Glossolalie in/als/und Gott
Form, Sinnlichkeit, Medialität und Intermedialität – wie im Band 274 der renommierten Quaestiones Disputatae, Hünermanns Ausführungen zur Sprache, so wird auch im Folgeband, ediert von Ingolf U. Dalferth und Simon Peng-Keller, das Verstehen befragt; allerdings nicht historisch und systematisch, sondern in Betrachtungen der Autoren zu etwa der Glossolalie, worin der Sprechende sich nicht mehr versteht, darum aber der Hermeneutik anderer bedürfen mag. Dieser Diversifikation der Sprache, in ihr: „ereignishaftem Verstehen“, wie Peng-Keller schreibt, der Intermedialität und den Herausforderungen einerseits durch Tradiertes und andererseits radikal Innovatives spüren die Theologen nach – und man muß weder katholisch noch allgemeiner Christ sein, um dabei mit Gewinn mitzudenken.
Denn die Erfahrungen des Gebets sind denen des Gedichts nicht unähnlich, Theologie wie Philologie sind „ab ovo resonsiv“, erfahren sich aus dem, was sie beunruhigt und fast gefährdet. So noch Gedichte, die das Gebet weiterführen, gegen es votieren mögen, etwa Celans Tenebrae, worin man „allen Extravaganzen der Klagepsalmen“ begegne, wie Jean Greisch im vorliegenden Band schreibt. Celans Werke als Gebete? – Beinahe eine Vereinnahmung, wie auch das Wort Extravaganz mißbehagt; doch stellt sich die Theologie hier ihren philologischen Nöten, und dies im Verlauf gerade dieser Interpretation dann doch auf lesenswerte Weise: Das Gedicht, aus dem Gebet hervorgegangen, hier „in ein Gebet zurückverwandelt“, führe zu „neue(n) Gebetsformen“, so der Beiträger mit Ricœur, man kann ergänzen: und neuen Theologien..?
In dieser Irritierbarkeit gefällt der Band; in Fragen schließlich, die eine ratlose Bilanz etwa implizit beinhaltet: Wir „haben keine Vorstellung von einer Kultur, in der man nicht mehr wüsste, was beten heißt.“ Da berühren einander Literatur – vielleicht besonders: Gedicht – und Gebet, wie philologische und religiös inspirierte Hermeneutik einander tangieren.
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