Der schwächere, zum Beispiel: der schwächere Serner
Kurz und schmerzlos: Lehmann hat ein locker-flockiges Buch geschrieben, das witzig ist, auch intelligent. Er schwadroniert sich durch eine Postmoderne der Beliebigkeit, die schon durch die Kapitelüberschriften – vor allem Titel von Songs der ‘90er und dergleichen – umrissen ist, und durch das Begehren, bei aller Ironie und Postironie authentisch zu sein.
Das Wort „postironisch” wird dabei zum roten Faden; was, wenn alles bedeutungslos ist, wenn das Subjekt ach so schlau ist, bis ins Selbstmanagement? Was, wenn das Echte verloren ist, weil der Zweifel an der Schimäre noch nichts Reales ergibt? Was, wenn etwa in der Matrix (explizit genannt) die Simulation dennoch nicht impliziert, es gebe daneben ein Reales, vorsichtiger: Es sei nicht die sinistre Realität, was da vielmehr inszeniert wird?
Bloß ist das alles ein alter Hut. Sich selbst und seinen Nostalgien, aber auch Ironien zu mißtrauen, das ist schon bei Walter Serner Programm – und da eben nicht so glatt verpackt, sondern zum Äußersten getrieben, als Denkexperiment in der letzten Lockerung, die eines der wichtigsten Bücher des 20. Jahrhunderts bleiben mag, als Motiv aber etwa auch in seiner phantastischen, postironisch (?) anrührenden Tigerin, die zuletzt sich fragt, ob sie vor lauter Spiel, und war’s auch noch so intensiv, das Bekennen vergaß. Und wollte man noch weiter zurückgehen, bitte, dann lese man Schlegel: davon, daß die Ironie ironisiert sich eben dennoch oder schon gar nicht „regieren” läßt.1
Insofern ist Lehmanns Buch zugleich nicht schlecht und doch eher zu eben Serner und den brillanten Vertretern der Romantik zu raten.
- 1. „Was wir aber hier zunächst unter Ironie der Ironie verstanden wissen wollen, das entsteht auf mehr als einem Wege. Wenn man ohne Ironie von der Ironie redet, wie es soeben der Fall war; wenn man mit Ironie von einer Ironie redet, ohne zu merken, daß man sich zu eben der Zeit in einer andren viel auffallenderen Ironie befindet; wenn man nicht wieder aus der Ironie herauskommen kann, wie es in diesem Versuch über die Unverständlichkeit zu sein scheint; wenn die Ironie Manier wird, und so den Dichter gleichsam wieder ironiert; wenn man Ironie zu einem überflüssigen Taschenbuche versprochen hat, ohne seinen Vorrat vorher zu überschlagen und nun wider Willen Ironie machen muß, [...] wenn die Ironie wild wird, und sich gar nicht mehr regieren läßt.”– Schlegel: Über die Unverständlichkeit
Fixpoetry 2014
Alle Rechte vorbehalten
Vervielfältigung nur mit Genehmigung von Fixpoetry.com und der Urheber
Dieser Artikel ist ausschließlich für den privaten Gebrauch bestimmt. Sie dürfen den Artikel jedoch gerne verlinken. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Neuen Kommentar schreiben