Ver(w)irrt im Sprachlabyrinth
Was mögen „homogloben“ sein ― Menschenwelten? Man sieht, bereits der Titel von Nora Zapfs Gedichtbuch verwehrt eine leichte Orientierung; und nicht viel anders verhält es sich mit den Texten selbst. Man muß sich erst allmählich zurechtfinden in den um-, mit- und gegeneinander verschlungenen Sprachen und zwischen den erschreckend geklitterten „25 Mischwesen“ (so der Untertitel des ersten Zyklus), mit denen man im Laufe der Lektüre von morgens bis abends konfrontiert wird ― dies sind in der Reihenfolge ihres Auftretens unter anderen: Minotaurus, Hermaphrodit, Cyborg, Chimäre, Sphinx, Golem ―, und am Ende sogar mit der Möglichkeit rechnen, daß es einem nicht gelingt, sich zu ihnen in ein inniges freundschaftliches Verhältnis zu setzen.
Sicher ist nur eines zwischen all diesen Unsicherheiten: Die Welt, wie wir sie wahrnehmen, ist ebenso zusammengestückelt wie die Wesen, die sie bewohnen. Dazu zählen wohl auch ― und vor allem ― wir selbst. Auch die Sprache ist beileibe keine feste, identitätsstiftende Bezugsgröße, sie wirbelt zwischen den Nationalitäten hin und her, die Syntax verliert nicht selten ihr Gefüge, die Bedeutungen haken sich nicht mehr in die bekannte Welt ein, der Stil ist einerseits hochelaboriert und scheut sich andererseits nicht, grammatische Fehler aufzugreifen, wie sie einem aus Fernsehen, Videotext, Twitter und anderem Schwall täglich entgegenspringen. Auf diese Weise werden Mythos und Moderne, Tiefsinn, Irrsinn und Unsinn, Erhabenes und Albernes zu einer abenteuerlich illuminierten und allemal fordernden intellektuellen Tour de force zusammengespannt:
ziehe den stöpsel der welt, verkehre mit
lauter schnipseln aus gestein, déjà-vues,
anemonen, winkel die beine an, setze
mich auf wertstoffhöfe, schüttel die kugel wie
schnee, meere laufen aus, mir entgegen
im stechschritt lagerstätten, bäume rieseln
auf grund von vitrinen, spänst entfernung, warum
gerätest auf schiefe träume, dein stift, wohin
und gestern feinern sich gerade.
am seltensten stollen, mineralien, stabile elemente:
thulium, scandium, yttrium und wie sie alle heißen
schön klingen die kinder der halden aus kies,
gips oder erz.
Nicht weniger intrikat, aber doch viel anschaulicher und visuell nachvollziehbarer sind der siebenteilige Zyklus „kreta | stillleben“, kleine, sehr reizvolle Postkartenansichten, die alles andere als behagliche Urlaubsperspektiven einnehmen, und die kurzen „23 silhouetten“, deren Titel tatsächlich Programm ist, nämlich kurze Gegenlichtaufnahmen, die Bekanntes in ein spannendes, ungewohntes sprachliches Muster überführen:
wie steht das anemometer?
paar linsen auf blassem boden.
eine in den boden gerissene wurzel.
der eimer, eine seifenblase:das ist das paradies irisierender ameisen.
Eines ist klar: Nora Zapf ist sprachwütig. Sie wirbelt die Worte in halsbrecherischer Akrobatik herum. Dabei sieht man verblüfft, staunend und mit offenem Maul zu, nur leider wird einem doch irgendwann etwas schwindelig dabei und man begreift nicht mehr alles. Die Verfechter und Liebhaber unerhörter Wort- und Klangkombinationen werden nicht enttäuscht sein und ihre größte Freude daran haben; alle, für die das Gedicht neben seiner ästhetischen Dimension auch ein Transportmittel für Mitteilungen über die Welt ist, werden vor allem die aufdringlichen dadaistischen Elemente eher langweilig finden. Damit soll nicht der alte Streit von Moderne vs. Tradition herbeizitiert werden, sondern nur gesagt sein, daß hier vielfach die Sprache des Gedichts sich als einfaches Kommunikationsinstrument verweigert. Es drängt sich dann leider der Verdacht auf, der Sprachwitz setze immer dann ein, wenn eigentlich nichts mehr von allgemeinem Interesse mitzuteilen ist. Folgendes (zumindest dem Rezensenten belangloses vorkommendes) Wortspielgetümmel mag dies illustrieren:
allzu gern jagt ein parde, luchst
den armen lianen die möwen vom zweig ― öh weh.
weiter geradeaus plumpst die liarde dem
parden in die arme. an der unteren
lunge gurrt ihnen listig die pumartige pause.
pausiert. ja jaglion, du dummer parde, wo
lebt unsere tochter mittlerweile,
inmitten zinnober wohl wie von vi-vorn.
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