Die Frage, was Heimat ist
Mit „Cahier d’exil“ legt der aus Togo stammende und heute in Bremen lebende Dichter Bassirou Ayéva seinen ersten Band in Deutschland vor. Die Gedichte auf Deutsch und Französisch erzählen vom Leben im Exil und von der Ichsuche eines Menschen, der gezwungen war, „zwischen der Hölle des Exils und der Verpfändung der Freiheit im Heimatland zu wählen“.
Togo ist ein kleines Land. Irgendwo in Afrika. In der deutschen Medienwelt erhält es kaum Aufmerksamkeit. Eine Diktatur, die brutal gegen die eigene Bevölkerung vorgeht. Dort wurde Bassirou Ayéva 1954 geboren. Anfang der 90er Jahre übernahm er einen aktiven Part bei den Volksaufständen gegen das Regime von Gnassingbé Eyadema. Er spielte eine wichtige Rolle in der Opposition, doch schlussendlich blieb ihm nur noch die Flucht ins Exil, die in erst nach Benin, dann nach Deutschland verschlug. Seit 1994 lebt er in Bremen. Er ist Sozialarbeiter in einer Flüchtlingsunterkunft und vertritt die Menschenrechte dort ebenso wie in seiner engagierten, melancholischen Lyrik.
„Wie in einem Panzer / ohne Seele / endet meine Existenz / vielleicht im Umherirren“ beginnt das Gedicht „Der Verirrte“. Obwohl es in der Mitte des Bandes steht, ist es inhaltlich bezeichnend. Ayéva setzt sich in seinen Versen intensiv mit dem Schmerz des Exils auseinander, mit der Entwurzelung und der Suche nach einer Form von Heimat, die er in gewisser Form in Bremen gefunden zu haben scheint. Was aber neben der Sehnsucht nach Togo und dem politischen Engagement gegen die dortigen Verhältnisse aber auch mitschwingt, ist das in Deutschland gerade wieder hochaktuell Thema Rassismus. Das Anderssein, das Ausgegrenztwerden aufgrund von Hautfarbe kommt zur Sprache, und es ist traurig, dass dieses Thema überhaupt noch existiert in einer Welt, die sich für ach so aufgeklärt und zivilisiert hält: „An Bord ihrer Lokomotive / Höre ich sie wiederholen / Wie ein Leitmotiv / Dass alles, was schwarz ist, verboten ist“.
Es ist sicher kein Zufall, dass dieses Buch im Bremer Sujet Verlag erschienen ist. Der Verleger Madjid Mohit lebt selbst im Exil. Er stammt aus Iran, aus einer Verlegerfamilie, und hat sich nicht nur der Lyrik verschrieben, sondern vor allem auch der Exilliteratur. Er macht Werke zugänglich, die in den Heimatländern der Autoren nicht gedruckt werden könnten, gibt Einblicke in literarische Welten, die viel mehr Aufmerksamkeit erfahren müssten.
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