Romangedicht
Cesare Paveses letzter Roman Der Mond und die Feuer ist im letzten Jahr in der Edition Blau des Rotpunktverlags aus Zürich erschienen. Das Besondere ist seine Neuübersetzung von Maja Pflug. Pavese, der sich kurz nach Vollendung des Romans in einem Hotelzimmer das Leben nahm, hat, so steht es im lesenswerten Nachwort, an diesem Text die meiste Freude beim Schreiben von allen seinen Werken verspürt. Man merkt es dem Text und der Übersetzung an. Hier liegt ein Resümee nicht nur eines Lebens, sondern auch eines Schreibens vor. Pavese, der sich früh an der amerikanischen Literatur als Übersetzer gütlich getan hat, und unter anderem Whitman, Conrad, dos Passos und auch ältere englische Literatur von Defoe und Dickens ins Italienische übertragen hat, ist im Grunde seines Herzens und Werkes ein singulärer italienischer Autor der Moderne. Meint als solches, dass er anders als ungefähre Zeitgenossen wie Moravia und später der postmoderne Calvino, dessen erster Lektor überhaupt er als Leiter von Einaudi war, stark an der Sprache gearbeitet hat. Das heißt, dass er zwar erzählt, aber mindestens zu gleichen Teilen die (kritische) Behandlung der Sprache in sein Werk eingeflossen ist. Pavese, der auch Gedichtbände veröffentlicht hat, ist speziell bei Der Mond und die Feuer auf der Höhe dieser Verquickung von (erzählerischer) Prosa und (sprachkritischer) Lyrik. Maja Pflug hat in ihrer Übersetzung genau jenen Aspekt neu und behutsam herausgearbeitet. Jeder Satz klingt und schwingt in einem engen Rhythmus, der diesen Roman zu einem Gedicht ohne Zäsuren, ohne Umbruch, ohne Verse macht. Zwar Kapitel, doch dies der Erzählung geschuldet. Die Erzählung, eine bittere Fabel von Heimkehr, Exil und den Pflichten des Landlebens nach Jahrzehnten Fascismo im Piemont, wird in einer solchen Knappheit dargeboten, dass man fast trauern mag, so saftig ist theoretisch der Stoff. Zum Vergleich, ein Eco hätte sicherlich aus sämtlichen Stellen und genau beobachteten Sattheiten einen auskolorierten Schinken sondergleichen von vielen, vielen Seiten gerührt. Pavese genügt fast nichts, außer präzise Evokation. Es bricht auch nicht ab, es wird bloß mit der äußersten möglichen Effizienz eines vorgegebenen Rhythmus gearbeitet. Wenn in einem einzigen Satz ein Doppelmord, Verfolgung des minderjährigen Sohnes, Anzünden des Hofs, Verbrennen aller Tiere, Verstecken des Sohnes im Weinberg und Aufwachen desselben und Kopfstoßen an den Beinen des nach der Tat erhängten Vaters im Nussbaum über ihm vorkommt, dann ist es nur ein Abschnitt des enorm kurzen, schnell und gut lesbar schwingenden Romans Cesare Paveses. Man spürt so etwas wie eine existenzielle Lebenslast in dem Werk. Nichts wird erklärt, alles ist irgendwie klar, seit Jahrmillionen, italienische Kosenamen, Flüsse und Weiler füllen die Zeilen, immer wieder gibt der Held, Anguilla der Aal genannt, Rückblicke in seine Zeit in America, mit Amerikanismen und gut beobachteten Kürzestmitteilungen, die absolut den Ton der lost generation treffen. Es gleitet sich aus, politische Entzweiung trifft archaische Rituale, Traditionen versuchen sich nicht zu entwurzeln und münden in Gewalt. Ein einsames Buch. Man kann verstehen, dass danach nicht mehr viel zu schreiben bleibt. Großartige Edition. Wenn nur einmal Pavese im Leben, dann dieser Roman in der Übersetzung von Maja Pflug.
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