sinnvolles Buch innerhalb der Bibliothek finden können.

 

24.04.2013  |  Trauertanz als neuer Heartbeat   Aktivistin, Kriegsgegnerin, Feministin – als Lyrikerin hat Denise Levertov (1923-1997) für die zentralen Themen ihres Lebens eine eindrückliche, eigenständige und sensible Sprache gefunden, die ihr teilweise begeisterte Anerkennung brachte. Der Trauertanz ist eines ihrer denkwürdigsten Werke, in dem sie ihren Gefühle gegenüber dem Krieg und dem Tod ihrer älteren Schwester Ausdruck verleiht und ist nun zweisprachig, übersetzt und mit einem Nachwort von Judith Pouget, in der Stadtlichter Presse als Heartbeat N° 21 erschienen.
 

*** Fundstück (mit Dank an Johannes Beilharz) ***

Variation zu einem Thema von Rilke

Ein bestimmter Tag wurde mir zu einer Präsenz;
da war sie, trat mir entgegen – Himmel, Luft, Licht:
ein Wesen. Und bevor es herabzusteigen begann
von der Höhe des Mittags, beugte es sich über mich
und schlug auf meine Schulter wie mit
der Fläche eines Schwerts, erteilte mir
Ehre und eine Aufgabe. Der Schlag des Tages
erklang metallisch, oder war ich es, eine Glocke, erwacht,
und was ich hörte, war mein ganzes Selbst,
das sagte und sang, was es wusste: ich kann.

Übertragung des Gedichts Variation On A Theme By Rilke, das den 1. Vers des 1. Gedichts im 1. Teil von Rainer Maria Rilkes Stundenbuch (1905) variiert. Ins Deutsche übertragen von Johannes Beilharz (© 2012)

 

24.04.2014  |  Alter Schwede – Experimentelle Dichtung und Musik aus Schweden und Berlin   Das interdisziplinäre Festival "Alter Schwede!" päsentiert vom 26.-28. April 2013 Lesungen, Konzerte und Text-Sound-Performances von 16 Autoren und Musikerinnen aus Schweden und Berlin, die unterschiedliche ästhetische Konzepte, Szenen und Generationen vertreten. Die Programmabende sind im Spannungsfeld von Improvisation und Montage, language poetry und Sozialrealismus, Neuer Musik und Noise, Konkreter Poesie und fragmentarischer Prosa angelegt. Die Künstler entwickeln für das Festival etliche neue Arbeiten, die meisten der Duokonstellationen haben Premierencharakter. Mit Ida Börjel, Johan Jönson, Pär Thörn und Andrzej Tichý bringt "Alter Schwede!" einige der bekanntesten und originellsten schwedischen Autorinnen ihrer Generation nach Berlin und macht ihre Literatur - zum großen Teil erstmals - einem deutschsprachigen Publikum zugänglich. Werkauszüge von ihnen werden eigens für das Festival ins Deutsche übersetzt und zusammen mit den deutsch- und mehrsprachigen literarischen Beiträgen von Sven-Åke Johansson, Cia Rinne und Uljana Wolf  in einem kostenlosen Festivalreader abgedruckt.
Mit: Burkhard Beins, Ida Börjel, Axel Dörner, Andrea Ermke, Hanna Hartman, Sven-Åke Johansson, Johan Jönson, Helena Jureén, Martin Küchen, Anders Lindsjö, Mats Lindström, Tisha Mukarji, Cia Rinne, Pär Thörn, Andrzej Tichý und Uljana Wolf.

 

24.04.2013  |  Lyrikpreis München – letzte Einreichungswoche der ersten Runde   Deutschsprachige Lyriker können dreimal im Jahr auf bis zu 10 Seiten Gedichte einreichen (bei kurzen Gedichten jedes auf einer Seite), gleich ob es sich dabei um mehrere Arbeiten oder eine längere handelt. Die Zusammenstellung hat keinerlei thematische oder formale Auflagen, sie soll jedoch charakteristisch für das derzeitige Schaffen des Lyrikers sein.
Fünf, höchstens sechs der jeweiligen Einreichungen werden von einer Vorjury ausgewählt, um am betreffenden Leseabend von den Autoren vorgetragen zu werden. Bis zum 30. April sind noch Zusendungen möglich. Das Prozedere hier.

 

23.04.2013  |  Richie Havens gestorben   „Im New Yorker Stadtteil Brooklyn kam er zur Welt, neun Kinder waren sie, er war der älteste, die Straße war für ihn Bühne. Als er die Schule hinter sich hatte, wandte er sich ein paar Meilen nach Norden, über die Brooklyn Bridge nach Manhattan, in die magische Künstlerszene von Greenwich Village, die Magnet war und Droge und die bis heute in der amerikanischen Folkmusik nachhallt. "Erst trug ich Gedichte vor, daneben verdiente ich mir mein Geld mit Porträtzeichnen. Die Nächte verbrachte ich in den Folkclubs und saugte die Musik in mich auf. Es dauerte, bis ich selbst zur Gitarre griff." schreibt Claus Biegert über den singenden Poeten Richie Havens, der nach Angaben seiner Familie 72-jährig einem Herzinfarkt erlegen ist.
Mit der Gitarre reichte es für Richie Havens zu Weltruhm – eher zufällig und notgedrungen, als er 1969 das legendäre Woodstock-Festival eröffnete und dabei auf Wunsch der Veranstalter die Zeit zu überbücken versuchte, bis die anderen Musiker eintrafen, die auf verstopften Straßen kein Vorankommen fanden. „…nach fast drei Stunden ging ihm das Repertoire aus. Da kam ihm zu Gute, dass er als Sechzehnjähriger in Brooklyn zu den McCrea Gospel Singers gehört hatte. Er experimentierte mit dem Spiritual "Sometimes I feel like a Motherless Child", unermüdlich tanzte die ringbestückte Hand über die Gitarre, und plötzlich entschlüpfte ihm ein Schrei: "Freedom".


23.04.2013  |  Semantische Verwischung und akkordische Überlagerung   Ab Mai neu bei Ritter - Gerhard Rühms Text „hugo wolf und drei grazien, letzter akt“ ist als performatives Bühnenstück wie auch als radiophoner Text im Sinne der „Konkreten Poesie“ konzipiert. Jede der fünf auftretenden Personen spricht ausschließlich Wörter auf einen der Vokale u, o, a, e, i. Der Komponist Hugo Wolf (u, o), dem unter Bezugnahme auf seine, von einer frühen Syphilisinfektion herrührende, bewusstseinsspaltende Erkrankung eine Doppelrolle zugewiesen wird, hatte drei intensive Liebesbeziehungen. Es ist ein merkwürdiger Zufall, dass in den Vornamen der Frauen (Valy, Frieda, Melanie) jeweils zu Beginn die Vokale a, i, e aufscheinen.
Wie aus dem Titelzusatz „letzter akt“ ersichtlich, konzentriert sich der Text auf Wolfs letzte Lebensphase, die einerseits von Wahnvorstellungen, andererseits von zunehmender körperlich-geistiger Erstarrung bestimmt war. Das Erscheinen der „grazien“ (a, i, e!) lässt sich so in diesem Kontext als halluzinative Projektion Wolfs interpretieren, während die progressive Reduktion und semantische Verwischung des Wortbestandes in seiner zunehmenden akkordischen Überlagerung als modellhafter Prozess allmählichen mentalen Versiegens gedeutet werden kann: Gesagtes verliert sich in reinem Klang. (Verlagstext).
Gerhard Rühms "Soundpoesie" auf youtube.


23.04.2013  |  Fünf mal zwölf Gedichte   Die Schock Edition ist eine feine Lyrikreihe der Epidemie der Künste (EdK) herausgegeben von Kai Pohl, die im Verlag Distillery erscheint. Die Publikation versammelt jeweils 12 Gedichte von fünf Autoren in fünf Heften mit jeweils einer Grafik im Innenteil. Ein Pappschuber als Sammelhülle verleiht den Heften Standfestigkeit im Bücherregal. Die aktuelle vierte Ausgabe bringt folgende 5 Einzelhefte à 28 Seiten:  Agentenkollektiv Aufstand als Dienstleistung; Lothar Feix Letztes Lied; Jazra Khaleed Jazra Grosny;  Knofo Zweihundert Gramm Staat; Andreas Paul Spartakistenblut auf Schnee. Die Erstauflage kommt in 60 Exemplaren.

 

23.04.2013  |  Fünfzig Jahre LC  Es gehört wohl zu den Pointen der Stadt Berlin, dass der Geist der Nachkriegsmoderne Anfang der sechziger Jahre im schmucken Ambiente einer abgewohnten Gründerzeitvilla heimisch wurde. Walter Höllerer hatte im kargen West-Berlin der frühen Mauerjahre die ansteckende Vision einer künstlerischen Produktionsstätte für Autoren, Theater- und Filmemacher entwickelt, ein Haus für Sprache und Literatur im technischen Zeitalter. Die Entdeckung eines leer stehenden Terrassenhotels in schönster Wannseelage unweit der S-Bahn erwies sich dabei als Glücksfall, denn als Gästehaus war es genauso geeignet wie für ein Autorentreffen oder das eine oder andere veranstalterische Experiment.
Das „Literarische Colloquium Berlin“ (LCB), im Mai 1963 mit Fördergeldern der Ford Foundation gegründet und getragen vom Berliner Senat, wurde rasch zum Kristallisationspunkt internationaler Begegnungen und zur Bühne für die Diskussion mit dem Publikum. Tagungen der Gruppe 47, die San Francisco Poets, ein- und ausziehende Theatergruppen, Schriftsteller aus Ost und West füllten das Haus mit Leben, haben die Spuren gelegt zum Literaturbetrieb, wie wir ihn heute kennen. Fünfzig Jahre inmitten der Literatur: Das Literarische Colloquium Berlin hat seine Rolle immer wieder neu finden und interpretieren müssen. Als Veranstaltungsforum und Gästehaus, Werkstatt und Talentschmiede für Autoren und Übersetzer spielt es heute eine bedeutende Rolle. Mit seiner traditionsreichen Zeitschrift „Sprache im technischen Zeitalter“, seinen Internetprojekten und Förderprogrammen hat es die roten Fäden der Anfänge in die Gegenwart weitergesponnen.

 

23.04.2013  |  Au weh! Ich bin in tausend Schmerzen!   Dem schlesischen Barockdichter Martin Opitz hat die deutsche Poesie viel zu verdanken. Im »Buch von der deutschen Poeterey«, erschienen 1624, legte er die Regeln der Poesie fest. Es war die Übertragung der lateinischen Rhetorik auf die deutsche Dichtung. Das ermöglichte es den Dichtern, ihrem (lateinischen) humanistischen Bildungsideal auch in ihrer eigenen Sprache zu folgen. Diese Reform ging in die Literaturgeschichte ein. Aber Opitz war nicht nur ein bahnbrechender Theoretiker, sondern hinterließ neben vielen anderen Schriften auch anrührende Liebesgedichte und aufwühlende Poeme über die Gräuel des Dreißigjährigen Krieges.
Ein Abend über Martin Opitz mit Norbert Hummelt, Michael Lentz, Wolfgang Kessler und Roswitha Schieb kürzlich in der Literaturwerkstatt Berlin wurde mitgeschnitten und ist aktuell auf Litradio zu hören.

 

22.04.2013  |  Gegenwart ist immer - nur der Mensch ist alt   „du sagst “gegenwart ist immer” und nach einem gedankenstrich fügst du das wort “kunst” an. ich verstehe diesen satz als doppelsatz: gegenwart ist immer und gegenwart ist immer kunst. jetzt kann man aber auch sagen, der mensch ist nicht gegenwartsfähig, sondern lebt in der vergangenheit und in der zukunft, aber nie jetzt. kann man kunst als sehnsucht verstehen, die zeit anzuhalten, aus zeit, wenn schon nicht raum, so zumindest eine textfläche zu machen, einen text also, der keiner chronologie mehr unterworfen ist?“ Verleger Dieter Bandhauer und Autor Herbert J. Wimmer im Gespräch im Salon Littéraire.
Herbert J. Wimmers neuer Roman Membran ist wie ein Magisches Quadrat gestaltet: 25 als »konvolute« bezeichnete Kapitel, nach dem Alphabet von A bis Z geordnet, aber ohne E; jedes Konvolut wiederum ist in 25 durchnummerierte Abschnitte gegliedert und jedes Konvolut enthält ein Zitat von Elfriede Gerstl, seiner 2009 verstorbenen Lebensgefährtin. Wimmer versteht diesen Text als Erinnerungsarbeit, in der Gegenwart und Vergangenheit ineinander übergehen: die Gegenwart ist voller Erinnerungen, die Erinnerungen voller Gegenwart. Membran ist ein Buch, durch das »elfriede nun hindurchgeht …“ – Lesung am 24.04.in der Alten Schmiede in Wien.

 

22.04.2013  |  Hochseiltänzer über Ruinen   „Latenz ist etwas, das da ist, ohne dass man es sehen oder greifen kann. Wir können es mit dem von dem niederländischen Historiker Eelco Runia geborgten Bild des blinden Passagiers erfassen. Der ist anwesend, beansprucht auch Raum, doch niemand kennt ihn, und niemand kann mit Bestimmtheit sagen, wo er ist, schon gar nicht, ob er überhaupt existiert.“ … „Auf der Umschlagabbildung des Buches werden Hochseilartisten über den Frankfurter Nachkriegsruinen gezeigt. Die Latenz wäre hier im Raum zwischen den Artisten der Luft und den Ruinenbewohnern, die sich nicht einmal ansehen, zu suchen. Man kann Latentes nicht sehen, aber gut lesen. Und hier wird die Sache interessant. In welcher analysierbaren ›Stimmung‹ befinden wir uns eigentlich (philosophisch und ästhetisch gesprochen), wenn wir unsere Gegenwart beschreiben? Die Latenz der Gegenwart besteht Gumbrecht zufolge darin, dass sie eine lange und langsame Präsenz hat …“ Michael Braun (der andere - von der Uni Köln) bespricht aktuell auf IASL Hans Ulrich Gumbrechts Buch Nach 1945. Latenz als Ursprung der Gegenwart.

 

22.04.2013  |  Übrig in zwei Exemplaren   Heute vor 75 Jahren starb Robert Seitz.
Durch einen Aufruf in der Magdeburger Presse gab Seitz 1919 den Anstoß zur Gründung der Magdeburger Künstlervereinigung Die Kugel, die von 1919 bis 1923 bestand und der Künstler wie Franz Jan Bartels, Max Dungert und Bruno Beye angehörten. 1921 veröffentlichte Seitz im Magdeburger Karl-Peters-Verlag einen Gedichtband mit expressionistischer Lyrik "Das Herz in den Augen" (in Deutschland sind lediglich zwei verbliebene Ex. davon nachgewiesen, in der Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig und in der Staatsbibliothek zu Berlin/Preussischer Kulturbesitz – weder in der übrigen Bibliothekslandschaft, noch im antiquarischen Handel, noch in digitaler Form ist das Buch zu bekommen. Auch das DLA Marbach, das den Nachlass verwaltet, hat das Buch nicht). 1924 wurde Seitz nach Berlin versetzt. Ab 1927 wohnte er in der Künstlerkolonie Wilmersdorf. 1928 gab er seine kaufmännische Anstellung auf und wurde freier Schriftsteller.
Seitz schloss sich dem Schriftstellerkreis an, der sich um den Verleger Victor Otto Stomps und dessen 1926 gegründeten Verlag Rabenpresse bildete. Dazu gehörten auch Horst Lange und dessen Frau Oda Schaefer, Peter Huchel, Werner Bergengruen, für kurze Zeit Joachim Maass, Walther G. Oschilewski, Jens Heimreich, Rolf Bongs, Werner Helwig, Eberhard Meckel und Hans Gebser, der in der Schweiz als Philosoph Jean Gebser bekannt wurde.

Der Bettelgeiger

Plötzlich ist er nicht mehr Mensch, der dunkel
An die starre Türe hingeklemmt
Seines Liedes schluchzendes Gefunkel
In die fliehende Minute stemmt.

Plötzlich ist er nicht der Unbekannte,
Der von latschendem Erbarmen lebt
Und zerbückt an irgendeiner Kante
Einer windzerfetzten Mauer klebt,

Der der Geige hingekrümmte Schreie
In die glotzenden Etagen schmeiszt –
Hilferufe, die die fette Reihe
Stumpfer Blicke mitleidlos zerreiszt.

Plötzlich ist er schon der Ewig-Eine.
Der uns stets und unablässig naht,
Bittend – wie er im Laternenscheine
Gestern uns in einer Dirne bat,

Wie er morgen irgendwo verlassen
Flehentlich in einem Krüppel stirbt,
Dasz er innig im Gewühl der Gassen
Um das Göttliche im Menschen wirbt!

Aus: Die Kugel. Heft 2, Januar / Februar 1920

 

21.04.2013  |  Phantasmagorie des Fortschritts   Am Dienstag, den 23. April um 20:10 im Deutschlandfunk eine Wiederausstrahlung des 2006 vom Berliner Ensemble aufgenommenen „ Lehrstück“  von Bertolt Brecht.
Die Uraufführung unter Brechts Regie in der Baden-Badener Stadthalle am 28. Juli 1929 wurde zum Skandal und beendete die Ansiedlung der 'Deutschen Kammermusik', des Festivals der zeitgenössischen Musikszene in der Kurstadt. Während das am Vortag uraufgeführte Radiolehrstück 'Lindberghflug' eine Symbiose von Mensch und Maschine feierte, stellte das zweite Lehrstück das Katastrophenpotenzial exemplarisch zur Debatte, das in allen fliegerischen Unternehmungen und in den Phantasmagorien des Fortschritts steckt. "Meine Gedanken waren Maschinen und/Die Kämpfe um Geschwindigkeit", berichtet der abgestürzte Flieger: "Ich vergaß über den Kämpfen/Meinen Namen und mein Gesicht/Und über dem geschwinderen Aufbruch/Vergaß ich meines Aufbruchs Ziel." Ein Stück der Zeitdiagnose, das 1929 noch auf taube Ohren traf.

 

21.04.2013  |  Neues von alten Möglichkeiten   Am Wochenende vom 26. -28. April öffnen 51 Gallerien drei Tage und drei Nächte ihre Türen für das Berlin Gallery Weekend. Ein Highlight dabei dürfte die Wiederentdeckung von Henri Chopin sein.
Der fast vergessene Pionier der Klangpoesie, experimentiert mit den visuellen Möglichkeiten der Wörter, er übersetzt Schrift nicht in Linien und Formen, er nutzt sie als direktes Medium der Zeichnung. 2012 zeigte das New Yorker Museum of Modern Art einen Teil von „La crevette amoureuse“ (1967–75) in der Ausstellung „Ecstatic Alphabets / Heaps of Language“, in der Berliner Galerie Supportico Lopez ist erstmals das gesamte Buch zu sehen.
Nicht zu sehen sein wird der 2008 verstorbene Henri Chopin (dafür auf youtube, wie er als 84-Jähriger Sounds kreiert). Michel Giroud (2004) über Henri Chopins Klangpoesie:
„Es handelt sich um eine Sprache ausserhalb der institutionellen Sprachen, eine Sprache vor der Sprache (der auditiven Zeichen, der energetischen und spielerischen Signale der Wale und Delfine), eine Sprache über der Sprache, eine Sprache des Rauschens, einer Sprache der Seele (anima), ein freies Pulsieren der kosmischen Energie, aus der wir bestehen. Diese Sprache hat keine Nationalität, keine Zugehörigkeit, sie besteht aus den nicht reduzierbaren, unveräußerlichen und einzigartigen Energien aller Lebenden, der Energie von fremdartigen, rätselhaften aber solidarischen Individuen im Einklang mit allen Individuen, die es gewagt haben, sich von den den Regeln und Zwängen, Zugehörigkeiten und Gehorsamkeiten, Unterordnungen und Kompromissen, Gefälligkeiten und (traditionsbesetzten oder experimentellen) Schulmeinungen loszulösen. Bei Henri Chopin heißt es Basta und Lasst alles los, nämlich Eintauchen ins Unbekannte, Erforschen des inneren Stimmraums, der anderen Seite der Stimme, eine Art Unterwasserfahrt, Speleologie der unerforschten Gänge und Grotten der Stimmritze, der Gurgel, dem Bauch und der Lunge dort, wo der Atem (pneuma) produziert wird.“

 

21.04.2013  |  Size matters?   “Poetry surrounds us everywhere, but putting it on paper is, alas, not so easy as looking at it.” —Vincent van Gogh.
Upon Paper ist das wahrscheinlich größte Magazin der Welt. Es ist noch nicht das beste, aber es will der gebeutelten Zunft Mut machen. Print ist alles andere als tot! Upon Paper sprengt den Rahmen. Den Rahmen des Transportierbaren. Den Rahmen des günstig Produzierbaren (Bogen-Offset, frequenzmoduliertes Raster, 170-Gramm-Papier haben ihren Preis und der Initator des Projekts, der Papierproduzent Hahnemühle, der seit mehr als vier Jahrhunderten Künstlerpapiere bester Provenienz herstellt, hat seinen Anspruch.) Den Rahmen des Lesbaren. (2100 Gramm, 49 mal 69 Zentimeter kann man nicht mehr einfach im Sitzen blättern, der Coffeetable reicht auch nicht mehr. Die aktuelle Ausgabe # 2 erschien zum Thema color (mouseover und dann blättern).

 

21.04.2013  |  Unveröffentliche Musikalische Gedichte   Michael Mann wird (heute vor 94 Jahren) am 21. April 1919 als sechstes und jüngstes Kind von Katia und Thomas Mann in München geboren und schreibt schon als Kind  Erzählungen und Geschichten, entscheidet sich dann doch aber doch für eine Karriere als Musiker. Er studiert Geige und veröffentlicht eine Reihe von Publikationen über Musiktheorie. Für seinen Vater Thomas Mann wird er bei der Arbeit am Roman Doktor Faustus (1947) ein wichtiger Berater in musiktheoretischen Fragen. Als er vierzig wird, switched er, nimmt noch einmal ein Germanistikstudium an der Harvard Universität auf.  1961 schließt er das Studium mit einer Promotion über Heinrich Heines Musikkritiken – er sucht die Verbindung von Musik und Literatur. Erstmals 1973 erscheinen eigene Prosaarbeiten in Literaturzeitschriften. Mit nur 57 Jahren stirbt Michael Mann am Neujahrstag 1977 unter nie geklärten Umständen in seinem Haus in Orinda bei Berkeley an einer Mischung aus Alkohol und Barbituraten.
In der Münchner Stadtbibliothek (Monacensia) findet sich sein Nachlass, der nicht nur unveröffentlichte Prosa und Briefe, sondern auch unveröffentlichte Lyrik (u. a. „Musikalische Gedichte“) unter dem Sign. MiM enthält.

 

20.04.2013  |  Krank oder genial? Das Lebenswerk des Patienten Karl Hans Janke   Eine Psychiatrische Anstalt ist der Ort, an dem im Jahr 2000 Sensationelles auf einem Dachboden entdeckt wurde: Das Lebenswerk des Patienten Karl Hans Janke. Der Erfinder Janke saß den größten Teil seines Lebens in einer psychiatrischen Anstalt. Von 1948 bis zu seinem Tod 1988 war er Insasse des Krankenhauses Hubertusburg in Wermsdorf, einem kleinen Ort in Sachsen. Die Diagnose lautete "chronisch paranoide Schizophrenie", das Symptom seiner Erkrankung sei "wahnhaftes Erfinden". Krank oder genial? Auf jeden Fall ein Erfinder, der schon mit Leonarde da Vinci verglichen wurde. Zu recht, wie seine über 4000 Skizzen und Modelle von Raumschiffen, Raketen und anderen futuristischen Fluggeräten beweisen.
Diese aktuelle Ausstellung vom 21. April 2013 bis 26. Mai 2013 in der Galerie Girasole im Rittergut Ehrenberg ist eine Dokumentation über sein Leben und seine Erfindungen. Gezeigt werden Kopien kunstvoller Querschnitte seiner technischen Erfindungen, wie Entwürfe neuartiger Antriebe, sein von ihm entworfenes Stammbuch der Menschheit, Schautafeln, seine Biografie und Zeitungsinformationen, die sein Leben lebendig werden lassen.

 

20.04.2013  |  Smaragde der Transparenz   Ein Milos-Crnjanski-Abend in Zürich mit Ilma Rakusa und Sreten, Writer in residence des Literaturhauses, am Dienstag, den 21. Mai. Er ist ein Klassiker und zugleich Geheimtip der modernen europäischen Literatur: der serbische Autor Milos Crnjanski (1893-1977). Ilma Rakusa und Sreten sprechen über sein Leben und Werk, Gian Töndury liest ausgewählte Texte. In dem Prosapoem «Tagebuch über Carnojević», das zu einem Schlüsseltext der jugoslawischen Moderne wurde, erzählt er in mäandrierenden Bildern, Gedankenfetzen, Erinnerungen und Träumen, mit sinnlichen Details von jener aus den Fugen geratenen Welt, in der nichts mehr so ist, wie es einmal war. In seiner Prosa, seinen Erinnerungen und Gedichten vermengen sich lapidare Chronik und hellsichtige Poesie, das unscheinbare Detail steht lückenlos neben der weltgeschichtlichen Katastrophe.
„Seine poetische Prosa hat die moderne serbische Literatursprache geradezu erschaffen. Die Ursprünge Crnjanskis liegen jedoch in der Lyrik. Ithaka ist kein harmloses Gedichtbändchen für den Nachttisch.“ schreibt der Leipziger Literaturverlag. Crnjanskis Gedichtband Ithaka (1919 in Belgrad veröffentlicht) erschien erstmals 2008 bei erata auf Deutsch , von Viktor Kalinke übertragen, während der bezugnehmende autobiographische Crnjanski’sche Kommentar  bereits 1967 bei suhrkamp (und 2011 wieder) herauskam.

 

20.04.2013  |  Erich Weinert bei Dichters   Fixpoetry erinnert zum 60.Todestag  an den politischen Lyriker Erich Weinert (* 4. August 1890 in Magdeburg; † 20. April 1953 in Berlin) mit einem Gedicht aus der Weimarer Republik, als er entschieden den Kontakt zu einem eher proletarischen Publikum suchte und fand.

Bei Dichters

Neulich war ich bei Dichters eingeladen.
Da roch es nach Lorbeern und Gesprächen mit Gott.
Es gab lyrische Hammelkarbonaden
Und hinterher Aphorismenkompott.

Herr Dichter sprach über die letzte Schaffensepoche
Und kaute gedankenvoll Petersilie.
Es kam mir vor wie ein Bild aus der „Woche“:
Der Dichter im Kreise seiner Familie.

Frau Dichter machte in Seelenergüssen
Und sprach, als Herr Dichter mal austreten ging,
Von der Tragik derer, die dichten müssen.
Wobei sie noch mal mit Kompott anfing.

Nach Tisch kamen noch zwei weitere Genies,
Beide mit katafalkischen Mienen,
An denen sich unschwer erkennen ließ:
Es lebte die gleiche Tragik in ihnen.

Herr Dichter schob uns in seine Zelle;
Da war er eben von einem Drama genesen.
Wir lagerten uns pittoresk an der Quelle.
Herrn Dichter drang es, was vorzulesen.

Und er las, bis seine Bronchien pfiffen,
Die lautesten Stellen aus jedem Akt.
Wir saßen finster und angegriffen,
Von seiner starken Dynamik zerhackt.

Dann klappte er zu, mit verhängten Pupillen.
Frau Dichter schmolz über seine Knie.
Im Dunkeln funkelten hörnerne Brillen,
Die räusperten was von Kosmosophie.

Hierauf traten die andern Herrn aus dem Schatten.
Manuskripte wurden heftig gezückt,
Die sie alle zufällig bei sich hatten;
Und jeder las nun den eignen Konflikt.

Herr Dichter sah ganz von oben runter,
Das geschlossene Auge nach innen getunkt.
Doch die andern wurden gewaltig munter
Und deklamierten geballt, ohne Reim und Punkt.

Das eine Genie kriegte tragische Inspiration,
Die eine Hand im Klavier, die andre am Schlipse,
Und melodramte lyrisch kakophon.
Es war eine schauerliche Apokalypse.

Dann redeten sie mit verstauchten Manschetten:
Sie wären innerlich völlig Kristall,
Und wie sie mit Gott zu ringen hätten
Und glühend dahinzuschweifen durchs All. -

Ich bin leise weinend davongelaufen,
Mir hing schon die ganze Seele raus.
Denn so viel Tragik auf einen Haufen,
Das hält die beste Gesundheit nicht aus.

(1927)

 

19.04.2013 Die surreale Bewegung des Denkens   „Die Geschichte der Poesie endet nicht mit dem Surrealismus. Dieser war nicht, wie er es voller Inbrunst anstrebte, eine entscheidende und endgültige Revolution, die das Tor zum allein „authentischen“ Wort aufgestoßen hätte. Ohne die ganze Poesie zu sein, hat er es dieser jedoch immerhin ermöglicht, durch die Aufdeckung bestimmter grundlegender Prinzipien mehr denn je sie selber zu sein. Dank dem Surrealismus erfährt sich die Poesie wie nie zuvor als geistiges Abenteuer, als Bewegung des Denkens, als freies Wort. Das genügt, damit die Aussichten auf eine Begegnung zwischen Dichter und Welt seit seiner Intervention beträchtlich gestiegen sind. Deswegen kann sich nichts von dem, was nach dieser Bewegung kommt, über ihre Lektion hinwegsetzen.“ Aus dem Nachwort von Petr Král zu Heribert Becker, Edouard Jaguer und Petr Král (Hrsg.): Das surrealistische Gedicht  - aktuell nachzulesen auf planet lyrik.

 

19.04.2013 Das Comeback der experimentellen Schriften   „Vor über 20 Jahren machten sich Neville Brody mit David Carson, Jeffery Keedy, Tibor Kalman (um nur einige zu nennen …) voller Begeisterung an ein experimentelles Font-Projekt: FUSE. Es entstand ein vielfach ausgezeichnetes Typo-»Magazin« voll unbändiger und revolutionärer Schriften, die Formen und Funktionen von Schriften mithilfe digitaler Medien für immer verändern sollte.
Selten waren Schriften so grenzenlos, so geprägt von einer mitreißenden typografischen Aufbruchstimmung, wie in der ersten Hälfte der 1990er Jahre. Das Gestalten am Computer setzte sich durch und brachte neue Freiheit. Es entstanden mutige, neue Schriften und freche Foundries. 1991 erschien die erste Ausgabe von FUSE, erfunden von Neville Brody und Jon Wozencroft. Was war FUSE?
FUSE war eine Karton-Box, die 4 bis 5 Poster enthielt und eine Diskette mit ebenso vielen Fonts. Brody und Wozencroft gaben jeder Ausgabe ein Thema, und zu diesem Thema luden sie Designer und Schriftentwerfer ein, einen oder mehrere experimentelle Fonts zu entwerfen sowie ein Poster dazu. Alles zusammen ergab ein vielfach ausgezeichnetes typografische Magazin, dass sich auf den Weg machte, den Rahmen traditioneller Typografie zu sprengen.“ FontShop

 

19.04.2013  |  Straelener Übersetzerpreis für Nikolaus Stingl   Für die Übersetzung des monumentalen Romans »Der Tunnel« des US-Autors William Gass erhält Nikolaus Stingl den Straelener Übersetzerpreis 2013 der Kunststiftung NRW. Die mit 25 000 Euro verbundene Auszeichnung gehört zu den höchstdotierten Literaturpreisen im deutschsprachigen Raum.
Der 1000-Seiten-Roman über einen Naziforscher „hat dem Übersetzer Nikolaus Stingl alles Erdenkliche an Einfühlung und sprachlicher Erfindungsgabe abverlangt. So wie sich die Hauptfigur William Frederick Kohler durch einen mit bloßen Händen gegrabenen Tunnel aus seinem Haus hinausarbeiten will, so musste der Übersetzer sich in den ungeheuren Textkörper hineinarbeiten. Souverän bewegt er sich auf allen Bewusstseinsebenen dieses epochalen Romans, folgt dem Autor in sämtliche Niederungen und Höhen des Ausdrucks, vom sanften Lamento bis zur enthemmten Tirade, vom obszönen Limerick bis zur philosophischen Reflexion“ so die Jury.
Mit dem Preis wird der 60-jährige Stingl auch für sein Lebenswerk geehrt.

 

19.04.2013  |  Die Kunst des Konsums   „Im alten China erzählt man sich die Geschichte von jenem Geschäftsmann, der mit Perlen handelte. Um sie noch wertvoller wirken zu lassen, steckte er sie in eine Schachtel, aus kostbaren Hölzern, besetzt mit Edelsteinen. Und die interessierte den Kunden, der einen enormen Preis bezahlte, viel mehr als die Perlen. So ist das bis heute. Wir kaufen die aufgemotzte Verpackung und scheren uns nicht darum, dass die Essenz, der wahre Wert oft gar nicht mehr vorhanden ist. Über die Sinnentleertheit der Warenwelt klagt die allseits verbreitete Konsumkritik, und wir alle klagen eifrig mit und kaufen heimlich trotzdem die Pizza aus der Vorabendwerbung.“ SWR2 – Kulturgespräch über das neue Buch des Kunsthistorikers Wolfgang Ullrich und seine Kritik der warenästhetischen Erziehung – „Alles nur Konsum“ erschienen bei Wagenbach.

 

19.04.2013  |  Hochkarätig und ortsverbunden: Über Hermann Lenz   Ein neuer Höhepunkt in der Literaturreihe „Text & Extra“ im MUSE-O: In einem Gespräch tauschen sich der Schriftsteller und Leiter des Literaturhauses Hamburg, Rainer Moritz, die Stuttgarter Dichterin Anna Katharina Hahn sowie der Autor und Hermann-Lenz-Experte Matthias Ulrich aus über die Gablenberger Wurzeln von Hermann Lenz, seine Erzählkunst und ihre Verbundenheit mit dem großen Stuttgarter Schriftsteller. Die Sprecherin Ulrike Goetz liest an diesem Abend aus dem Gablenberg-Roman „Verlassene Zimmer“ und ausgewählte Passagen aus anderen Werken.
Hermann Lenz  wurde vor 100 Jahren in Stuttgart geboren. Er hat mehr als 50 Jahre in Stuttgart verbracht und über seine Heimatstadt geschrieben wie kein anderer, vor allem in seinen neun autobiografischen „Eugen-Rapp-Romanen“.
Über seinen „Schwäbischen Lebenslauf“ ist in diesem Jahr im Verlag Ulrich Kreicher ein Band Prosa erschienen, wo man für heuer noch die Herausgabe von „Späten Notizen“ aus dem Nachlass vorsieht.
Der als Lyriker eher unbekannte Lenz „reduzierte Reim und Metaphorik und nutzte das Gedicht zunehmend für seine eigentümliche Form des Selbstgesprächs, die auf engstem Raum Melancholie, (Kultur-)Pessimismus und blitzartige Ausblicke in lichtvolle Gegenden bündelt. Lenz' Gedichte wirken schlicht, kommen beiläufig daher und sind zugleich beängstigende Komprimierungen existenzieller Empfindungen: "Du erinnerst dich, dass es sich ziemt,/ Abstand zu halten, auch von dir selbst." Rainer Moritz.

 

18.04.2013  |  On Jack’s Road   Die vier jungen Künstler Anna, François, Marlen und Phil machen sich gemeinsam auf die Suche nach Spuren von Jack Kerouac. Wie der Schriftsteller vor über 60 Jahren begeben sie sich auf einen Roadtrip quer durch die USA und begegnen dabei einigen Zeitgenossen aus der Beat Generation (in der Folge von letzter Woche z.B. ein ausgiebiger Besuch bei Charles Plymell, der dem Quartett im Beat eines seiner Gedichte vorlas). Trailer
19.04.2013; 19:15 Uhr: Folge 3 - Leben und Sterben in Lowell
26.04.2013; 19:15 Uhr :Folge 4 - Trennung auf Zeit
03.05.2013; 19:15 Uhr :Folge 5 - Wüstenzauber
10.05.2013; 19:15 Uhr :Folge 6 - Zeit des Abschieds
in ZDF.Kultur

 

18.04.2013  |  Lyrik und Architektur   Die meist vergriffenen bis verschollenen Lyrikbände der Werkgruppe Graz werden in der edition keiper neu aufgelegt. Die Werkgruppe Graz hat über einen Zeitraum von 30 Jahren, von 1966 - 1996, Lyrik neben der architektonischen Tätigkeit herausgegeben. Die Reihe der "braunen Büchl" aus dem gängigen braunen Packpapier mit einfachem Kartondeckel gestaltet, war als Gruß an Freunde gedacht, einmal im Jahr erschienen. Das Besondere war die persönliche Signatur des Autors, die diese Bücher zu dokumentarischen Unikaten machte. Doch auch der Umstand, dass es Erstveröffentlichungen waren, gab ihnen ihren Wert Die Autoren waren anfangs aus dem Freundeskreis der Literaten des Forum Stadtpark, später griff der Kreis weit aus. Mit der Architektur hatten die Gedichte eines gemeinsam: dass immer Orte im Mittelpunkt standen, seien es reale oder imaginäre. Dieser kontextuelle Aspekt war immer ein Anliegen, ist er doch der Arbeit der Lyriker verwandt.

 

18.04.2013  |  Dazwischen zischeln Sätze   Platz 7-8 der aktuellen SWR2-Bestenliste: Der Gedichtband verdecktes gelände von Nico Bleutge.
Zu diesem Übergang zwischen Winter und Frühling, zu dieser unscharfen Jahreszeit passen die Gedichte Nico Bleutge wie kaum etwas anderes: Seine in fünf große Abschnitte eingeteilten Texte wechseln zwischen Mikro- und Makrobeobachtung, zwischen Innen und Außen, zwischen Tag und Nacht, zwischen wahrnehmen und reflektieren. Immer wieder geht es ihm um "Natur", die sich ihm auch durch ein "lampengeschäft" oder eine graue und glatte Wand eröffnet, an der das lyrische Ich entlang geht. Wenn man sich auf die auf den ersten Blick eher hermetisch wirkenden Gedicht einlässt, entwickelt sich schnell ein unwiderstehlicher Sog, der lange nachwirkt.

 

17.04.2013  |  Fünfzig Jahre Werkstatt Rixdorfer Drucke   Am Freitag, den 19. April 2013 findet in der Galerie bauchhund salonlabor um 20 Uhr die Vernissage statt zum Jubiläum der Werkstatt (am 36sten Todestag ihres Gründers Günter Bruno Fuchs) – eine Ausstellung zu 50 Jahre Literaturgeschichte und politischer Grafik. Laudatio: Karin Pott; Lesung: Gedichte von Günter Bruno Fuchs, vorgetragen von Gaby Egert. Die Werkstatt Rixdorfer Drucke wurde 1963 in einem Kreuzberger Hinterhof unter dem Patronat des Berliner Poeten Günter Bruno Fuchs (†1977) gegründet.  Die Werkstatt besteht heute aus den vier Künstlern Uwe Bremer, Albert Schindehütte, Johannes Vennekamp und Arno Waldschmidt.
Man pflegte in den 1960er Jahren das Image des Bürgerschrecks. In Gruppenarbeit entstanden über die Jahre ihre zeitkritischen, provokanten, witzigen und respektlosen Wort- und Bilderbögen. Ihre Zusammenarbeit mit Dichtern und Schriftstellern schrieb Literaturgeschichte. Die Kalender, Mappen, Buchcover, Illustrationen, die Kartenspiele und Leporellos mit der unverwechselbaren Handschrift der „Rixdorfer” prägten die Ästhetik der politischen Grafik.

 

17.04.2013 | RHEIN! SECHS – Musik, Film, Geschichte(n)   Zum Release am Freitag, 19. April 2013, um 19 Uhr im Kulturzentrum Pumpwerk, Siegburg fallen10 Euro als Eintritt an – man erhält dafür das neue Heft Nr. 6 der Zeitschrift "RHEIN!" mit bisher unveröffentlichten Texten u. a. von Jürgen Becker, Kurt Drawert,  Yaak Karsunke, Jochen Kelter, Stephan Krawczyk,  Elisabeth Plessen, Ginka Steinwachs, zwei rumänischen Autoren (Dinu D. Amzar, Dan Dănilă) und drei rumäniendeutschen Autoren (Franz Hodjak,  Horst Samson, Hellmut Seiler).
Leonhard Beck (früher Folkwang-Hochschule) spielt Gitarrenmusik von Bernd Hänschke („Tönendes Licht“, 2013), Heitor Villa-Lobos („Konzertetüden“ 10 und 11, 1928) und Francis Poulenc („Sarabande“, 1960). Nikolaus Gatter zeigt zum Thema „Scherenschnitt und Moderne an Beispielen aus dem 20. Jahrhundert die Weiterentwicklung einer uralten Technik. Die Malerin Sabine Rolli  demonstriert und erläutert ihre Arbeitsweise. Kurt Rössler spricht über die Flucht der Juden in die Kölner Wolkenburg 1146/47. Der Filmemacher Christoph Felder stellt sein Projekt einer Filmreihe über bergische Künstler (Mary Bauermeister, Jürgen Becker u. a.) vor. Der rumäniendeutsche Autor  liest seine Satire „Dollary Club“…

 

16.04.2013  |  Zeitschriftenlese   „Die Verheißungen des Internet als unendlicher Informationskosmos und inter­aktives Medium haben seit dem Milleniums­wechsel auch einige Sumpfblüten in der Literatur­theorie gedeihen lassen. So entwirft der Schweizer Schrift­steller und Inter­net-Theore­tiker Lukas Jost Gross im aktuellen Heft 35 der Lite­ratur­zeit­schrift „Bella triste“ die farben­prächtige Apologie einer digi­talen Ästhetik, die alle tradi­tionellen Lite­ratur­konzepte trans­zendiert. Und wie üblich werden nicht nur der alte Genie-Begriff und die von ihm abge­leiteten Autor-Kon­zepte aus­gehebelt, sondern es werden alle Illu­sionen einer kollektiven Netz-Produk­tivität in schöns­ter begriffs­berau­schter Nai­vität wieder­holt. Zur Auf­ladung seiner revolu­tionären Ambitionen ent­nimmt Lukas Gross seine Theoreme den Arse­nalen des Struktu­ralis­mus, ver­mischt mit den ein­schlä­gigen Stich­worten der Internet-Techno­logie. Und das klingt dann so: „Im Raum der digi­talen Hyper­infor­mation hat die isolierte Figur des lei­denden, erschaf­fenden Genies end­gültig aus­ge­dient. Eine nächste Gene­ration von Autoren sind Program­mierer und „Patch­writer“, denen buch­stäb­lich nichts anderes übrig bleibt, als Sprache zu permu­tieren, sie ständig voran­zu­peit­schen, sie als Material zu be­han­deln.“ Und so geht es weiter mit der Digita­litäts-Pro­paganda.“ Michael Braun im Poetenladen.

 

16.04.2013  |  Trotzige Individualitäten   Der Anarchismus sei „eine in sich vielfältige politische Ideologie sowie eine auf ihr fußende politische. Bewegung […] Die Grundhaltung des Anarchismus zielt darauf, jede gesetzliche Zwangsordung, besonders den Staat, zu beseitigen sowie ein autoritäts- und herrschaftsloses Zusammenleben herbeizuführen.“ (Brockhaus) . Ob der Anarchismus wirklich eine Ideologie ist, sei mal dahingestellt, aber die erwähnte Vielseitigkeit kann als große Stärke des Anarchismus gelten. Genau das will die 2. Anarchistische Buchmesse in Mannheim vom 19. bis 21. April 2013 zeigen. Das libertäre Literaturangebot umfasst nicht nur die „Klassiker“. Gerade die kleineren Verlage tragen zu einer großen Bandbreite an AutorInnen und Themen bei.„Die Aufgabe, die der Anarchismus vor allem unter den deutschen Micheln zu erfüllen hat, ist in erster Linie: Individualitäten zu erwecken, sie zum Bewusstsein ihrer selbst zu bringen, trotzige Individualität des Geistes, des Charakters, des Temperamentes.“ schrieb schon Gustav Landauer (1870-1919).

 

16.04.2013  |  Trotzige Gedichte

Bertolt Brecht

Kuh beim Fressen

Sie wiegt die breite Brust an holziger Krippe
Und frißt. Seht, sie zermalmt ein Hälmchen jetzt!
Es schaut noch eine Zeitlang spitz aus ihrer Lippe
Sie malmt es sorgsam, daß sie's nicht zerfetzt.

Ihr Leib ist dick, ihr trauriges Aug bejahrt
Gewöhnt des Bösen, zaudert sie beim Kauen
Seit Jahren mit emporgezogenen Brauen
Die wundert's nicht mehr, wenn ihr dazwischenfahrt.

Und während sie sich noch mit Heu versieht
Entnimmt ihr einer Milch, sie duldet's stumm
Daß eine Hand an ihrem Euter reißt.

Sie kennt die Hand, sie schaut nicht einmal um
Sie will nicht wissen, was mit ihr geschieht
Und nützt die Abendstimmung aus und scheißt.

(1925)

 

16.04.2013  |  »Poetry is praise« – Stefan Georges “Sämtliche Werke“   Buchpräsentation im Literaturhaus Stuttgart am 18.04.2013, Donnerstag um 20.00 Uhr.
Zum 80. Todestag und 145. Geburtstag Stefan Georges wird mit dem »Schlussband« die kritische Edition seiner “Sämtlichen Werke“ abgeschlossen. Klett-Cotta und Stefan George Stiftung feiern aus diesem Anlass Georges Werk: Der berühmte Genfer Homme de Lettres  Bernhard Böschenstein wird Gedichte aus dem breiten Spektrum zwischen dem epochalen Beginn der frühen symbolistischen Phase wie Ein “Infant“ oder “Von einer Begegnung“ über beinahe expressionistisch anmutende Miniaturen wie “Lämmer“, die emphatische Zeitkritik der Jahrhundertwende von “Die tote Stadt“ oder “Nietzsche“ bis zu den schroffen Sprüchen und innigen Liedern des Spätwerks lesen und sich im Anschluss mit Ute Oelmann über die Bedeutung des »Hersagens von Gedichten« in der Tradition des George-Kreises unterhalten. Der Vorsitzende der George Stiftung Graf Vitzthum leitet in den Abend ein, der Verleger Michael Klett spricht über die wechselvolle, dreißigjährige Geschichte der Edition und der Berliner Literaturwissenschaftler Ernst Osterkamp “Über das Glück der Gesamtausgabe“. Im Anschluss laden Sie Stiftung und Verlag ein zu Brot und Wein.

 

15.04.2013  |  “Wer was gelten will, muss andere gelten lassen”   Der Applaus ist des Künstlers Brot. Auch wenn es sich nur schwer von Anerkennung allein lebt, enthält dieses Klischee doch einen wahren Kern, der für alle Menschen gilt: Anerkennung ist ein essentieller Teil des menschlichen Miteinander. Auf Respekt, Liebe und die Anerkennung für Leistungen möchte niemand gern verzichten. Doch Anerkennung hat noch eine tiefere Dimension: Durch sie bilden wir eine Identität aus. Erst, indem andere auf uns reagieren, werden wir uns unserer Selbst bewusst. Anerkennung kann so auch bedeuten, negative Reaktionen wie Hass oder Enttäuschung zu erfahren.
Bei HOHE LUFT_live in der modern life school in Hamburg diskutierten Anfang April Thomas Vašek und Heidi Salaverría kontrovers über die verschiedenen Ebenen der Anerkennung. Dabei erörterten sie unter anderem, was es bedeutet, einen Kampf um Anerkennung zu führen, ob man auch auf sie verzichten kann, und ob man nicht auch von Kühlschränken wenigsten ein bisschen mehr Anerkennung erwarten könnte.
Anhören kann man die Veranstaltung hier.

 

15.04.2013  |  Der Preis der LiteraTour Nord 2013   Die Lesereise um den Preis der LiteraTour Nord 2012/13 durch die beteiligten norddeutschen Städte Oldenburg, Bremen, Lübeck, Rostock, Lüneburg und Hannover endete im Februar mit der Lesung von Patrick Roth. Neben ihm lasen im Winterhalbjahr diesmal Jens Sparschuh, Dea Loher, Julia Schoch, Gerhard Seyfried und Marica Bodrožic aus ihren aktuellen Werken.
Die Lyrikerin und Erzählerin Marica Bodrožić erhält den von der VGH-Stiftung ausgelobten und mit 15.000 Euro dotierten Preis der diesjährigen Tour. Die Preisverleihung findet am 18.04.2013 in den Räumen der VGH Versicherungen, in Hannover, Schiffgraben 4, statt. Die Laudatio hält die Literaturkritikerin Meike Feßmann. Beginn ist 19 Uhr. Der Eintritt ist frei.


15.04.2013  |  Literatur am Fenster mit Überraschungen   Peter Wawerzinek gewann 2010 mit "Rabenliebe" (über eine Kindheit ohne Mutter und die spätere Wiederbegegnung mit ihr) bravourös und wohlverdient den Ingeborg Bachmann-Preis (sowohl der Jury als auch den Publikumspreis). Momentan arbeitet er an einem neuen Roman mit dem vielsagenden Arbeitstitel "Schluckspecht" und wird Auszüge daraus erstmals am kommenden Mittwoch, den 17. April 2013, 19.30 Uhr,in "Literatur am Fenster" im Kulturhaus Karlshorst vorstellen! Dazu gibt es eine (wirklich große) musikalische Überraschung. Gastgeber ist Martin Jankowski.

 


15.04.2013  |  Blut, Wut und Mut –  Georg Büchner und die 20. Feldkircher Literaturtage   Die Feldkircher Literaturtage 2013 sind aus aktuellem Anlass Georg Büchner gewidmet. Liebe, Tod, Ohnmacht, Verzweiflung und Widerstand gehören zu den immer wiederkehrenden Motiven bei Büchner und das sollte sich im Motto spiegeln.
Vor 200 Jahren wurde Georg Büchner (1813–1837) im südhessischen Dorf Goddelau geboren. Als er mit 23 Jahren in Zürich an Typhus verstarb, hatte er der Nachwelt gerade mal drei Theaterstücke, eine Erzählung und eine revolutionäre Flugschrift hinterlassen, teils nur fragmentarisch. Ein einziges Werk war damals unter seinem Namen veröffentlicht: Danton’s Tod. Dennoch glich sein Auftritt auf der Weltbühne im Nachgang einem literarischen Meteoriteneinschlag, der, obgleich er bis Ende des 19. Jahrhunderts nahezu unbemerkt geblieben war (Dichter müssen immer erst tot sein), tiefe Furchen in der literarischen Landschaft hinterließ.

 

15.04.2013  |  Auf der Suche nach der verlorenen Zeit   Vor hundert Jahren erschien der erste Band des gleichnamigen Hauptwerks von Marcel Proust: „… wir stellen uns eben die Zukunft wie einen in einen leeren Raum projizierten Reflex der Gegenwart vor, während sie oft das bereits ganz nahe Ergebnis von Ursachen ist, die uns zum größten Teil entgehen.“ Die Frage nach Raum und Zeit stellen sich ab dem 16. April 16 Künstlerinnen und Künstler im Café Club International in Wien in ihren Werken: Malerei, Fotografie, Fotocollagen, Fotografik und eine Bildprojektion, in denen sie verschiedene Vorstellungen und Illusionen zum Phänomen Zeit künstlerisch untersuchen und visuell umsetzen. Zeitwahrnehmung und Zeitgefühl, wie etwa Stillstand oder Beschleunigung spielen dabei ebenso eine Rolle wie das Verhältnis von Außen- zu Innenraum.

 

14.04.2013  |   Hausacher Stadtschreiber   Die Autoren Jens Schumacher, Dominik Dombrowski und Thomas Rosenlöcher sind die Hausacher Stadtschreiber 2013/2014. Die Auswahl hat laut Pressemitteilung eine dreiköpfige Jury um den Lyriker José F. A. Oliver vorgenommen.98 Bewerbungen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, den USA und Serbien hat die Jury, zu der neben LeseLenz-Kurator José F. A. Oliver Ulrike Wörner vom Friedrich-Bödecker-Kreis und Robert Renk von 8tung Kultur zählen, gesichtet.
"Mit Dominik Dombrowski überzeugte ein Dichter die Jury, dessen Texte eine Magie der Kompromisslosigkeit erzeugen. Die ungeheure Wucht seiner Gedichte besteht in der wirklichkeitsnahen Wahl der Themen und ihrer erzählenden Sprache. Wenn er beispielsweise von den geheimnisvollen Männern vor dem Getränkemarkt spricht, legt sich eine Art melancholische Realität über die Zeilen. Mitfühlend, zwischen Schauen und Mitempfinden in allen Gefühlslagen. Laut Mitteilung ist sein Blick niemals ein nüchterner." Schwarzwälder Bote.

 

14.04.2013  |  Wer war der Dichter Uwe Greßmann?   Die Frage versuchen am Donnerstag, den 18. April 2013, um 19:30 Uhr in der Galerie Pankow (Breite Str. 8) im Rahmen der dortigen, seit Mittwoch laufenden Greßmann-Hommage & Ausstellung „Der Vogelfrühling“  die Autoren Andreas Koziol und Richard Pietraß im Gespräch mit Martin Jankowski (Berliner Literarische Aktion) zu beantworten unter der Überschrift “Und so empfingen [uns] Schildas Witze“ (in Anspielung auf Greßmanns Gedichtband Schilda Komplex).
„Oh, ihr Kinder Erdes! horchet: nur wenige / suchte der Vater der Künstler, / Der Vogel Frühling, aus den Leuten und / ernannte sie zu Dichtern“  heißt es in Uwe Greßmanns (1933-1969) Gedicht Die Sage vom Vogel Frühling. Zweifellos zählt Greßmann zu jenen vom „Vogel Frühling“ Auserwählten. Erst spät wurde die Literatenszene Ostberlins auf dieses seltsam-seltene dichterische Talent aufmerksam. Greßmanns Leben war geprägt von Schicksalsschlägen: eine Kindheit in Waisenhäusern, eine Jugend in Krankenhäusern, ein karges, einsames Alltagsleben zwischen Broterwerb und Berufung; keine Pause von psychischer und physischer Not, zuletzt jedoch eine kurze Zeitspanne der Selbstbestimmung, Selbstentfaltung. Mit 36 Jahren starb Greßmann 1969 in Berlin.

 

14.04.2013  |  100 Jahre Alkohol   Vor hundert Jahren erschien die Gedichtsammlung Alcools von Guillaume Apollinaire. 1912 beschloss Apollinaire aus den besten seiner bisherigen lyrischen Texte einen Sammelband zu komponieren, der Eau-de-vie (Schnaps) heißen sollte. Auf den schon fertigen Druckfahnen änderte er den Titel in Alcools und tilgte kurz entschlossen die gesamte Interpunktion (was damals zwar nicht völlig neu war, aber erst in den 20er Jahren Schule machen sollte). Die offiziöse Kritik von 1913 bewertete allerdings das ganze Bändchen negativ, als es im April erschien. Apollinaire, der sich von ihm einen Durchbruch erhofft hatte, reagierte mit aggressiven Formulierungen in literatur- und kunsttheoretischen Artikeln. Die Gegenangriffe provozierten ihn zu Duellforderungen, die aber unrealisiert blieben.
Alcools ist nicht nur sein wichtigstes Werk, sondern eines der einflussreichsten Werke der französischen Literatur in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. »Nur der Rhythmus kann die Verse skandieren, da haben sie die wirkliche Interpunktion. Man braucht keine andere«, schreibt Apollinaire.

Pariser Nächte gin-betrunken
Elektrisch flammend grell und heiß
Tramways mit grünen Feuerfunken
Sie musizieren schrill im Gleis
Stolz im Maschinenwahn versunken

Im rauchgewschwängerten Café
Schreit wirbelnde Zigeunerliebe
Schrein Syphons prustend vom Buffet
Und Kellner hastend im Getriebe
Dir zu daß ich dich lieb seit je

 

14.04.2013  |  Breit auf dem Rad. Halluzinogene Substanzen in der Literatur   Ein Höressay von Gerd Brendel im Deutschlandradio Kultur am Di 16. April um 19:30. 
"Alle Nerven excitiert von dem gewürzten Wein", notierte der Romantiker E. T. A. Hoffmann in seinem Tagebuch. Nicht nur so manchen Romantikern halfen bewusstseinserweiternde Substanzen auf die schöpferischen Sprünge. Sie sind für viele fantastische Reisen, Visionen und Wundergeschichten verantwortlich. Die Surrealisten experimentierten mit halluzinogenen Pilzen. In den USA entdeckten die Beatniks und ihre Vorläufer wie Aldous Huxley die Wirkung des Peyote-Kaktus, von Mescalin und LSD. LSD hatte der Schweizer Chemiker Albert Hofmann mitten im Zweiten Weltkrieg im Labor entdeckt. Dessen Erfahrungsbericht über seinen ersten Trip ist selbst ein Stück Drogenliteratur. Eine lange Freundschaft verband den Chemiker mit Ernst Jünger, der sich immer wieder literarisch mit dem Thema 'Drogen und Rausch' auseinander gesetzt hat. Und heute? Rauscherfahrungen finden sich in zeitgenössischer Literatur genauso wie in Songtexten , Filmen und Essays: Zwischen Höllentrip und unendlichem Glücksgefühl haben viele Seiten Weltliteratur Platz.

Hier ein Ausschnitt aus Ernst Jüngers Logbuch (das später in Jüngers Essay „Nochmals LSD“ einfließt) zu einem Selbstversuch mit LSD, den er im Februar 1970 zusammen mit Albert Hofmann in zuhause bei sich in Wilfingen durchführte:

„…Gespräch über synthetische Stoffe. Auch nur Bausteine, die wir
hin- und herschieben. Geformte Ziegel kommen aus der Tongrube,
Findungen, nicht Erfindungen. Auch der Züchter hochkultivierter
Blumen kommt ohne Samenkorn nicht aus.
10:45 A. H. spürt die erste Wirkung. Ziehen in den Schultern, Müdigkeit.
”Noch mehr somatisch.” Plattenspieler: Mozart.
10:55 Konzert für Flöte und Harfe in C-Dur. Eine Blaumeise pickt am
Fenster. Ob sie wohl etwas hört ? Man hört alles mit, wenn man
tief genug in das Ungesonderte steigt.
Die Meisen picken Sämereien aus Beutelchen, deren Gelb jetzt
intensiv wird. Ebenso gewinnt die Kalkplatte mit dem versteinerten
Fisch ein intensives Orange, das ich selbst im Sonnenlicht bislang
nicht an ihr beobachtete. Die Ziegel auf einem der
Stauffenbergschen Türme werden kräftiger rot, wie
bei Sonnenuntergang. Dort wo sie
bemoost sind, wird auch ihr Grün lebhafter. Die blaue Farbe
dagegen noch ganz tot. Wir sind überhaupt tot, industriefarben,
brachliegend...“

 

14.04.2013  |  Paul Bowles: The Cage Door is Always Open   Vor wenigen Tagen in den Kinos (zumindest in der Schweiz) angelaufen ist ein Dokumentarfilm von Daniel Young. 18 Jahre hat er zu dessen Verwirklichung gebraucht. „Paul Bowles (1910-1999) ist einer der unbekanntesten Bekannten der avantgardistischen Künstlerszene des 20. Jahrhunderts. Sein bedeutendster Roman «The Sheltering Sky» entstand 1949 im marokkanischen Tanger. Dort lebte Bowles jahrzehntelang mit seiner lesbischen Frau und Muse Jane Auer zusammen und wurde zum Mentor vieler bedeutender Künstler aus dem Westen. Bowles Werk handelt von der Suche nach existenziellen Grenzerfahrungen in allen Lebensbereichen. Der Privatmann Bowles stemmte sich vehement gegen jegliche Vereinnahmung und war als Persönlichkeit kaum fassbar. Doch nach einer persönlichen Begegnung mit Bowles und langjährigen Recherchen gelang dem Schweizer Filmer Daniel Young die bislang stimmigste, präziseste Annäherung an den mythenumflorten Künstler.“ Zur Filmkritik von Michael Lang.
Als Lyriker ist Paul Bowles nahezu unbekannt geblieben. Seine Gedichte erstmals in Deutsche gebracht hat Florian Vetsch, als er eine Gedichtauswahl übertrug, die Bowles selbst 1981 unter dem Titel Next to Nothing versammelte hatte und Texte ab seinen Jugendjahren enthält.
Florian Vetsch erzählt: „Ich bin über Bernardo Bertoluccis Verfilmung von Paul Bowles Roman "The Sheltering Sky" auf ihn und Tanger gestoßen. Mich faszinierte das Leben von Bowles und als ich entdeckte, dass Gedichte von ihm noch nicht übersetzt waren, begann ich mir der Arbeit. Nachdem ich ungefähr ein Drittel der Sammlung von "Next to Nothing" übertragen und viele Fragen hatte, schrieb ich einen Brief an Bowles, der in Tanger lebte. Etwa zwei Wochen später bekam ich Antwort, dass ich ihn in Tanger besuchen sollte. Das tat ich dann im Herbst 1993. Von da an besuchte ich Bowles jedes Jahr ein- bis zweimal. Wir schlossen die Arbeit an der deutschen Übersetzung seiner Gedichte ab“, die 1998 unter dem Titel  „Nichtsnah / Ausgewählte Gedichte1926-1977“ in St. Gallen beim Verlag Erker erschienen sind.

Szene III

Manchmal kommt das fieber wieder, und ich kann die berge sehen,
den morgen, trächtig von geschäftigen nonnen,
und die spritzen für den hunger,
die raffgierigen bäume, die falschen wasserfälle aus glänzigen spinnen, 
die kletterarme der stille.
Ich sehe dieselben tauben berge, ihre schneeverwehten münder,
und ich rühre die finger kaum; trotzdem, 
ich brauche hilfe.

Manchmal streunt das fieber abends durch die vorstädte.
Manchmal türmt sich über unseren köpfen ein einziger berg nur auf. 
Am mittag setzt der regen ein. Die pferde suchen schutz zwischen den felsen,
und stumpfsinnig brandet die see.
Ich brauche hilfe von zeit zu zeit.

"An jenem tag kamen zweitausend menschen dort an der endlosen küste um."

Für uns: haie, blech, brackiges wasser. 

Acht krankheiten kommen bei nacht,
wenn der skorpion an der zimmerdecke klebt.
Für uns: aufgerissene münder, stacheldraht, schorf,
die behaarten blumen der taranteln
und das bleibend blinde auge
der zeit, frostig in der luft.

In brocken fällt der wind
von den bergpässen herab. 
Wir müssen schreien ohne unterlass -
wer stehenbleibt, ist verloren.

(1938)
aus dem Amerikanischen von Florian Vetsch

 

13.04.2013  |  Die Grenzen der Sprache   Am Dienstag, 16. April 2013, 19.00 Uhr im ÖNB-Literatursalon: Anna Mitgutsch liest aus ihrem neuen Essay Die Grenzen der Sprache, erschienen Anfang des Jahres im Residenz Verlag. Ihre eigene Metamorphose von der Literaturanalytikerin zur Literatin gibt dem Essay einen zusätzlichen Anreiz, wenn aus dieser Pers­pektive der Rand des Denkbaren durchleuchtet wird. Wo sind die Grenzen der Sprache und was liegt dahinter? Der Horizont war vielleicht immer schon die größte Versuchung der Künste. Anna Mitgutsch beschreibt die Versuche der Dichter, über den Rand des Denkbaren hinaus zu gelangen. Sie spannt dabei einen großen historischen Bogen von Gilgamesch bis ins 20. Jahrhundert, dem die Idee des Horizonts zwar abhanden gekommen ist – nicht aber die Sehnsucht danach. Von Emily Dickinson über Jorge Luis Borges zu Imre Kertész eröffnen sich spannende Grenzgänge und machen Lust auf neue Entdeckungsreisen in die Literatur.
„Anna Mitgutsch beweist ihre Meisterschaft, wenn es gilt, sprachgewaltig nach dem Unsagbaren zu greifen", lobte die Wiener Zeitung ihren letzten Roman. „Literatur ist nicht realitätsfähig“, sagt sie.

 

13.04.2013  |  Kurz vor der Erlösung   Vernissage und Performance des soeben in der edition spoken script im Verlag Der gesunde Menschenversand erschienen Buches am Samstag, den 20. April, 20 Uhr, Hochschule der Künste in Bern, Theater (Zikadenweg 35). Leseprobe.
Geduldig umkreist Fehr Wort für Wort, Zeile für Zeile und eben Satz für Satz seine Szenen und Figuren. Und meint man sich durch die Sprache zuweilen von den unheimlich vertrauten Begebenheiten schon weit entrückt, so verhelfen uns die Variationen und Modulationen doch immer wieder zu unerwarteten Eingängen in die Geschichte mit ihren 17 Geschichten. So folgt man dieser vielstimmigen Erzählung, ob laut oder leise lesend, wie man es sonst nur von der Musik kennt. Ein Sprachkonzert!
Michael Fehr schreibt seine Texte nicht, denn er ist stark sehbehindert, er spricht sie. „Eine Veranstaltung mit Michael Fehr ist denn auch ganz besonders, er trägt Kopfhörer, in der Hand hält er einen ipod. Er lässt sich im Moment die Sätze vorsprechen und spricht sie quasi simultan nach. So passt alles zusammen, die langsame Sprechweise, die Sätze, die Inhalte – und die Lesung wird zu einer Reise ins Denken. Und das kann sehr heilsam sein.“ Viceversa Letteratura

 

13.04.2013  |  hochroths neue Dependance   hochroth Tübingen, die neue Dependance des international aufgestellten hochroth-Netzwerks, lädt für heute, Samstag, den 13.04., um 20 Uhr zur Gründungsfeier in den Club Voltaire ein.
hochroth Tübingen hat sich Anfang 2013 gegründet und im März sein Pilotprogramm auf der Leipziger Buchmesse vorgestellt. In enger Zusammenarbeit mit dem gesamten hochroth-Netzwerk (Berlin, Leipzig, Wien, Paris, Budapest und Riga) widmet sich die Tübinger Dependance junger deutschsprachiger sowie internationaler Lyrik und Kurzprosa. Die bibliophilen Bände entstehen in Manufaktur. Der Verlag versteht sich als Modellprojekt zur alternativen Verlagsszene und agiert gemeinnützig, so dass alle Einnahmen neuen Projekten zugute kommen.
Zur Gründungsfeier in Tübingen lesen drei AutorInnen:Tim Holland, Lucia Leidenfrost und Christoph Wenzel.

 

12.04.2013  |  Ungleichzeitigkeiten des „Ich“ in der Arbeitswelt   "Nicht alle sind im selben Jetzt da, sie sind es nur äußerlich dadurch, dass sie heute zu sehen sind, dadurch aber leben sie nicht mit den anderen zugleich. Sie tragen vielmehr Früheres mit, das mischt sich ein. Je nach dem wo einer leiblich, vor allem klassenhaft steht, hat er seine Zeiten. Ältere Zeiten als die heutigen wirken in älteren Schichten nach. Leicht geht oder träumt es sich in ältere zurück. Gewiss ein bloß ungelenker Mann, der eben deshalb hinter den Ansprüchen seines Postens oder Pöstchens zurückbleibt, ist einfach als er selber zurückgeblieben. Doch wie, wenn er außerdem durch nachwirkende altbäuerliche Herkunft etwa als Typ von früher in einen sehr modernen Betrieb nicht passt. Verschiedene Jahre überhaupt schlagen in dem einen, das soeben gezählt wird und herrscht." schrieb Ernst Bloch vor fast 70 Jahren.
Einen weiteren Workshop in der Reihe "Philosophie trifft Arbeitswelt – Arbeitswelt trifft Philosophie" gibt es am Samstag 13. April 2013 im Ernst-Bloch-Zentrum, veranstaltet vom Forum Soziale Technikgestaltung und Projekt VIA. Im Zentrum steht die Frage nach dem Wandel der Identität in einer voranschreitenden Virtualität.

 

12.04.2013  |  Die Luft des Zitats   „das springen von ast zu ast, verweis zu querverweis zieht sich durch den text, ist aber keineswegs aufdringlich, will sagen: das gedicht lässt sich völlig für sich lesen, eigenständig und ohne nun jeden verweis ausmachen zu müssen – man kann, hat die option zum ausweiten, die möglichkeit, den raum, den das gedicht aufmacht, durch hypertext auszudehnen. niemand aber schlägt mir in den nacken und zerbrüllt das bild, das ich mir anlese.“ Simone Kornappel über ein Gedicht von Norbert Lange als Neuer Wort Schatz 3.

 

12.04.2013  |  Freiheit und die Altheit der alten Welt   Eine Gruppenausstellung vom 12. April - 30. Juni 2013 im Kunstpalais Erlangen zum Thema "Freiheit“. Ausgehend von den Revolutionen im arabischen Raum, die in zahlreichen künstlerischen Werken thematisiert werden, spürt man dem Thema der politischen Freiheit nach, dem Kampf um Demokratie und Menschenrechte, dem Wunsch nach Aufbruch und dem Ringen um Selbstbestimmung. Was bedeutet Freiheit heute? 12 internationale Künstler beleuchten das brisante Thema aus unterschiedlichen Perspektiven. U.a. Ai Weiwei - er überwacht sich selbst und überträgt den Livestream der Selbstüberwachung nach Erlangen.

 

11.04.2013  |  Blaue Flecken   Autor und Grafiker, Text und Bild – diese Elemente ergänzen sich beim Kunstprojekt Blaue Flecken. 20 Grafiker entwerfen dabei orientiert an den Texten von 20 Autoren 20 einzigartige Plakate. Körpergewebe in Gestalt der plastisch greifbaren Siebdrucke und Textgewebe, erfahrbar als Lesung, bilden dabei eine Symbiose. Oder kurz: Text wird zum Bild und Bild zum Text.

 

11.04.2013  |  TEMPO TEMPO! Im Wettlauf mit der Zeit   - ab morgen, dem 12. April, eröffnet die gleichnamige Ausstellung im Museum für Kommunikation Berlin:
Schnell noch einen Coffee-to-go mitnehmen, mit dem Smartphone bei Facebook ein Status-Update hinterlassen oder die neuesten Twitter-Nachrichten checken. Unser „alltäglicher Wahnsinn“ besteht aus dem permanenten Zwang, Zeitabläufe immer enger zu takten. Ein cleveres Zeitmanagement gilt als Tugend der Moderne. Multitasking ist dessen unbedingte Voraussetzung – doch eigentlich waren die Menschen schon im Zeitalter der Postkutsche immer im Wettlauf mit der Zeit.
Ratgeber zu den Themen Zeitmanagement und Work-Life-Balance haben in Zeiten der fortwährenden Verkürzung der Kommunikations- und Transportwege, der Flut von Bildern und Nachrichten aus aller Welt und immer kurzlebigeren Trends Hochkonjunktur. Denn gefühlt haben wir immer weniger Zeit, obwohl wir, rein rechnerisch betrachtet, immer mehr davon haben müssten. Dabei beschäftigt das Thema Zeitknappheit die Menschen nicht erst seit der Erfindung des Handys, sondern bereits seit der Frühen Neuzeit. Wie haben sich jedoch Zeitbewusstsein und Zeitordnungen gewandelt? Genau diesen Fragen und Ursachen für die zunehmende Beschleunigung unseres Lebensalltags, geht die neue Ausstellung „Tempo Tempo! Im Wettlauf mit der Zeit“ auf den Grund.

 

10.04.2013  |  Schreibmethoden statt Metaphern   Astrid Kaminski gibt heute in der NZZ interessante Einblicke in die veränderten Schreibweisen von heute: „Es geht nicht mehr nur um einen postmodernen Resonanzraum, ein bisschen Durchpausen oder Klauen, sondern darum, bereits bestehende Werke buchstäblich zu übermalen oder gleich ganz neu zu schreiben. «Etwas, das die Grenzen zwischen den Autorschaften verschwimmen lässt», beschreibt der New Yorker Dichter Christian Hawkey dieses Verfahren. Zusammen mit der Lyrikerin Uljana Wolf übermalt er Rilkes Übersetzungen von Werken der viktorianischen Dichterin Elizabeth Barrett-Browning bis auf wenige Worte mit Tipp-Ex. Aus den so verbleibenden Textstellen entstehen dann kleine neue Gedichtmontagen (Sonne from Ort, Kookbooks 2013).“
»sonne from ort» hat David Frühauf auf Fixpoetry besprochen.


10.04.2013  |  Botschaften des Respekts   Am 14.04. um 15.00 Uhr startet Ruth Habermehl das Projekt OHANA an der blauen Pagode auf dem „Balkon“ am Elsterflutbett (unterhalb der Jahn-Allee-Brücke am Elsterufer/ Richard Wagner Hain in Leipzig) mit der Freigabe des Automaten für die Öffentlichkeit bei gleichzeitiger Eröffnung des Leipziger Gartenprogramms. Man kann mit Hilfe einer 2 Euro-Münze eine OHANA-Kapsel aus dem Automaten kurbeln und die darin enthaltene Poesie „in Fluss“ bringen. 15 zeitgenössische Autorinnenaus ganz Deutschland haben poetische Texte für OHANA geschrieben oder beigesteuert, die der Automat in der Pagodenverkleidung per Zufallsprinzip ausspuckt. Öffne die Kapsel am Flussufer und lass dich überraschen.

 

10.04.2013  |  Die Irrfahrt des Homo oeconomicus   am Donnerstag den  11. April 2013, um 21 Uhr auf 3sat in der Sendung scobel das Thema "Entscheidungen".
In einer komplexen Welt gibt es unzählige Handlungsalternativen. Nach welchen Mustern treffen wir Entscheidungen? Folgen wir als Homo oeconomicus wirtschaftlichen Prinzipien oder lassen wir uns von unseren Gefühlen leiten? Gert Scobel wird  über Komplexität, Auswahlkriterien, Motive und Entscheidungsprozesse diskutieren. Seine Gäste sind der Psychologe Gerd Gigerenzer und die Wirtschafts- und Verhaltensforscherin Bettina Rockenbach. Davor, um 20.15 Uhr, die Wissenschaftsdoku "Gier auf Geld". Beide Sendungen sind Teil des 3sat-Schwerpunktes in dieser Woche: "Hauptsache Konsum?".

 

10.04.2013  |  Der Dichter Leonard Cohen   Seit 1990 veröffentlichen die ehemaligen März-Verleger Barbara Kalender und Jörg Schröder viermal im Jahr in der taz ”Schröder erzählt”. Hier bloggen sie das, was zwischendurch so auf- und anfällt. In dieser Woche sind es Erinnerungen an Leonard Cohen und seine deutschen Erstauflagen bei März:
Leonard Cohen begann seine Karriere als Lyriker und Romancier und nicht als Musiker. 1956 erschien sein erster Gedichtband ›Selected Poems‹, 1963 kam sein Roman ›The Favorite Game‹ heraus, 1964 dann ein weiterer Gedichtband, nämlich ›Flowers for Hitler‹ und 1966 der zweite Roman ›Beautiful Losers‹. Erst im Dezember 1967 wurde sein erstes Album ›Songs of Leonard Cohen‹ veröffentlicht. Nun trat er ausschließlich als Sänger auf, und erst 1984, nach einer längeren Pause, kam sein Gedichtband ›Book of Mercy‹ heraus, das ebenfalls in deutscher Übersetzung bei März erschien. Das heißt, alle seine Bücher bis ins Jahr 1985, also zwei Romane und zwei Gedichtbände, verlegte zuerst der März Verlag. Ein Essay zum 75. Geburtstag von Leonard Cohen ist auf Fixpoetry erschienen.

 

09.04.2013  |  Auf Lesereise: Der gefesselte Wald    Gedichte aus Buchenwald - erstmals aus dem Französischen für diese zweisprachige Ausgabe übersetzt von Annette Seemann. Herausgegeben von Wulf Kirsten und Annette Seemann. Kommentiert und mit einem Nachwort von Wulf Kirsten.
Aktuelle Termine der Buchpräsentation: 11.04.2013 um 19.00 Uhr Ettersburg, Schloss Ettersburg & 17.04.2013 um 19.00 Uhr Nordhausen, FLOHBURG Das Stadtmuseum.
Bereits im August 1945 hatte André Verdet diese Gedichtanthologie zusammengestellt. Alle 25 Beiträger haben die Gedichte im Konzentrationslager Buchenwald verfasst – unter schwierigsten Bedingungen, denn schon der Besitz von Schreibmaterial war strengstens verboten. Die französische Originalausgabe erschien 1946, eine Neuauflage 1995. In Deutschland jedoch blieben die Gedichte bis heute völlig unbeachtet.

Jorge Semprún
Uralter Traum

Die Morgendämmerung jedoch ist höllischer Stein
schwanger mit Elend, Reifung des Lachens, unausdeutbar,
gleichwohl vertraut, ist angeschlagenes Land, glänzt in mineralischem
Warten. Die Morgendämmerung ist Tiefe heiseren Abschieds.
Wer erinnert sich dran, junges trockenes Mädchen bar des Lächelns, oh Einsamkeit,
und deine grauen Augen, an das reizende Spiel von einst? Bleiben die Lumpen,
buntbemalt, mit denen wir unsere Majestäten drapierten. Und die Sorge.
Bleiben das Nichts, das Lachen, der uralte Traum,
bleibt jener tägliche Entwurf: Zu leben trotzdem …
Angst ist ein Banner, zerzaust von ewigem Wind.

 

09.04.2013  |  Der Tempel brennt   Seit Mitte März erinnert eine Ausstellung in der Steiermärkischen Landesbibliothek in Graz an die österreichische Künstlerin und Schriftstellerin Mela Hartwig (1893 – 1967).
1893 in Wien als Tochter des jüdischen Soziologen Theodor Hartwig geboren. Zur Schauspielerin ausgebildet und in Berlin engagiert, heiratete sie 1921 den jüdischen Anwalt Robert Spira und zog mit ihm nach Graz. Hier begann sie zu schreiben. Mit dem Roman „Das Weib ist ein Nichts“ feierte sie 1929 ihren größten Erfolg. Jedoch verlor sie durch den aufkommenden Nationalsozialismus ihr Publikum, die Reichsschrifttumskammer  bezeichnete ihren Roman als "Wunsch- und Wahn-Erotika eines durch die Psychoanalyse verjauchten Gehirnes", man verbot sie endgültig und 1938 emigrierte das Ehepaar nach London. 1948 zurück, erkannten sie leidvoll, dass sie in Österreich nicht mehr erwünscht waren.  Ein literarischer Neubeginn im deutschsprachigen Raum blieb Hartwig verwehrt, der restriktive Literaturbetrieb nahm sie nicht mehr auf. Ein schmaler Band ihrer gesammelten Gedichte im kleinen Wiener Gurlitt Verlag war das einzige Buch das nach dem Krieg von ihr erscheinen konnte. Erneut suchte sie in der Malerei ein Ventil gegen ihre Frustration. Die Künstlerin starb 1967 in London. Wenige Tage später nahm sich ihr Mann das Leben. Erst postum erlebte das literarische Werk Mela Hartwigs eine kleine Renaissance.

 

09.04.2013  |  Gedichte, die es so noch nicht gab   „Brodskys Hauptgedanke steckt in zwei Sätzen: „Wenn die Kunst den Künstler – in erster Linie – überhaupt etwas lehrt, dann ist es die Privatheit der menschlichen Existenz. Als älteste Form der Privatinitiative fördert sie in jedem Menschen, wissentlich oder unwissentlich, das Bewusstsein seiner Einzigartigkeit, seiner Individualität und Einsamkeit.“ Das ist ein einfacher und schöner Gedanke, der für alle Literatur gelten mag, für Lyrik aber besonders und besonders wiederum für moderne Lyrik. Sie will jedes Mal etwas so machen, wie es noch nicht war. Brodsky versteht das als Appell. Gedichte, weil sie einmalig sind, ermahnen uns, es auch zu sein. Sie erinnern uns an unsere Einzigartigkeit.“ Dieter Lamping schreibt aktuell auf literaturkritik.de in seiner Lyrik Kolumne über Joseph Brodsky.

 

09.04.2013  |  Die räumliche Präzision des Punkts der Balance   Für Barbara Köhler ist der Spycher Literaturpreis Leuk „der schönste Literaturpreis Europas“, weil er mit einem Gastrecht verbunden ist. Fünf Jahre lang dürfen Preisträger jeweils zwei Monate im Ort Leuk im Schweizer Kanton Wallis wohnen. Barbara Köhler kehrte immer wieder zurück, um den Leuker Hausberg Gorwetsch zu erforschen. Was sie entdeckte, ist im Buch „36 Ansichten des Berges Gorwetsch“ nachzulesen.
36 Texte mit je neun Zeilen – das scheint wenig. Setzt aber die Sprachkünstlerin Barbara Köhler die Worte, wird das Lesen wie eine Wanderung durch eine Sprachlandschaft; entlang des Wegs mit seinen überraschenden Wendungen ergeben sich immer neue, erstaunliche Perspektiven. Barbara Köhler strebt „räumliche Präzision“ an: „Für jede Stelle gibt es das richtige Wort, und es kann in mehr als eine Richtung weisen.“ Aus dieser „schwebenden Balance“ entsteht die Poesie. – Anne Horstmeier in der WAZ

 

08.04.2013  |  Im Zerrspiegel der Schwerelosen   Der obskure mexikanische Poet Gilberto Owen (1904–1952), der in den zwanziger Jahren in Harlem lebte, spielt eine der Hauptrollen in dem gerade bei Kunstmann erschienen Roman „Die Schwerelosen“ von Valeria Luiselli. „Es ist das Paradox von Owens seelischem Verschwinden in der krankhaften körperlichen Aufschwemmung und seines hellsichtigen Erblindens, kurz das Gespenstwerden vor sich selbst, das ihn in die Präsenz des Romans treten lässt. Plötzlich ist er es, der seine Geschichte erzählt, über die New Yorker Jahre nach 1928 …“ berichtet die NZZ. Valeria Luiselli benutze die Figur um ein poetisches Perpetuum mobile  zu erzeugen - über den Schein der Wahrheit der Kunst oder die Kunst der Wahrheit des Scheins oder die Wahrheit des Scheins der Kunst. „Valeria Luiselli hat eine ebenso kompakte wie durchlässige «Struktur voller Löcher» geschaffen, durch die das Licht der Erkenntnis von allen Seiten her einfällt. Sanfter und eleganter ist sie als der grosse Roberto Bolaño, aber nicht minder witzig und klug. Hier hebt eine Karriere an, von der gewiss noch zu reden sein wird.“ resumiert Andreas Breitenstein. Leseprobe.

 

08.04.2013  |  Ein Ort für Sprachkünste   Oswald Egger wurde als Thomas-Kling-Poetikdozent der Kunststiftung NRW an die Universität Bonn berufen. Zum Sommersemester 2013 übernimmt der Hombroicher Lyriker die Poetikdozentur.
Mit Oswald Egger, der die Duisburger Lyrikerin Barbara Köhler ablöst, schließt sich ein Kreis, denn er lebt und arbeitet als Nachfolger von Thomas Kling auf der Raketenstation Hombroich. Oswald Eggers Poesie lotet die Sprache aus, er sondiert und transzendiert die Grenzen zwischen Mathematik und Poesie ebenso, wie er sich von der Vielfalt der Formen in der Natur inspirieren lässt.

 

08.04.2013  |  Was aß Derrida?   Jeden Monat neu präsentiert eine Jury von der Süddeutschen Zeitung, dem Norddeutschen Rundfunk, dem Buchjournal, dem  Börsenblatt und der websiteTelepolis die Sachbücher des Monats. Im April vertreten: Benoît Peeters „Jacques Derrida. Eine Biographie“, die Mitte März bei suhrkamp erschienen ist.
Viel wurde über Derridas Werk geschrieben, wenig über die Person. Benoît Peeters hat sich der Aufgabe gestellt: Auf Basis von Interviews mit über 100 Weggefährten und einer umfassenden Auswertung des Nachlasses ist die Lebensgeschichte eines der wichtigsten Philosophen des letzten Jahrhunderts entstanden. Natürlich schildert Benoît Peeters die zahlreichen Kontroversen, die der 1930 in Algerien geborene und 2004 in Paris gestorbene Philosoph führte. Selbstverständlich kommen seine philosophischen Ideen und Konzepte zur Sprache. Vor allem aber ließ sich Peeters von Fragen wie diesen leiten: "Was aß er? Wen liebte er? Welche waren seine Ängste, seine Sehnsüchte, seine Ticks und seine Verletzungen? Wer waren seine wirklichen Freunde?" Peeters sucht sie auf, die Freunde und die Feinde, reist, liest, wühlt in Archiven. Er rekonstruiert Werk, Leben und Wirkung eines ruhelosen Denkers, der "praktisch permanent gegen etwas oder jemanden Krieg führte".

 

07.04.2013  |  Weltruhm statt Asche   Gut ein Jahr war der Film fertig und lag in den Schubladen des Senders, bevor er schließlich erst im Herbst letzten Jahres bei arte erstausgestrahlt wurde und war dann prompt bei seiner Sendung bereits von der Realität überholt: ein höchstrichterlicher Beschluss hatte neue Fakten geschaffen in einem kuriosen Geschichtengewirr um Franz Kafkas Nachlass, um den es im Film geht (siehe FAZ). Der israelische Regisseur Sagi Bornstein schildert in gut fünzig Minuten nicht ohne Parteinahme und Hang zum Reißerischen auf welche Weise Kafkas nachgelassenen Schriften überhaupt an die Öffentlichkeit gelangten: Kafka scheute die Veröffentlichung seiner Werke und wollte seine handschriftlichen Manuskripte komplett verbrennen lassen. Doch der Freund und Schriftsteller Max Brod setzte sich über Kafkas letzen Willen hinweg, ließ sie drucken und schuf damit ein weltweites Phänomen. Kafkas Nachlass gelangte von Prag nach Tel Aviv, lagerte in diversen Safes, wurde vererbt, verschenkt und versteigert. Der Regisseur Sagi Bornstein geht der Sache nach. Das Ergebnis ist eine verdrehte, bizarre Kriminalgeschichte voller Ironie und Absurdität.
Wiederausstrahlung am Mittwoch, den 10. April um 21:50 Uhr in arte.

 

07.04.2013  |  Vom Wasserturm zum Wordpol   Bereits für November letzten Jahres angekündigt, ist er dann doch erst zur Leipziger Buchmesse erschienen:  Carl Christian Elzes dritter Gedichtband "Ich lebe in einem Wasserturm am Meer, was albern ist". Ein großes wildes Wagnis sind diese Gedichte, die eine verwegen aufspielende Stimme vorantreibt. Pathos und Melancholie? Liebesgedichte? Das assoziert man weder mit dieser Dichtergeneration noch mit dem Leipziger Lyriker Carl Christian Elze, der … den Leser in jedem Gedicht auf mehrere Fährten lockt. Und wie der Titel nahelegt, ist das Pathos mit Vorsicht zu genießen. Denn in diesen außergewöhnlichen Versen finden sich rasch auch "fickende Fliegen" in den Köpfen. Und die vermehren sich naturgemäß rasch. Eine Besprechung des Bands erscheint bald auf Fixpoetry.
Und schon dürfen wir auf nochmals Neues hoffen. Elze war nun drei Monate der erste "poet in residence" in Dresden-Loschwitz und die in dieser Zeit entstandenen lyrischen Arbeiten sollen im Rahmen einer bibliophilen Schriftenreihe in kleiner Auflage publiziert werden.
Am 07.05. um 20.00 Uhr führt uns Carl Christian Elze im Rahmen einer neuen, von Roman Israel präsentierten Lesereihe in Leipzig (in der Wärmehalle Süd) an den Wordpol. Weitere Expeditionsteilnehmer: Franziska Wilhelm,  Micul Dejun und Lena Inosemzewa.

 

07.04.2013  |   „Weiße Magie. Die Epoche des Papiers“   am Mittwoch, 10. April 2013, um 20.00 Uhr im Literaturarchiv Sulzbach-Rosenberg: eine Lesung mit Lothar Müller, Moderation: Thomas Geiger.
Man kann darauf drucken und schreiben, man kann es zerreißen, knicken und falten: Papier ist eine magische Substanz, die wie keine andere zur Entwicklung der modernen Welt beigetragen hat. Als Wechsel und Papiergeld war es unentbehrlich für die Ökonomie. Als Briefpapier wurde es zum Schauplatz der modernen Seele, als Zeitungspapier zum Schauplatz der Politik. Lothar Müller erzählt in seinem Buch „Weiße Magie. Die Epoche des Papiers“, wie das aus China stammende Papier von Ägypten nach Europa kam und zum Grundstoff der modernen Zivilisation wurde.

 

06.04.2013  |  Schöffling feiert bald Zwanzigjähriges   - berichtet heute die Frankfurter Rundschau.
„Sie müssen wissen, wo sie hinwollen.“ Nämlich „möglichst schnell weg vom Image des kleinen Verlages – da werden sie nicht ernst genommen.“ Klaus Schöflling schaffte es. Ganz ohne Studium übrigens, ohne akademische Ausbildung. Setzte von Anfang an auf deutsche Gegenwartsliteratur. Burkhard Spinnen, der mit Büchern wie „Kalte Ente“ über die Abgründe der Familie von Anfang an Erfolg hatte. Die Bände aus den 90er Jahren besitzen heute Kult-Status. „Die haben gut funktioniert“, sagt Schöffling stolz. Später kamen Autorinnen wie Juli Zeh, Jennifer Egan, aber auch Autoren wie Klaus Modick und Jochen Schimmang. Wobei der Verleger ein klares Konzept verfolgt. „Es muss einen geben, der das Sagen hat – kollektiv geführte Verlage haben immer nur ein paar Jahre funktioniert.“
Gerade bei Schöffling erschienen: Silke Scheuermann Der Tag an dem die Möwen zweistimmig sangen Gedichte 2001-2008. Mit einem Nachwort von Dorothea von Törne. In dem Band versammelt sind die beiden ersten Gedichtbände von Silke Scheuermann, plus die bisher nur als Sonderdruck erschienenen Sonette Vogelflüge sowie eine Auswahl bislang unveröffentlichter Gedichte. Leseprobe. Eine Besprechung des Gedichtbandes erscheint bald auf Fixpoetry.

 

06.04.2013  |  Carl-Amery-Literaturpreis 2013 für Ulrich Peltzer   Am Dienstag,den 09.04. findet um 19 Uhr im Literaturhaus München die Preisverleihungstatt. DieLaudatio hält Katrin Röggla.
Mit dem Carl-Amery-Literaturpreis werden seit 2007 deutschsprachige Autorinnen und Autoren ausgezeichnet, in deren Werken eine zeitkritische Literatur neue ästhetische Wege zu gehen und damit das Spektrum literarischer Möglichkeiten zu erweitern sucht. Die Jury begründet die Wahl des diesjährigen Preisträgers wie folgt: »Ulrich Peltzer wird mit dem Carl-Amery-Literaturpreis ausgezeichnet, weil er in seinen Romanen akribisch, hoch reflektiert und mit literarischer Raffinesse die Verstrickungen und Auflösungserscheinungen klassischer Individualität verhandelt. Peltzer […] stellt sich die Frage, wie Gesellschaft heute erzählt werden kann und muss

 

07.04.2013  |  Kunst ist kein Pizza-Service   Ein Portrait der Zeitschrift floppy myriapoda zeichnet Heiko Schmidt auf scharf links: „Die floppy myriapoda bringt vor allem Texte heutiger AutorInnen … insgesamt, so Pohl, seien es in den letzten 7 Jahren an die 300 gewesen. Im Lay-out wird versucht, Bezüge zwischen den einzelnen Texten und Bildern herzustellen, und zwar nicht im Sinne von Hierarchie oder Linearität, sondern zugunsten einer Art von Verwobenheit, wie ein Teppich vielleicht. Zudem: Ein Gedicht, so Pohl, sei „eine Art Brühwürfel“, den man selber auflösen müsse.
Es erfordere eigene Gedankenleistungen, anders als bei der allgegenwärtigen medialen Berieselung, bei der es gar keine Leerstellen mehr gäbe - bei einem Gedicht seien gerade die Leerstellen das entscheidende. Die Kunst sei kein Pizza-Service, sagt dazu Krohn.“

 

05.04.2013  |  Aprilregen und Vergessen   Zu Mendel Nejgreschl (1903-1965) gab es lt. Google in den letzten beiden Jahren keinen einzigen Neueintrag auf irgendeiner Website. Fixpoetry erinnert an den vor 110 Jahren Geborenen mit einem April-Gedicht aus seinem Band „Im schwarzen Malches“, der 1924 erschien. Nejgreschl  (eigentlich Max Neugröschl), war einer der wichtigsten Vertreter der expressionistisch-jiddischen Literatur in Wien. Er war Herausgeber der Zeitschrift "Jiddisch", wurde 1938 verhaftet und in das KZ Buchenwald verschleppt, von wo aus er später in die USA emigrieren konnte.

Aprilregen

das ist der Frühlingsbote: Frostgezitter,
mystischer Schreck und messerscharfe Freude.
Ein nacktes Pferd mit aufgeblähten Nüstern,
streckt aus den Hals zum stählernen Gewitter.
Ein Hund, der bellt auf aufgewühlten Wegen.
Die Welt hat sich vom Fleck gerührt – und geht…
In Blitz und Donner an des Hauses Schwelle steht
ein Kind – und melkt mit kleinen Händen Regen...
(1924)

aus: In a Schtodt woss schtarbt. In einer Stadt, die stirbt. Jiddische Lyrik aus Wien, (die Anthologie erschien 1995), übersetzt und hrg. von Gabriele Kohlbauer-Fritz, der Kuratorin des Jüdischen Museums in Wien.

 

05.04.2013  |  Ginsbergs Wales-Poem unter dem Hammer   Im Rahmen der Auflösung einer großen Manuskript-Sammlung von Roy Davids bei Bonhams in London, bei der die Charge der Poeten  (u.a. auch Papiere von T.S. Eliot, A.E. Housman, Samuel Coleridge, Thomas Hardy, Charlotte Bronte und Ted Hughes) zum Ausruf kommt, wird am 10. April auch das Original-Manuskript des Gedichtes „Wales Visitation“ des heute vor 26 Jahren verstorbenen Allen Ginsberg versteigert. Um die 1000 £ Erlös werden erwartet (ein paar Auktionsergebnisse bereits zugeschlagener Lose aus vorangegangenen Auktionen findet man hier.)
Der Entwurf des Gedichtes zeigt 60 Zeilen mit Korrekturen – es entstand nach eigener Aussage von Allen Ginsberg unter dem Einfluss von LSD während des Besuchs der Ruinen von Tintern Abbey, am Fluß Wye im Südosten von Wales gelegen. Dem Manuskriptesammler Roy Davids begegnete Ginsberg durch das Langpoem Howl in den frühen Siebzigern, als dessen handschriftlichen Manuskripte noch billiger aufzutreiben waren, als die gewöhnlichen Erstauflagen seiner Bücher.

 

05.04.2013  |  Dichter Leben   Am  Freitag um 20 Uhr im Literaturforum im Brechthaus in der Chausseestraße 125, der letzten Wohn- und Arbeitsstätte Bertolt Brechts und Helene Weigels, in der Mitte Berlins: Richard Pietraß im Gespräch mit Ron Winkler. Unter den Dichtern seiner Generation ist der 1973 an der Saale Geborene der Tänzelnde, Tändelnde, mit der Sprache und ihren Sachen Händelnde. Sein Weltanschauen scheut blindes Vertrauen und tritt einen Augenblick zurück, um auf den zweiten Klick adäquater und delikater zu sehen, selbst die Natur durch ironische Brechung ihrer Ikonen in ihren Sinngespinsten und poetischen Mutationen, ihren „Fleurs du Malheur“ zu verstehen.

 

05.04.2013  |  Anonyme Zeichner 2013   eine Ausstellung mit 800 internationale Zeichnungen - noch bis zum 20. April 2013 im Kunstverein Tiergarten | Galerie Nord, in der Turmstraße 75, 10551 Berlin.
Wo ist die Grenze zwischen Kunst und Nichtkunst? Was ist eine gute Zeichnung? Wie verändert sich das eigene Urteil, wenn man nichts über die Namen und die Herkunft der KünstlerInnen weiß? Die üblichen Regeln des Kunstmarkts werden bei Anonyme Zeichner ausgehebelt und auf den Kopf gestellt. Anonyme Zeichner ist ein von der Berliner Künstlerin Anke Becker gegründetes Ausstellungsprojekt, das seit 2006 in Berlin und andernorts mittlerweile über 8000 internationale ZeicherInnen präsentiert hat.
Der Ausstellung ging ein offener Aufruf zur Teilnahme im Internet voraus. Es gab darin keine inhaltlichen Vorgaben, die einzige formale Regel: Ausgestellt werden ausschließlich Arbeiten bis zu einem Format von maximal A3. Alter, Biographie und Herkunft der Urheber spielten bei der Auswahl keine Rolle: Aus über 2500 Einsendungen wurden 800 Zeichnungen für die Ausstellung ausgesucht, ohne dabei auf die Namen der ZeichnerInnen zu schauen. Die Anonymität der KünstlerInnen wird erst nach einem Verkauf der Arbeiten zu einem symbolischen Einheitspreis von € 150 aufgehoben.
Im Rahmen von Anonyme Zeichner werden viele einzelne Arbeiten zu einem Gesamtkunstwerk: Jeder anonyme Künstler wird Teil einer großen Installation, in der es keine Hierarchien gibt. Anonyme Zeichner ist sowohl ein Manifest gegen Vereinzelung, Konkurrenz und Monokultur auf dem Kunstmarkt, als auch eine Hommage an das unerschöpfliche Medium der Zeichnung.


05.04.2013  |  Schwerpunkt Mensch - Natur   Die CRITICA, eine neue Zeitschrift für Philosophie und Kunsttheorie, ist Mitte März erschienen - mit der Zielsetzung, den wissenschaftlichen Austausch auf dem Gebiet der Philosophie und der Kunst(-theorie) zu fördern. Die Zeitschrift wendet sich an (junge) Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen sowie Künstler und Künstlerinnen und an alle Personen, die sich einer rationalen Auseinandersetzung mit Philosophie und Kunst verpflichtet sehen. Man kann die Ausgaben kostenlos als E-book online anschauen (hier), oder Printexemplare erwerben. Und man kann (vorzugsweise interdisziplinäre) Texte einreichen.
Zur ersten Ausgabe läuft aktuell auch eine Ausstellung im Kunstraum Dreieich und präsentiert diverse Künstlerpositionen aus den Disziplinen Malerei, Fotografie, Plastik/Objekt und Installation zum Thema Mensch-Natur. Die Wiederentdeckung der Natur ist keine neue Naturphilosophie und hat auch nicht den geringsten Hauch von Romantik, sondern ist eine notwendige Überschreitung der anthropozentrischen Perspektive hin zu einem neuen, klareren Blick.

 

04.04.2013  |  Flarf im Debüt von Still   Still ist ein Magazin voller neuer Geschichten und junger Fotografie. Zweimal jährlich auf Papier präsentiert es Fotokunst und junge deutsche Literatur. Ob Kurzgeschichten, Romanauszüge, Lyrik oder Drama — S T I L L steht für fiktionale Texte und Geschichten voller Fantasie genauso wie für internationale junge Fotokunst. Große Fotostrecken treffen auf Literatur und junge Autoren auf alteingesessene. Egal, wie lange die Autoren schon schreiben.
Die Ausgabe N° 1 erschien im März und bringt neben Gedichten von Fiona Wright in der Übersetzung von Jan Wagner auch Flarf-Gedichte von Alexander Gumz (mehr über Flarf und Google Sculpting hier) und Texte u.a. von Crauss, Ann Cotten und Friedrike Mayröcker.

 

04.04.2013  |  Unbekannte Lebewesen in quadratischen Honigprotokollen   Monika Rinck erhält den diesjährigen Peter-Huchel-Preis für Lyrik, er wurde gestern in Staufen an die Presiträgerin überreicht. Der mit 10.000 Euro dotierte Peter-Huchel-Preis wird jedes Jahr für "einen besonders bemerkenswerten Beitrag zur Entwicklung deutschsprachiger Lyrik" verliehen. Der Preis soll an den deutschen Lyriker und Redakteur Peter Huchel erinnern, der 1981 in Staufen im Breisgau verstarb. In diesem Jahr geht der Preis an die in Berlin lebende Lyrikerin Monika Rinck, die die Jury mit ihrem Gedichtband "Honigprotokolle" überzeugte. - Astrid Tauch im SWR2 über die „bienenfleißige Wortkomponistin“.

 

03.04.2013  |  Liebe und Anarchie   Samstag Nacht, den 06.04. um 0:05 Uhr beginnt pünktlich zu seinem 135. Geburtstag „Eine Lange Nacht über Erich Mühsam“ von Rolf Cantzen (Regie: Rita Höhne).
Erich Mühsam (1878 bis 1934) saß zwischen allen Stühlen - fast sein ganzes Leben lang. Den schreibenden Bohemien in München und Berlin war er zu anarchistisch: Er agitierte Arbeiter und das Lumpenproletariat und wurde wegen diverser politischer Straftaten verurteilt. Den ernsthaften Anarchisten war er zu sehr Boheme: Er dichtete zu unpolitisch, trank zu viel und vergnügte sich zu sehr – nicht nur, so der Vorwurf, mit Frauen. Nach dem Ersten Weltkrieg beteiligte er sich an der Münchener Räterepublik, redete vor Zehntausenden von Arbeitern und Soldaten. Im Gegensatz zu vielen anderen Genossen überlebte Mühsam die Niederschlagung der Räterepublik. Weil Mühsam mit den Kommunisten kooperierte, um den Aufstieg des Nationalsozialismus zu verhindern, wurde er von vielen anarchistischen Freunden verlassen. Weil er an der Staatskritik und am Individualismus der Anarchisten festhielt, wurde er von den Kommunisten als Kleinbürger kritisiert, auch noch nach seiner Ermordung im KZ Sachsen hausen.

Das Nichts

Ich sah durch ein hohes, großes Loch.
Ist Nichts darin? - Doch! scholl es. - Doch!
Und ich suchte und suchte und grub nach dem Nichts. -
Da quoll aus dem Loch eine Garbe Lichts. -
Ich habe das Nichts gefunden, -
Und mir um die Stirn gewunden.

 

03.04.2013  |  Einmal noch untreu   Bereits vor einem Jahr angekündigt – nun endlich bei Wallstein erschienen: Ein außergewöhnlicher Briefwechsel über eine Ménage à trois. Die Briefe zwischen Claire Goll, Yvan Goll und Paula Ludwig sind Zeugnisse leidenschaftlicher Liebe, aber auch von Abgründen des Zweifels, der Eifersucht und der Verzweiflung. Sie spiegeln Leben und Wirken dreier Dichter, die sich in dieser Dreieckskonstellation wechselseitig beeinflussten.
Paula Ludwigs Briefe an Goll, der für sie seine „Malaiischen Liebeslieder“ schrieb, wurden von Claire Goll weitgehend vernichtet. Aus dem Dreigestirn ist Paula Ludwig diejenige, die man am nachhaltigsten vergessen hatte. Sie lebte zum Schluß mittellos, zeitweise obdachlos. Es ist Kristian Wachinger, der aus Altersgründen seinen lange Jahre für die Lyrik so fruchtbaren Verlag Langewiesche-Brandt an C.H. Beck abgegeben hat, zu verdanken, daß ihre gesammelten Gedichte vorliegen.

Paula Ludwig

Mit der Ackerwinde
Trieb ich eine Ranke in den Raum

Mit dem Sommerwinde
Rauschte ich hochauf im Baum

Mit der Wolke schwand ich aus der Erde Schau
Mit den Gräsern trank ich bittrer Frühe Tau

Mit der Grille sang ich in der Sonnennacht
Mit den Totenfeuern hielt ich treue Wacht

Mit der Quelle stürzte ich in dunkle Schlucht
Mit der Schattenbeere trug ich süße Frucht

Mit dem Sumpfe lag ich unterm Himmel bloß
Mit dem Himmel war ich selig groß

Mit der Mücke tanzte ich in Staubeslust
Mit der goldnen Ähre sank ich Schnittern an die Brust –

Mit dem Blitze schlug ich in die Pappel ein
Mit der Flamme litt ich hellste Pein

Mit den Flüssen suchte ich das tiefe Meer
Schwankte mit den Brücken hin und her

Mit dem Kiesel lag ich ganz gering am Grund
Mit dem Monde war ich schmal und rund

Mit dem Herbstlaub färbte ich mich fahl
Schmeckte mit dem Rest im Glase schal

Mit der Hirschkuh brach ich ein in Schnee
Deckte mit der Flocke fremdes Weh

Mit der Träne höhlte ich den harten Stein
Mit der Raupe spann ich mich in gelben Ginster ein –

War ich mehr als dies und nicht so viel
War es Wachen Träumen schweres Spiel?

Ruhvoll wird es in den Sternen klar
Daß dies alles nur ein Leben war

 

03.04.2013  |  Die Dimension des Täuschens    „Schon das Cover von Martin Dolls Buch "Fälschung und Fake" führt in die Materie ein: Was zunächst wie ein Suhrkamp-Titelbild von Willy Fleckhaus aussieht, entpuppt sich beim genauen Hinsehen als das, was der Autor als Fake bezeichnet. Beim genauen Schauen und Lesen wird jeder Zweifel zerstreut: Das Buch ist nicht in der Reihe Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft erschienen, sondern im Kunstverlag Kadmos. Ein gelungenes Eröffnungsspiel.“ Lothar Struck bespricht aktuell auf Glanz & Elend das Buch, das u.a. auch die Erfindung des Autors Ern Malley 1943 in Australien, der als ein neuer Lyrikstar implementiert wurde, nachdem von seiner angeblichen Schwester posthum Gedichte in der Hinterlassenschaft entdeckt worden waren, eingehender beleuchtet.
Ern Malley’s Geschichte ist auf wikipedia ausführlich dargestellt: Zwei junge Bohemiens namens McAuley und Stewart machten sich einen Spaß daraus „moderne Gedichte“ zu erzeugen, indem sie sich an einem Nachmittag zusammensetzten,  notierten, was ihnen gerade einfiel und Wörter und Phrasen aus dem Concise Oxford Dictionary, der Sammlung Collected Shakespeare und einem Dictionary of Quotations einflochten. „Wir öffneten beliebige Bücher und suchten zufällig ein Wort oder eine Phrase heraus. Wir erstellten daraus Listen und verbanden sie zu unsinnigen Sätzen. Wir zitierten falsch und machten falsche Andeutungen. Wir produzierten absichtlich schlechten Stil und wählten komische Reime aus einem Ripman's Rhyming Dictionary.“
Sie schickten die so entstandenen Texte unter dem Namen von Ethel an Max Harris, einen 22-jährigen Avantgarde-Dichter und Literaturkritiker in Adelaide, der darin die Klasse eines W.H. Audens oder Dylan Thomas‘ ausmachte und publizierte sie in einer Spezialausgabe seiner Literaturzeitschrift, nachdem ihn seine Freunde darin bestätigt hatten, dass hier ein bislang völlig unbekannter modernistischer Poet von großer Bedeutung im vorstädtischen Australien entdeckt worden war.
Martin Doll im Gespräch mit Annegret Arnold über sein Buch.

 

02.04.2013  |  Lesebühne in Darmstadt   Die Lesebühne am Mittwoch, den 3. April, 19.30 Uhr im Literaturhaus, Kasinostraße 3, steht ganz im Zeichnen der Lyrik. Martina Weber (Frankfurt am Main), die auch Leiterin der Textwerkstatt II im Zentrum für junge Literatur ist, stellt ihre soeben im Leipziger Poetenladen Verlag erschienenen ersten Gedichtband „erinnerungen an einen rohstoff“ vor. Mit diesem Debüt präsentiert sich eine der interessantesten und innovativsten Stimmen der jüngeren Lyrikszene. Gedichte von David Herbert Lawrence hören wir von Anna Dorothea Schneider (Mainz), im englischen Original sowie in deutscher Übersetzung, die sie selbst vorgenommen hat. Musikalische Begleitung durch George Goodman am Klavier und wie immer führt Kurt Drawert durchs Programm und durchs Gespräch mit den Autorinnen. Der Eintritt ist frei.


02.04.2013  |  Nach 100 Jahren erstmals unzensiert – Kriegsgedichte von D.H. Lawrence   „Am 28.März 2013 wurden von der Cambridge University Press die vollständigen Gedichte als letzter Teil der 40-bändigen Ausgabe “Briefe und Werke” des britischen Autors David Herbert Lawrence in ungekürzter Fassung veröffentlicht. Darunter auch einunddreissig Kriegsgedichte die nie zuvor vollständig veröffentlicht wurden, waren sie doch durch die Zensur so entstellt, dass sie verstümmelt und vom Sinn her zum grössten Teil unverständlich waren. Nicht ohne Grund, denn die Regierenden fürchteten die offengelegten Fakten ihres Handelns, denn die Gedichte zielten auf Politiker, den britischen Imperialismus, die Brutalität des Ersten Weltkriegs und die englische Repression. Die gestrichenen Passagen wurden inzwischen wieder hergestellt und hunderte Zeichensetzungen korrigiert, um den unleserlichen Text zurück in die Originalfassung zu bringen.“ Radio Utopie

 

01.04.2013  |  „Erlischt das Gefühl, so spricht das wahre Gedicht.“   Demnächst neu bei suhrkamp: Gedichte von Natan Zach, übersetzt von Ehud Alexander Avner.
Natan Zach wurde am 13. Dezember 1930 als Harry Seitelbach in Berlin geboren. Seine Mutter war Italienerin, der Vater ein deutscher Jude. 1936 wanderte die Familie nach Haifa im damaligen britischen Mandatsgebiet Palästina aus. Er nahm 1948 am israelisch-arabischen Krieg teil, studierte bei Martin Buber und Gershom Scholem und gehörte seit 1952 der literarisch einflussreichen Gruppe Likrat (hebr. entgegen) an. Mit seinem ersten Gedichtband (1955) wurde Zach zu einem Protagonisten der israelischen Moderne. Der nüchterne, oft ironische, immer musikalische Ton seiner Poesie verbindet die gesprochene Sprache mit dem biblischen und rabbinischen Hebräisch. In den politischen Auseinandersetzungen des Landes ist seine Stimme unüberhörbar. 1967 übersetzte er zusammen mit dem palästinensischen Dichter Rashid Hussein arabische Volkslieder. Mit dem Band Verlorener Kontinent erscheint sein Werk erstmals in einer Auswahl auf Deutsch.

 

01.04.2013  |  Lebens.Wege in Rauris   Die Rauriser Literaturtage stehen mit der Saison 2013 unter neuer Leitung. Manfred Mittermayer und Ines Schütz folgen der langjährigen Intendantin Brita Steinwendtner nach, die das Festival 22 Jahre lang geprägt hatte. Allerdings gilt die Idee Kontinuität trotz Veränderung, so dass die fünf Festivaltage, diesmal zum Thema „Lebens.Wege“, auf gewohnten Programmschienen fahren. Hier der vollständige Zeitplan.
Den Rauriser Literaturpreis 2013 (vergeben vom Land Salzburg, dotiert mit EUR 8000,-) erhält Matthias Senkel für sein Romandebüt „Frühe Vögel“ (Aufbau Verlag 2012).  „Es handelt sich um eine Familienchronik, die mit der Geburt des Protagonisten Theodor Leudoldt um 1871 im deutschen Kaiserreich ihren Lauf nimmt und eine alternative Geschichte der Luft- und Raumfahrt erzählt. Damit geht der Preis an einen Autor, dem es gelingt, experimentelles Schreiben mit Ironie und Erzählfreude zu kombinieren.
Den Rauriser Förderungspreis 2013 (vergeben von Land Salzburg und Marktgemeinde Rauris, dotiert mit EUR 4000,-) zum Thema „Wege“ erhält Renate Silberer für ihren Text „Linie Linkshand sucht das Reh“.

 

01.04.2013  |  Naive Schweiz Suisse Brut   Das Museum im Lagerhaus in St. Gallen und die Stiftung für schweizerische Naive Kunst und Art Brut feiern 25jähriges Bestehen. Die Jubiläumsausstellung Naive Schweiz Suisse Brut skizziert Schweizer Positionen der Naiven Kunst und Art Brut, um hier das Museum zu verorten. Im Zentrum stehen Ikonen Naiver Kunst und Art Brut wie Adolf Dietrich und Adolf Wölfli als historische Klammer.
Sie werden um bedeutende, zum Teil weniger bekannte Werke ergänzt und zeigen bspw. mit Felix Brenner ebenso Ausblicke in aktuelles Kunstschaffen im Feld der Outsider Art in der Schweiz.

 

01.04.2013  |  Anschlag. Plakate zur Mediengeschichte   Eine „plakative“ Sonderausstellung vom März bis September 2013 im Deutschen Buch- und Schriftmuseum der Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig (das vor kurzem den Antiquaria-Preis für Buchkultur für ihre derzeitige Dauerausstellung „Zeichen – Bücher – Netze“ erhielt).
Ob Ware, Dienstleistung oder Kultur, ob Partei oder Propaganda, ob Werbung für Bücher, Tinte oder Twitter: Das Plakat versorgt die Straße mit leicht verständlicher Schrift- und Bildersprache, die verführt und überzeugt. Es ist ein Seismograph und Spiegel gesellschaftlicher Zustände. Sein Sinn und Nutzen: Die Botschaft verstehen im Augenblick des Sehens. In seiner Frühjahrsausstellung gibt das Deutsche Buch- und Schriftmuseum erstmals Einblick in seine Plakatbestände zu Themen der Mediengeschichte: Werbende Anschläge zu Buch, Schrift und Papier, zu Lesen und Schreiben, zu Sende- und Empfangsmaschinen, zu Buchwochen und Wettbewerben, zu digitalen Medien und Social Media aus über 100 Jahren.