Fear makes big cubes
Gewiss ist Ilija Trojanow ein zu recht vielausgezeichneter Autor. Einer, der sich in der Öffentlichkeit bewegt, zielsicher, diskutierend, präsent, produktiv. Er liest überall, reist, schaut, schreibt, mischt sich ein, betreibt Verlage, Vereine, Gruppen und engagiert sich politisch. Macht alles in allem viel, und vieles davon richtig. Hut ab.
Was sein Gedichtband verwurzelt in stein nun, frisch erschienen bei Wunderhorn, soll oder will oder offenbaren möchte, erschließt sich einem nicht. Viel schlimmer, er hat das Zeug, Trojanow zu schaden. Zumindest als Dichter. Es ist einer der absolut seltenen Fälle, in denen die Übersetzung besser ist als das Original. Und zwar um Längen. Weltenbummler Trojanow, von Afrika bis Indien sein Zuhause nennend, hat aus einem unbegreiflichen Grund sich entschlossen, seine Gedichte auf Englisch zu verfassen. Er ist des Englischen so mächtig, wie ein non-native speaker aus Deutschland (oder mit Deutsch als primärer Bezugssprache, davon ist hier auszugehen) sich des Englischen bemächtigen kann: nämlich gar nicht, wenn man nicht aufhört, in deutscher Wortstellung zu denken und mit quasi Otto's English-for-runaways-Ansatz versucht, Sprichwörter zu reproduzieren à la "lifting a glass too many" [S. 14]. Wie kann das passieren? Antwort bleibt aus, der Band ist da. Es gibt keinen sprachkritischen Ansatz (natürlich nicht – eher unfreiwillig), es gibt keinen Rhythmus, es gibt keinen Klang, es gibt keine Idee (und keine Ironie). Inhaltlich geht es wie oft bei Trojanow ums Reisen, ums Unterwegssein an Orte, die man kennt oder nicht kennt: von den Killingfields in Kambodscha bis Mekong-Delta Orte in Vietnam, arabischen, afrikanischen oder indischen religiösen und profanen Stätten. Jeweils engagieren sich die Gedichte darin, die Orte, ihre Riten und Leute zu beschreiben auf dem Level von Notaten, bzw. was man heute so über sie denkt oder wie es damals wohl gewesen sein könnte. Außer mehr oder weniger Klischees kommt darüber hinaus kaum etwas bei rum. Der Verlag schreibt dazu: "Ein Dickicht von Bedeutungen und Verdrängtem, Benutztem und Missachtetem. Ihre Reise [der Gedichte] geht darüber noch hinaus, etwa in indischen Metropolen oder in Saudi Arabien spüren sie religiösen Kulten und gesellschaftlichen Exzessen nach. Sie sind in Berührung mit den Körpern der Elenden, zwischen Schweiß und Gebet, und sie wenden sich nicht ab vor den Ritualen, ihrer Härte, ihrer Metaphysik und ihrer Pracht." Das sollte so stehen bleiben, es spricht von allein.
Das einzige was diesen Band rettet (aber nicht Trojanow), ist José Oliver, Übersetzer Nummer Eins (von dreien!! als ob hier The Lord of Poetry in Person gedichtet hätte, gibt es drei Versionen des Eröffnungsgedicht) er schafft es, auch aus dem bizarrsten Denglisch von Trojanow zumindest fließende, rhythmische deutschsprachige Verse zu schmieden. Vom Inhalt einmal abgesehen, ist das Handwerk bei Oliver astrein. Das erste Gedicht Ode to another Whale wird wie angedeutet gleich dreimal übersetzt, jede Version merkwürdiger als die vorherige, sich aufreibend in langweiligen Detailvarianten, wie sie in jedem Übersetzungsprozess zumindest einmal auf den Tisch kommen, die aber jeweils überhaupt keine neue Perspektive auf das Original anbieten. Kein Wunder, denn das Original hat selbst schon wenig anzubieten, was der im Allgemeinen hohen Qualität heutiger Lyrikproduktion auch nur im Ansatz nahe kommt. Genug bashings, ein paar Beispiele Trojanow-Englisch:
"I read the score like Arabic"
"Fear makes big cubes"
"The Devil grins all the way to the stoning"
"That was not good enough for Jai Singh"
"one leg extended, all else
omitted. Was he launched on
a mosaic sealed by
eruption?"
Das besagte erste Gedicht in allen Fassungen soll zum Schluss stehen. Man kann Trojanow nur wünschen, Gedichte nicht mehr auf (Pseudo-) Englisch schreiben zu wollen und sich in diesem Zuge auf seine echten Stärken zu konzentrieren. José Oliver zumindest hat einen erstaunlich guten Job bei seinen mit Sicherheit nicht leichten Übersetzungen/ Verbesserungen abgeliefert, eigentlich ist es eher ein Oliver-Band, für dessen Inhalt er nichts kann.
"ODE TO ANOTHER WHALE
Cape Town
Carry me home, stranger,
your rudder is my passport.
When doubts surface
the moon breaks on barren land.When the surf beats a hasty retreat
the admiral's daughter ties
her hair with weed and hangs
the sailor's laundry on necklace of pearl.Draw eyelids on reason, stranger,
give me refuge in your tears.
Where skeletons are scattered
the coast crawls out to pray."
"Ode an einen anderen Wal
Kapstadt
Bring mich heim, Fremder,
dein Ruder ist mein Pass.
Wo Zweifel auftauchen,
fällt der Mond ins unfruchtbare Land.Wenn die Flut hastig zurückpeitscht,
verknotet die Tochter des Admirals
ihr Haar im Tang und hängt
die Wäsche der Matrosen an Perlenschnüren auf.Schließ die Augenlider, Fremder,
schenk mir Zuflucht in deiner Träne.
Wo Knochen verstreut herumliegen,
kriecht die Küste ins Gebet."
"Gesang auf einen weiteren Wal
Kapstadt
Trag mich nach Hause, Fremder,
dein Ruder sei mein Passagierschein.
Tauchen die Zweifel auf,
so bricht sich das Mondlicht auf kargem Land.Zieht sich die Brandung eilends zurück,
so schmückt die Admiralstochter
ihr Haar mit Tang und schnürt
des Matrosen Wäsche an Perlenfäden auf.Verschließe deine Lider der Vernunft, Fremder,
deine Träne sei meine Zuflucht.
Verstreutes Menschengebein
ruft die Küste zum Gebet."
"Ode an einen anderen Wal
Kapstadt
Bring mich heim, Fremder,
dein Steuer ist mein Pass.
Sobald die Zweifel auftauchen,
geht der Mond auf über dem fruchtlosen Land.Sobald die Brandung das Feld räumt,
schnürt die Admiralstochter ihr Haar
mit Tang und hängt die Wäsche
des Matrosen an Perlenhalsketten auf.Senk die Lider aus Einsicht, Fremder,
gewähre mir Zuflucht in deiner Träne.
Wo die Skelette verstreut sind,
kriecht die Wüste herbei zum Gebet."
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