Everyone gets married
Jane Austens Werk – Klassiker, die nicht verstauben. Warum? Weil darin mit sentenzenhaftem, apodiktischem Ton gesagt wird, was die je andere Seite dessen ist, worum es ginge. Zum Beispiel: Ein alleinstehender Mann „in possession of a good fortune” (Pride and Prejudice) bedürfe nichts dringender, als einer Frau, die in Wahrheit, jung und mittellos, aber vielleicht eben diesen Mann braucht.
Und nicht nur Witz hat das, es ist auch eine Aussage über Geschlechterrollen, als gender-Konzepte noch nicht erdacht waren, die hier aber trefflich vorweggenommen werden: was dieser und jene sei, wie sich dies durch beliebige Geld- und Machtverhältnisse als scheinbar natürlich ausdrücke.
Dennoch – oder: darum? – war Jane Austen kein Klassiker, den man kannte; zumal nicht in Deutschland, so Grawe über seine Lektüre, die in den USA begann: „Es gab zwar ein paar Übersetzungen, aber keinerlei […] Material über sie”, was ihn animierte, zu tun, was nicht getan war. Dies ist heute geleistet, wofür man Grawe wie für diese schöne Einleitung zu danken hat; wiewohl, auch das sei gesagt, es noch immer erstaunt, wie hoch der Anteil unter den ohnehin nicht zahlreichen Lesern ist, der nichts liest, das nicht übersetzt vorliegt…
Grawe zeichnet ihr kurzes Leben in der vorliegenden Einführung nach, ein Leben meist am Land mit wenigen Ortswechseln, typisch, sozusagen, doch ihren „Werken kam es zugute.” Denn sie weiß, worüber sie schreibt, und schreibt, worüber sie weiß. Sie schrieb intensiv, sie lebte kurz, sie erlebte Erfolge, doch: „Ihre Grabplatte erwähnt ihre literarische Tätigkeit nicht.”
Hierauf folgt Auslassungen über eben jenes Werk; und sie sind brillant, wobei Grawe etwas tut, was die meisten nicht könnten, er als ihr (übrigens glänzender) Übersetzer gibt Kostproben aus den Texten, sie stehen trotz Moderation für sich. Was sonst? Sollte man wie manch engagierter Lehrer versuchen, die Literatur nicht für sich sprechen zu lassen, erklärt, doch für sich stehend, sollte man sich lächerlich machen, indem man Goethe reizvoller als Goethe sprechen läßt? Didaktiker und Landesschulräte mögen das ja so sehen, aber manches ist schon dadurch diskreditiert, daß diese und ihresgleichen es erkennen…
… während Grawe Austen sprechen läßt, beziehungsweise diese Henry Tilney, in Kloster Northanger: „Ein Leser, […] der an guten Romanen kein Vergnügen hat, muss unerträglich dumm sein.”
Grawe erzählt, aber vor allem läßt er diese Welt auferstehen, indem die Autorin spricht, eine so kluge wie elegante Lösung. Oder er läßt Zeitzeugen zu Wort kommen, die dann berichten, Jane Austen sei ein „Schmetterling” gewesen, „aber einer, vor dem alle Angst haben”, gewissermaßen. Während in manchen Bänden der Serie 100 Seiten die Illustrationen und Kästchen eher stören, sei an diesem noch der entzückende spoilers-Cartoon hervorgehoben, Austen: „everyone gets married”, Shakespeare: „everyone dies”… Witziger freilich ist dann noch Austen selbst; nachdem Grawe das Werk ernsthaft und leicht zugleich abgehandelt hat, gibt es vor ein paar Handreichungen samt Kurzbibliographie nochmals ihren abgründigen Witz:
„Stell dir vor, Mrs. Holder ist tot. Die arme Frau, sie hat das einzige getan, was sie überhaupt tun konnte, um einen daran zu hindern, über sie zu lästern.” (Briefe)
Das klingt übel – aber der ätzende Spott trifft hier auch den, dessen Witz so korrosiv ist, er universalisiert sich, bis die Pointe bleibt, was eine fragwürdige Schöpfung und einen skeptisch auf sie Blickenden nobilitiert.
Fazit: Jane Austen bleibt zu lesen; mit Grawe kann man das Vergnügen eröffnen.
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