Die Kunst des Erzählens übers Erzählen
Als James Woods Buch How Fiction Works erschien, wurde ihm rasch große Aufmerksamkeit – jedenfalls für ein Werk seiner Art – zuteil, wer es liest, erkennt bald: zu recht. Empfehlenswert ist es allerdings, den Text im Original zu lesen, trotz der guten Übersetzung, und zwar aus drei Gründen: Erstens bezieht sich Wood auf eine Vielzahl vornehmlich englischsprachiger Texte, deren unterschiedliche Tonlagen und Stile in einer auch glänzenden Übertragung nicht mehr so ausdifferenziert sind, Kommentare nötig machten; zweitens erspart man sich so das Vorwort von Kehlmann, bei dem sich eine gewisse Blasiertheit längst in die unbestrittene Brillanz gemischt hat; drittens aber lebt dieser Text von seiner Eleganz, er ist eine leichtfüßige Annotation zu allerlei Texten, die aber manchmal Bekanntes eben vor allem treffend formuliert.
Ohne Zweifel etwa ist die Omniszienz des Epos ein Unterschied zum Roman, der theologisch anmutet, zweifelsohne fiel das aber auch Lukács auf. Gewiss ist das Irrelevante oft relevant, aber hier hebt sich Wood von Barthes auch dadurch ab, dass er diesen auf eine Einseitigkeit reduziert, die dem französischen Theoretiker nicht gerecht wird – und selbst, wenn Barthes hier irrte, blieben noch Baudrillards Befunde zum „insignifikanten Signifikanten”. Das Konzept der „con-creation” kennt spätestens Baumgarten, den „unexpected rhythm” haben Hans-Jost Frey und noch viele andere beschrieben, man lese etwa Freys und Lorenz’ Kritik des freien Verses (1980) oder spätere Arbeiten Freys.1 Und zu Differenz und/als Wiederholung (Wood, p.145: „repetition [...] is alteration”) wäre auf Deleuze zu verweisen.
Der Umstand, dass das Buch gleichwohl zu empfehlen ist, spricht für Woods Eloquenz und vielleicht sogar didaktisches Geschick. Nicht alles ist substantiell, nicht alles neu, doch insgesamt ergibt sich mit Thesen wie jener, dass Allwissenheit ein „antique cheat” sei (p.6), nämlich ihrer stilistischen Raffinesse und der beachtlichten brevitas Woods ein lesenswerter Essay.
- 1. cf. etwa http://www.engeler.de/rhythmus.html
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