Mythos Robert Frost
“She wouldn’t move any of her kings. What she’d do, when she’d get a king, she wouldn’t move it. She’d just leave it in the back row. She’d get them all lined up in the back row. Then she’d never use them. She just liked the way they looked when they were in the back row.” (Salinger in The Catcher In The Rye )
Eines der wichtigsten Bücher meiner Jugend war Salingers Fänger im Roggen, und da stehe ich ganz gewiss nicht allein, allein die Adaption des Stoffes in Plenzdorfs „Die neuen Leiden des Jungen W.“ legt das Nahe, und Holden Caufield, der Held des Fängers, schenkte mir den Namen Robert Frost.
Nun ging es mir Jahre so, dass ich, wiewohl ich wusste, dass es der Name eines Dichters ist, der Sache nicht weiter nachgehen wollte. Ich habe nicht versucht, mir Texte von Frost zu besorgen. Das mag daran gelegen haben, dass es mir gar nicht um seine Gedichte ging, wenn ich seinen Namen vor mich hin in den Bart brummelte. Ich brauchte und gebrauchte ihn als einen Mythos, und befürchtete wohl, dass eine weitere Beschäftigung damit, zu dessen Rationalisierung und Entzauberung führen würde.
Nun liegt ein wundervoll gestalteter Band aus dem Verlag C.H. Beck vor mir, der eine Auswahl der Gedichte Frosts im Original und in der Übersetzung von Lars Vollert, der auch das Nachwort beisteuerte, enthält. Und ich muss zugeben, dass ich in diesen Texten schwelge. Das mag daran liegen, dass Frost, wie Caufield an einer Art vorzivilisatorischen, natürlichen Unschuld festhält. Das wird dem einen nach Kitsch klingen, aber ich kann derlei Festhalten sehr gut verstehen, gerade weil es sich im historischen Prozess als illusorisch herausgestellt hat.
Aber eine Illusion ist zunächst nur eine Illusion, und unterscheidet sich von Irrtum, darin, dass sie einem Wunsch oder Bedürfnis korrespondiert. Das macht sie noch lange nicht zum Fehler. Und wenn Frost sich in seinen Texten einer überlieferten Formensprache bedient, dann liegt das wohl daran, dass sie einem grundlegenden und humanen Wunsch korrespondiert. Der Leipziger Germanist Walfried Hartinger sprach in solchem Zusammenhang gern von Humanisierung der Natur und Naturalisierung der Menschheit. Im Gedicht Desert Places dreht Frost das Verhältnis:
They cannot scare me with their empty places
Between stars - on stars where no human race is.
I have it in me so much nearer home
To scare myselve with my own desert places.
Für Robert Frost seien Gedichte ein kurzes Aufhalten der Verwirrung gewesen, schreibt Lars Vollert im Nachwort. Und wenn wir ehrlich sind, müssen wir zugeben, dass die in späterer Kindheit einsetzende Verwirrung für keinen von uns aufgehört hat, aber auch die Sehnsucht nach Klarheit nicht.
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