... sonst stimmt was nicht mit diesem Vers · Zu Bernsteins Frischen Gedichten
Aus dem Kreis der drei großen Lyriker der Neuen Frankfurter Schule lebt nur noch einer: Fritz Weigle, besser bekannt als F.W. Bernstein; er aber ist munter und dichtet noch immer auf dem Grat zwischen Poesie, Ironie und Metaebene. Frische Gedichte heißt der Band, der 2017 ebensolche von ihm bietet.
„»Erst kommt der Reim und dann der Sinn«,/ sagt die Punkrockband Cockbirds”, so stellt er einem seiner Gedichte voran, das Vom Sinn heißt und so lautet:
„Auch die Hühner werfen Schatten,
wenn sie in der Sonne stehn.
Sinnvorräte, die wir hatten,
schwinden, schmelzen und vergehn.Vergeuden wir den Restsinn, dann
fängt sinnfreies Leben an.
Der letzte Sinn – da geht er hin.
Sinnverlust ist Lustgewinn.”
Man hat hier viele der Qualitäten des Dichters: Lust an dem „Sinnverlust”, aber eben auch die Unmöglichkeit desselben, das Gedicht hat ja oder (angloamerikanisch und hier passend:) macht ja noch Sinn, was aber durchaus nicht beruhigend wirkt, sondern eben die Ironie als ewig Vorletztes bietet, die sich und fast alles aushält: „Sinnvorräte”, immerhin, wenn auch nicht der Sinn, der im Reim fast wieder, was er schon fast nicht mehr war, sein könnte...
„Der Untergang des Abendlandes?
Grad war’s noch da – und dann verschwand es.”
Solche Untergänge gibt es, etwa, als Gernhardt plötzlich nicht mehr ist; was bleibt? „Bestattungsberichterstattung”, hilflos, und erst recht hilflos, was an Pathosformeln darum unterbleibt, stattdessen nochmals dessen „munterer Kragenbär”, Eros und Thanatos, sozusagen...
Große Formeln bleiben also nicht, kleine „Störfälle” aber erhalten das Denken, so ließe sich mit wie auch von diesen Texten sagen, die die Erkundung lohnen.
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