Cumuluspolster für abwesende Engel
Ein wundersames Buch hat Klaus Reichert geschrieben, der ehemalige Lektor Celans, begnadete Übersetzer unter anderem aus dem Hebräischen, Anglist und Poet, bei dem das close reading alles zu Leben erweckt und das Schreiben die Permeabilität von Lyrik und Lektüre ist: Wolkendienst.
Wolken, diesen paradoxen Figuren des Flüchtigen also dient er, wobei man Dienst durchaus so verstehen darf, wie es in der jüdischen Tradition gerne gesehen wird, daß nämlich das Dienen die höchste Daseinsform sein könnte.
Diese theologische Volte bietet sich an – vom „Cumuluspolster für abwesende Engel” ist bei Reichert die Rede, die Engel aber sind auch selbst dieses Wolkige. Lesbar. Befragbar? – … „und der Engel sagt »Weiß ich? « und verschränkt […] die Arme.”
Wolkiges gibt es aber auch als Tongebilde, luftig auch sie, etwa mit Liszt, da ganz Zeit. Oder Witterung indirekt, „Wäsche im Wind”. So ist die Wolke schließlich fast alles, kosmogonisch-„göttlicher Samenschaum”… Oder die Atmosphäre von Io, der Mondin Jupiters, mit „Sauerstoff- und Schwefelionen”, die das Leuchten nicht abschwächen, sondern diaphan … die Naturwissenschaft Reicherts ist poetisch wie seine Exkurse in die Kunstgeschichte und die Theologie – oder die Poesie selbst, wer wollte Wolken teilen..?
Dieses Buch ist ein Füllhorn wunderbarer Eindrücke, fein zisilierter Formulierungen ohne Manierismen, akkurater Lektüren, … und die Illustrationen sind gleichfalls feine Impressionen, die das Ephemere einfangen, einfangen: aber nicht zu sehr. Was auch verhandelt wird, wenn es etwa Turner bei aller Himmelsbetrachtung doch um „Effekte[n]” gegangen sein mag. Wolkig: „Was genau Turners Bild darstellt, ist umstritten”, wenn das nicht wolkig ist..? Ist Wolke denn Wolke..?
Interessant auch die Struktur, die den Wolken und ihrer Betrachtung schließlich entspricht. „Man schlage das Buch auf, wo man will”, so Reichert … nur schlage man es bitte auf, so der Rezensent, ein wunderbarer Band..!
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