That is forever England
Gerhard Weidmann, Anglist in Bonn, ist zweisprachig – im Englischen aus Liebe beheimatet, was oft die bessere Heimat ist. Die Schönheit des Englischen, englischer Texte nämlich, die ihm aufgeht, soll seine dreibändige Anthologie von Übersetzungen ins Deutsche bringen. Ein solches Projekt ist jedenfalls außergewöhnlich. Wie die Auswahl treffen? Die Eingrenzung auf vier Jahrhunderte ist sozusagen noch nicht einmal eine Annäherung an diese Frage. Und wie sich jedem Idiom je einschmiegen, wie die Klangmittel finden, die nicht einfach Mimesis sind, sondern das berühren, was im Original der Text berühren mag? „Nachreife”, wie Benjamin es nannte: ja oder nein? Die Hindernisse sind zahlreich, Weidmann findet auf sie seine Antworten.
Diese sind zum einen in den Kommentaren gegeben, worin Lösungen sich aus Erläuterungen der Gedichte verstehen, worin auch nochmals das, worauf hin zu dichten war, klarer wird. Die Gedichte selbst sind gut übersetzt, soweit sie es zulassen: Wenn ein Pfeifenraucher „puffs at his pitiful life”, „verflucht” er da „sein Leben mit Gepaffe”..? – Nein, aber die Phrase ist im Deutschen mit dem Bild nicht mehr kompatibel, jener kann auch nicht aufs Leben pfeifen, ohne, daß das Resultat ein Kalauer statt einer Engführung wäre.
Findig ist Weidmann indes durchaus, Endreime wirken dabei selten gezwungen, es gelingt dem Übersetzer, daß in ihnen sich etwas vollzieht, wovon Karl Kraus in seinem Text Der Reim sagt: „Dem Wortbekenner ist das Wort/ein Wunder und ein Gnadenort” – also nichts Gemachtes, nichts Erzwungenes. Was manchmal stört, sind die Rhythmen; nicht, daß man auch diese noch immer hätte treffen können und müssen, aber mancher Hebungsprall und manch gestörter Fluß irritieren:
„If I should die, think only this of me:
That there’s some corner of a foreign field
That is forever England. There shall be
In that rich earth a richer dust concealed”...
Rupert Brookers 1914: The Soldier bürdet dem Übersetzenden einiges auf: nicht zuletzt je katalektische, durch den Kreuzreim zusätzlich betonte Endungen und einen alternierenden Rhythmus, um das Bestimmte des hypothetischen Grabspruchs zu betonen; England bleibe hier, lebe hier fort, in reicher – fruchtbarer – Erde als des Mannes „reicherer Staub”, wieder eine Polyvalenz, die überfordern muß: aber der Nachdruck der Verse macht sie als Vermächtnis mit aus:
„Wenn ich sterben sollte, denke nur so an mich:
Dass in fremdem Land liegt ein Erdenfleck,
Der für immer England ist. Dort wird von
Reicher Erde noch reicherer Staub bedeckt”,
so Weidmann. Das Bestimmte fehlt mir. Man beginnt zu überlegen, umzuschreiben, weil man ahnt, was zu sagen ist, wagt ein Provisorium:
Sollt’ sterben ich, nur so gedenke mein:
Da ist ein Erdenfleck im fremden Feld,
der ist auf ewig England. Da soll’s sein,
daß reiche Erde reich’ren Staub enthält – ..?
Ob dies es besser träfe? – Ich weiß es nicht. Jedenfalls mißbehagt manche Lösung des Übersetzers Metrik bzw. Rhythmik betreffend. Dessen ungeachtet gilt freilich: Das Projekt Weidmanns beeindruckt; und sowieso ist es unabgeschlossen, auch in sich, der erste Band wird gerade überarbeitet, wie man hört. Auf alle Fälle eine Entdeckungsreise in die englischsprachige Lyrik, die sich lohnt.
Anm. der Redaktion:
Mit Gedichten von:
Edmund Waller (1606–1687)
George Herbert (1593–1633)
Percy Bysshe Shelley (1792–1822)
Elizabeth Barrett Browning (1806–1861)
Christina Georgina Rossetti (1830–1894)
Mary Gilmore (1865–1962)
Thomas Hardy (1840–1928)
William Henry Davies (1871–1940)
Lorma Leigh (verfasst um 1910)
Alfred Noyes (1880–1958)
William Butler Yeats (1865–1939)
Edna St. Vincent Millay (1892–1950)
Margaret Widdemer (1884–1978)
Wilfred Owen (1893–1918)
Siegfried Sassoon (1886–1967)
Rupert Brooke (1887–1915)
May Herschel-Clarke (verfasst 1915)
Charles H. Sorley (1895–1915)
John Gillespie Magee (1922–1941)
John Betjeman (1906–1984)
Ella Wheeler Wilcox (1850–1919)
Fleur Adcock (geboren 1934)
Sylvia Kantaris (geboren 1936)
Elizabeth Jennings (1926–2001)
Erica Jong (geboren 1942)
Laurence Lerner (geboren 1925)
Harold Monro (1879–1932)
Christopher Brennan (1870–1932)
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