How to make the world a better place for girls (and everyone else)
„Mein Name ist Katja Klengel. Ich bin 29 Jahre alt, lebe in Berlin and, guess what …! Ich mache eine Comickolumne.“
Katja Klengels Comickolumne „Girlsplaining“ erschien ursprünglich von August 2017 bis Februar 2018 auf der deutschen Seite von „Broadly“, dem Women’s interest-Channel von Vice, in sechs Episoden; für die Buchedition kam noch eine siebte Episode hinzu. Im Jahr 2012 hatte sie bereits in der FAZ ihre berührende Fortsetzungscomicserie „Als ich so alt war“ veröffentlicht und publiziert seitdem auch Comics auf ihrem Blog „Blattonisch“.
Ihr Stil ist, laut Klappentext und Selbstaussagen, inspiriert von den Sailor-Moon-Comics von Naoko Takeuchi und amerikanischen Independent-Comics. Die einzige Farbe in den Girlsplaining-Comics ist (neben Schwarz und Weiß) Rosa, in verschiedenen Sättigungen – eine gleichsam ironische, aber auch selbstbewusste Stilentscheidung.
In den einzelnen Episoden werden die jeweiligen Ober-Themen nicht anhand einer stringenten Erzählung, sondern in einem Wechselspiel aus witzigen/parodistischen/sarkastischen Einzel- und Gruppenpanels und reflexiven Passagen aufgegriffen. Ein häufiges Stilmittel ist auch das erneute Verwenden von Panels, nur unter anderen Vorzeichen und unter Anwendung der im Verlauf der Kolumne angebrachten Erkenntnisse. Die Erzählerin ist immer ein Alter Ego von Klengel selbst, oft ist sie auch Akteurin, manchmal nur Kommentatorin.
In der ersten Episode „Sex und die Stadt“, eine Anspielung auf Sex and the city, tastet sich Klengel erstmal an die Vorstellung einer eigenen Kolumne heran, überlegt wie sie sich selbst und ihre Themen präsentieren soll. Letztendlich wendet sich dann vor allem gegen die Phantasien von Powerfrauen, die immer schillernde Persönlichkeiten haben, also die Orientierung an unrealistischen TV-Heldinnen und ihrem Lifestyle.
Im zweiten Kapitel geht es dann um Body-Shaming, vor allem in Bezug auf Haare an weiblichen Körpern. Ein Panel zu Anfang zeigt das jugendliche Alter Ego von Klengel auf einem Krankenbett, eingeliefert wegen eines Bänderrisses, und die Krankenschwester bietet ihr gerade an, ihr die Beine rasieren, weil ihr „das ja sicherlich auch peinlich ist“. Erinnerungen an weitere ähnliche Momente werden aufgerufen, bevor der Geist der verrosteten Rasierklingen auftaucht und die Sache ins rechte Licht rückt.
Die weiteren Episoden drehen sich um den Druck auf Frauen, sich in der Kinderfrage möglichst früh zu entscheiden, um das Totschweigen der Vulva (der Voldemort unter den Körperbegriffen) und die um sie herum entstandenen misogynen Mythen und Vorurteile, die sexistische Position der Gesellschaft zu Kinderspielzeug und ein Comic behandelt unangenehme und übergriffige Handlungen.
„Kennt ihr das? Das Herz schlägt schnell, die Brust wird eng und kein klarer Gedanke stellt sich ein. Dabei müsste ich jetzt eigentlich etwas Toughes oder Schlagfertiges sagen. Doch stattdessen“
geht auch Klengels alter Ego meist auf Deeskalationskurs statt auf Konfrontationskurs, wenn ein blöder Spruch oder eine unwillkommene Annäherung geschieht. Ihr Comic zeigt, dass die Sozialisation Frauen immer noch nahelegt, keine klaren Grenzen zu markieren, sondern nachzugeben, die Dinge lieber herunterzuspielen und zu ertragen und bestenfalls das Weite zu suchen.
In diesem Comic über übergriffige Bemerkungen und Annäherungen wird auch die Frage nach (literarischen) Heldinnen gestellt: wo sind sie? Warum wird fast immer nur Jeanne d’Arc genannt, warum werden die meisten Heldinnenfiguren im Verlauf ihrer Geschichten entweder vergewaltigt oder sterben einen grausamen Tod (als wäre ihnen das Scheitern schon ins Aufbegehren gepflanzt).
„Eine Freundin schildert einen Vorfall aus der U-Bahn: Ein Frau wird im vollen Waggon sexuell belästigt. Sie wird von einem Mann gedrängt, auszusteigen, um mit ihm Sex zu haben. Die Frau willigt ein. Sie gehen zur Tür. Er steigt aus. Die Tür geht zu, noch ehe er realisiert hat, dass sie dringeblieben ist. Die Meute in der U-Bahn applaudiert der Heldin. Vorher waren sie still, keiner hat gewagt einzuschreiten.
Die einsame Heldin, ihr Cape weht im Wind. Zu Hause wird sie sich einen Wein aufmachen und sich fragen: Warum muss ich die Welt allein retten?“
Es gibt außerdem ein Comic über die „Entdeckung der Klitoris“ und den behutsamen und liebevollen Umgang mit der eigenen Sexualität und der Sexualität anderer. Oft wird auf (vor allem junge) Frauen Druck ausgeübt, es wird erwartet, dass sie ohne Probleme Lust empfinden, vor allem durch Penetration, während ihnen gleichzeitig selten nahegelegt wird, ihre eigene Sexualität zu entdecken, ihre eigene Herangehensweise zu finden und ihr eigenes Tempo zu bestimmen.
„Wäre es nicht schön, wenn das erste Mal Sex nicht das erste Mal Penetration meinte, sondern den ersten gemeinsam erlebten Orgasmus?“
Obwohl man die Girlsplaining-Comics auch Online findet (und dort ja mal reinlesen/-schauen kann), ist diese Edition schon allein wegen des zusätzlichen Comics nicht zu verachten. Klengel hat nicht einfach nur feministische Prinzipien ins Zentrum ihrer Comic-Reihe gerückt – sie zeigt einfache Wege auf, mit der jede und jeder die Welt für sich und andere zu einem besseren Ort machen kann, vor allem für Frauen (aber nicht nur für sie). Zuerst muss man beginnen, die Dinge mit anderen Augen zu sehen, dabei helfen diese Comics ungemein. Im Anschluss geht es dann darum, auch anders zu handeln, bewusster und bedachter.
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