In BUKs Welt
Und noch mehr! Nach der Suche im Fischer Verlag, erfolgreich, Neues von Bukowski und seinem schier unerschöpflichen Nachlass aus dem Stammverlag Maro. Tatsächlich ziemlich lohnend. Es geht nicht um nicht verwendetes Material aus seiner Feder, bzw. Schreibmaschine, sondern es geht um buchstäblich verlorene Sachen. Wie Bukowski selbst sagt, hat er Texte, die "nichts geworden sind", vernichtet. Es gibt also keinen echten Nachlass. Stattdessen hat er jeweils alles, was er nächtelang zusammenhackte ohne jegliche Abschrift, Kopie oder Durchschlag losgeschickt an Zeitschriften, kleinste und abwegigste, eingegangene und verschollene. Rund 300 Gedichte seien auf diese Weise "verlorengegangen". Denn entweder wurden sie nie publiziert, die Herausgeber haben sie nicht zurückgeschickt, sondern irgendwohin vererbt, oder die Zeitschrift selbst ist spurlos mit allen Ausgaben verschwunden. Oder aber sie sind in zensierter Form posthum irgendwo erschienen. Dieser ominösen Sammlung hat sich Herausgeber Abel Debritto angenommen, hat "Textbesitzer und -hüter" getroffen, ist an die Opuszettel gekommen und hat sie 2017 auf Englisch veröffentlicht, nun 2018 übersetzt von Esther Ghionda-Breger.
Überraschenderweise ist die Sammlung, die Texte von den 50ern bis in die 90er umfasst, sehr konzis und man möchte fast sagen essentiell. Viele Schätze finden sich, vor allem durchkomponierte und weniger runter geschriebene, die Bukowskis Wandlungen und Anwandlung ziemlich gut auf den Punkt bringen. Bis zum Schluss ist er da, der idiosynkratische BUK-Sound, und doch wendet er sich zunehmend anderen Themen zu, lässt die Pointen ziehen und wendet sich sogar dem Zeitgeist zu.
NUMMER 1
Oh, vergib mir Wem die Stunde schlägt
Oh, vergib mir Mann, der auf dem Wasser lief
Oh, vergib mir kleine alte Frau, die in einem Schuh wohnte
Oh, vergib mir den Berg, der um Mitternacht röhrte
Oh, vergib mir die fiesen Geräusche des Tages,
der Nacht und des Todes
Oh, vergib mir den Tod des letzten schönen Panters
Oh, vergib mir all die gesunkenen Schiffe und
besiegten Armeen,
dies ist mein erstes FAXGEDICHT.
Zu spät:
Ich bin völlig
aufgeschmissen.
Dies wohl sein allerletztes zu Lebzeiten verfasstes Gedicht, von 1994. Natürlich sind viele der Texte bis über den Rand mit der typischen Kraftmeierei gefüllt:
[...]
Charles Bukowksi hat den Bogen raus – und
kann ein Stinktier in
einer Jauchegrube ficken und
in einem texanischen Tornado
einen Royal Flush
hinlegen.Fast alle wollen sich mit
Charles Bukowksi
besaufen
Oder den Träumereien: "Ich will betrunken in China die Alleen entlanglaufen.." Stets gut beobachtet und unnachahmlich zu Papier gebracht sind seine Beobachtungen und Verwunderungen, seine lässigen Bemerkungen zur Literaturgeschichte und vor allem Klassikradio-Kenntnis, "denen empfehle ich Sibelius". Gut ausgewählt sind die eingefügten Original-Faksimiles und BUK Cartoons, die das eigentlich kaum zu trennende Doppelschaffen Bukowskis abbilden. Die Zeichnungen sind sympathisch und auf den Punkt. Sie haben etwas Weiches. Der Band ist witzig und verspielt, teilweise geradezu experimentell für Bukowski-Verhältnisse. Erstaunlich, dass noch immer eine solche Frische vielen Texten innewohnt. Die paar Nieten kann man bei dem ganzen gut verkraften, echte Empfehlung, nicht nur für Komplettisten.
DAS FUNKTIONIERT NICHT IMMER
Ich kannte mal einen Schriftsteller
der immer versucht hat, seine Zeilen zu straffen.Zuerst schrieb er:
Ein alter Mann mit einem grünen Filzhut lief die Straße
entlang.Änderte es um in:
Alter Mann in Grün lief Straße entlang.Änderte es um in:
Alter grüner Mann lief Straße.Änderte es um in:
Grüner Mann lief.Änderte es um in:
Grün lief.Und dann sagte dieser Schriftsteller
Scheiße, ich kann nicht furzen
und blies sich sein Hirn
weg.Blies Hirn weg.
Blies Hirn.
Blies.
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