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Kritik

Dein Horizont wird immer enger

Hamburg

"Hat veröffentlicht und war nominiert", so heißt es in der beistehenden Kurzbio. Unter diesem Duktus versammeln sich die Texte in Walter Fabian Schmids Debütband, unlängst in der parasitenpresse erschienen. Der Band ist bunt und macht, was er will. Das gilt nicht nur typographisch, das gilt vor allem tonal. Verschiedene Zyklen siedeln im stimmapparatvibrato, ihnen gemein ist eine forsche und bisweilen, frech-herausfordernde Art, konkret zu sein.

In Sprachautonome Zone dengelt Schmid dialektale Sprachen-Fachsprache auf die Seiten. Die Zeilen wirken lautmalerisch und gerade weil sie wie als eine Art abstrakte Umschrift daherkommen, regt sich das Gehirnohr und versucht, die Musik zu hören:

im lungnfugnwegendn phoen
flattern de atemzugvögl
durchs lüftungsklappern
der gaumign segl
u kielschabm zwischnzeilig
ein schrifttiefes buchstabmbett
(die gravierende fraktur!)

In kompassing worlds fluchtpunktportraits kommt eine grafische Kompassarbeit hinzu, die hübsch auffrischend die Seiten in Beschlag nimmt. Danach steigert sich der Typogaphieeinschlag in Richtung konkrete poesie, wenn Schmid in völlige Gestaltungsfreiheit aufbricht und zum Beispiel bei Einsteinzeit eine Algebrasammlung präsentiert. Auch wenn einem nicht alles unmittelbar einleuchtet, oder vielleicht zu schnell einleuchten mag, es wirkt heiter und stets zugänglich.

Schmid geht spielerisch mit den Möglichkeiten von Sprache in einem Band um. Die Komposition der Abschnitte ist lebhaft, fast filmisch angelegt. Was ist die nächste Einstellung? Ah, zurück zum Anfang. So das Ende von stimmapparatvibrato, ein titelloser Zyklus von dreizehn nummerierten Texten, denen statt des dialektalen der Anfangszeilen nun die Dialektik einer Sci-Fi/ Elektrojetztzeit ihre Färbung verleiht.

"DAS SIND KEINE TROPEN, DAS SIND PLATZHALTER"

heißt es an einer Stelle. Hier wird es konkreter als konkret: Schmid ludiert erneut, mit scheinbar den allernaheliegendsten Sprachspielen rund um jenes Sprachreservoir. Warum nicht?

"Mein lieber Schwarm!"

Die Zeit und ihre Ausdrücke sind oberflächlich, sie ist die Oberfläche selbst.

"Erase.me ist noch immer keine Domäne."

Gedanken wie diese umkreisen als Aphorismen die Feststellungen Schmids. Es hat beinahe etwas rührendes, hier nicht etwa grafische wie-auch-immer-digitale Grafiken zu nutzen, oder nur mit QR Codes (nur Beispiel) oder sonstwas zu operieren, nein einfach die gute alte Gedichtgrafik dem Insgesamten entgegenzusetzen. "Gamma? Ach, gemma!" Man könnte sich einen Tiradeur im Wirtshaus vorstellen..

Insgesamt ist der kurze Band ein verspieltes Statement zur Lage der gantzen Musica und Schmid lässt es geschehen, nicht zu viel zu wollen von dem, was nicht dasteht. Es steht eben da, unterstützt von Stefanie Klähne, der Buchgestalterin, als Purzelbuch. Originell und zugänglich.

Walter Fabian Schmid
stimmapparatvibrato
parasitenpresse
2018 · 58 Seiten · 10,00 Euro

Fixpoetry 2018
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