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Komm! Ins Offene haus für poesie
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Kritik

Pater Brown und das Heilige

Mit Gilbert Keith Chesterton assoziiert man Pater Brown – und also eine undogmatische Religiosität, bei der Menschenwürde auch darin besteht, im Dialog mit Gott sich doch nicht orthodox einzukapseln, nicht in Glaubenssätze, aber auch nicht in die Vernunft, wiewohl sie hier als Werkzeug doch geradezu gefeiert wird.


Gilbert Keith Chesterton im Jahre 1914 Source: Wikipedia

Orthodoxie ist aber der Titel seiner Handreichung für die Ungläubigen, ein Versuch, Stringenz in der Darstellung des Glaubens zu gewinnen; eine richtige Meinung zu haben, wenn sie auch keine episteme sei. Vielleicht wäre sie ja eben schon ein Glaube, eine Vernunft, die sich selbst allzu sehr über den Weg traute. Man ahnt: Da ist viel Zwiespältiges.

In der Tat räumt das Chesterton ein, es gehe um die Gesundheit, „im Zwielicht zu leben”, an ihr mangle es jenen, deren Wahn sie zu „kerkerhafte(r) Monotonie” verdamme. Irrsinn sei, „alles einzubegreifen und nichts zu erfassen”. Das gilt natürlich nicht für die Religion, obwohl zugleich somit unklar wird, was die Trinität von Kobolden oder einem anderen irrationalen Popanz scheide. Chesterton erzählt hier lieber, als zu argumentieren. Und so gewitzt seine Ausführungen sind, ihre Menschenfreundlichkeit ist von jener Unredlichkeit, derer er die Humanisten und auch sonst fast alle zeiht. Das bedeutet freilich nicht, daß man sich nicht daran freuen könnte, was Chesterton zur „deutschen Pessimisten-Maus” so einfällt, die das Gefressen-Werden mit Schopenhauer und Nietzsche im Tornister sich zum Erfolg umdeutet. Auch die Bemerkung, nur die Krankheiten anderer könnten charmant oder ästhetisch reizvoll sein, ist bemerkenswert, damit ist viel zu den Schizo-Diskursen gesagt, die lange nach Chesterton in Mode waren. Und auch die Bemerkung, Schule fange mitunter an, „wenn es zu spät ist, um [...] irgend etwas zu lehren”, kann man beherzigen.

So ist das Buch reich, wie es die Welt Chesterton zufolge für den Religiösen ist: ein bunter Fundus. Aber es könnte zweifelsohne stringenter sein; und es dürfte sich der Polemik zugespitzter, aber zugleich auch in gerechterer Weise bedienen, da das Nebeneinander von Salbungsvollem und beißender Satire allenfalls genießbar ist, wenn man entgegen der Verfasserintention die Komik beider in diesem Buch für sich findet.

Gilbert Keith Chesterton
ORTHODOXIE
Eine Handreichung für die Ungläubigen
Übersetzung:
Monika Noll und Ulrich Enderwitz
Fe Medien
2011 · 9,95 Euro

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