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Das Meer und der Norden     Streifzüge von Küste zu Küste     von Charlotte Ueckert
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Das Meer und der Norden     Streifzüge von Küste zu Küste     von Charlotte Ueckert
Kritik

liegen wie Kühe auf der Wiese

Nicolas Mahler: Partyspass mit Kant. Philosofunnies.
Hamburg

Philosophen haben Komikpotential; sind sie einerseits oftmals große Stilisten und darin von einer Eleganz selbst im Verqueren - schließlich lassen sich avanciertes Denken und avancierter Ausdruck nicht völlig umstandslos voneinander trennen - so ist eben dieses Verquere doch oft unübersehbar.

Auf Thomas Bernhards "Lachprogramm", wie Martin Huber es nannte, könnte man da verweisen; auf noch manch anderen Text, der damit spielt; es gibt auch Zitate, die allein ausreichen, das Schöne und zugleich darin Hilflose und Absurde zu sehen, das Philosophie umtreibt und sie dann (auch manchmal anders, als die Philosophen selber es ahnen) ausmacht:

Auch Dein allerärgster Feind kann Dir Nichts anhaben, wenn Du auf Deiner Liebe zu ihm beharrst, wenn Du bei Gelegenheit ihn ermahnst und gerade, wenn er im Begriff ist Dir wehzuthun, ihm freundlich zusprichst: nicht doch, Lieber, wir sind zu etwas Anderem geboren; mir schadest Du ja nicht, Du schadest Dir selber, Kind! wenn Du ihm so in sanfter Weise und Alles wohlerwogen zeigst, dass sich dies so verhalte, und dass nicht einmal die Thiere so verfahren, die in Heerden beisammen leben. Freilich muss dies ohne alle Ironie geschehen, nicht mit dem versteckten Wunsche ihn zu demüthigen, sondern aus reiner Liebe und ohne das Gefühl erlittener Kränkung, auch nicht im Schulmeisterton oder im Beisein eines Andern, sondern mit ihm allein, selbst wenn Andere gegenwärtig wären.

Das behauptet Mark Aurel – und ist es auch schön, man möchte doch jedem, der sich daran hält, "recht viel Glück" wünschen; und man ahnt die Überforderung der Menschen mit dieser christlich-stoischen Melange beim ersten Lesen.

Ungefähr dies ist auch die Grundidee Mahlers: Er setzt die Texte seinen herrlich gezeichneten Settings aus, Platons Idealismus der Realität einer Zeugenaussage, Aristoteles, Epikur zum "Liebesgenuß", der kaum einer sei, Hildegard von Bingen, deren Männerbild förmlich dekonstruiert wird, als "Kaffeekränzchen", über sprachliche Eigenwilligkeiten, über Rousseau als "Society-Reporter" und so fort – bis zu Pfadfinderführer Nietzsche, Wittgensteins "Besensketch" und Foucault, der mangels Fragen monomanisch monologisierend den "Masturbator" beschreibt.

Das funktioniert. Wer dann genau wissen will, wo sich die Texte finden, bekommt auch dies noch im Anhang als Handreichung. Das Buch hätte indes etwas Denunzierendes, würde es das behaupten, was es zeigt. So kann man sich als Philosoph nur davor hüten, Originalität und dergleichen autistisch so aufzublasen, daß einer wie Mahler es im Grunde nicht lesen kann, ohne dann … – und natürlich ist jeder zumindest so weit Philosoph, daß ihm dies widerfahren kann und ab und zu auch widerfahren sollte.

Aufklärung und Vergnügen ist dieses Buch, kurzum.

 

 

 

Nicolas Mahler
Partyspass mit Kant
Philosofunnies
Suhrkamp / Insel
2015 · 191 Seiten · 14,00 Euro
ISBN:
978-3-518-46634-6

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