Die Demokratie ist kein Ponyhof!
Ein Problem der Demokratie, ihr inhärent, aber in ihren derzeitigen Verschärfungen und/als Abstumpfungen womöglich höchst virulent, ist, daß ihr Souverän problematisch ist: Ein demos, der in „Filterblasen” steckt, uninformiert, was er aber vielleicht sein kann, er ist ja keine Epistemokratie und kein „Gedankenexperiment der Vernünftigen”, dem „Mehrheitswille(n)” bis zur Pöbelherrschaft verbunden – er selbst instabil, und zwar gerade auch, weil er all das nicht sein wolle, aber noch damit abgleiten kann, das nicht sein zu wollen…
Wäre es doch so einfach, daß man eine letzte Instanz hätte! Aber davon emanzipiert sich Demokratie, und damit noch von der „Vernünftigkeit” – Marie-Luisa Frick geht diesen also „konzeptuellen Spannungen” nach, und zwar unter dem Gesichtspunkt, wie man dann das Inakzeptable im Vielleicht-gerade-noch-Akzeptablen behandeln solle, den Feind im Demokratischen und auch noch des Demokratischen.
Dabei zeigt sich viel Grundsätzliches. Und die Autorin formuliert auch allerlei an Details:
– etwa, daß ein Disput „verborgen” sein kann: Es ist, so Frick, beispielsweise ein Vorurteil, daß allein zwischen Rechten und Islamisten eine Opposition bestehe – und man könnte sogar fragen: Besteht sie? Jedenfalls gibt es aber auch den Konflikt zwischen dem Salafismus und dergleichen einerseits und andererseits den Linken, die mit den Feudal-Theokraten (Frick bietet keinen Ausdruck, dieser ist natürlich eine Notlösung) natürlich überhaupt nicht können; oder nicht können dürften, bloß sagen das nur die von ihren Lagern als linke Skandalnudeln Denunzierten, sei’s Slavoj Žižek, sei’s in Österreich der Grüne a.D. Peter Pilz, derweil der Konflikt sozusagen „schlummert”.
– etwa, daß aber natürlich nicht jeder Islam Islamismus ist und, wichtiger, Islamismus mit dem Islam jedenfalls oft überhaupt nicht zusammenhängt; es aber zu behaupten oder diese Behauptung zuzulassen, ist nicht nur falsch, sondern als Aufwertung von etwas, das womöglich nur kriminell ist, auch keiner „Klugheitslogik” gemäß.
– etwa, daß fake news ein Problem sind, aber korrekte Informationen nicht dazu führen, daß Probleme „sich von selbst lösen”: oder es mit ihnen klar wäre, wie (und manchmal ob) man sie lösen solle. Einschätzungen auch korrekter Fakten (immer noch: gemacht), Narrative und Intentionen können divergieren.
– etwa, daß selbst, was stimmt, so verwendet werden kann, daß die Verwendung falsch ist: „Wer den Begriff »Populist« […] gebraucht, […] steht inmitten des politischen Kampfplatzes”, immer, auch wenn es der Populist ist, den er zurecht so nennt, angesichts der Unklarheit dessen, was Demokratie ist (und legitimiert), aber auch, weil das in bezug auf das, was man nun selbst wolle, „nicht wirklich etwas” besagt.
– etwa, daß auch eine funktionierende (Basis-)Demokratie nicht vor Widerspruch und sogar Ungehorsam gefeit ist; und dessen Legitimität ist möglich, was sich wie antidemokratisch ausnimmt, ist das Leben der Demokratie, weder als der Vernünftigkeit widersprechend abzutun, wie die Autorin klug zeigt, noch mit Reziprozitätshinweisen abzulehnen, wie es die Autorin weniger überzeugend tut … und wenig überzeugend ist es erst recht angesichts des unlogischen Beispiels, das Frick dann gibt.1 Hier ist eine der wenigen Schwächen des Bändchens, aber im selben Verlag ja eine fabelhafte Textauswahl zum Thema jüngst erschienen.
… – daß Verachtung angemessen sein kann, aber so ausagiert werden muß, daß die verachteten Standards sich in den eigenen zuletzt spiegeln: als „Dehumanisierung”; sie ist „einzufangen”.
Dies plus Exkurse zu Elias Canetti oder Hans Kelsen bietet das pralle Bändchen, das vor lauter Problemen manchmal unrund geriet, aber vielleicht gerade darin ausdrückt: „Es ist alles sehr kompliziert.” Noch dies ist übrigens eine Vereinfachung, würde aber so als Motto für das kleine Buch passen, das zu einer ganzen Reihe allzu einfacher Antworten zumindest bessere Fragen bietet.
Chapeau! Und: Raus aus der „Komfortzone”..!
- 1. Ein Aktivist schneidet ein Loch in einen Grenzzaun und ermöglicht den illegalen Übetrtritt. […] Wäre der Aktivist auch bereit, Andersdenkenden zuzugestehen, private Grenzanlagen zu errichten […]?”
– Dazu müßte erstens der linke Aktivist vielleicht nicht verstanden haben, daß Grenzen paradox wie das Celan’sche Schibboleth ausdrücken können, daß die totale Bewegungsfreiheit ein Privileg ist, vielleicht aber auch genau verstanden, daß die von ihm beschädigte Grenze an diesem Anspruch scheitert und so etwas wie privat ist.
Oder war es ein rechter Aktivist? Die Bollwerke der Rechten sperren diese so sehr ein- wie andere aus, derweil Privilegierte von eben diesen Rechten beim Aufenthaltsstatus womöglich sehr entgegenkommend behandelt werden (http://diepresse.com/home/innenpolitik/bpwahl/4953468/Geld-fuer-Pass-Vor...), womit der Lochschneider vielleicht hier steht … oder zu stehen vorgibt: womit schon unklar ist, wer warum dieses Loch wollen könnte.
Und das zu wissen wäre bei der Reziprozität vielleicht nicht unwichtig: Wenn ein Linker diese Grenze als nicht ein Schibboleth, sondern Ausdruck von Privilegien versteht, hat er Andersdenkenden schon zugestanden, private Grenzanlagen zu errichten, er sabotiert etwas, das er als privat betrachtet. Interessanter wäre, ob er Rechte in eine Grenze im linken Sinne Löcher machen ließe.
Der rechte Löchermacher wiederum hat mit den Grenzanlagen vermutlich kein Problem, als sie im Beispiel ja dezidiert private sein sollen – siehe Badiou zum globalen Feudalismus… Man ahnt, was ihn viel mehr herausforderte, zum Beispiel ein Blick in seine Finanzen.
Dies nur als kurze Entgegegnung.
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